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Viel kritisiertes Treffen im Kreml: Putin und Orbán beraten über den Ukrainekrieg
Der umstrittene Ministerpräsident unterhält trotz des Ukraine-Kriegs gute Beziehungen zum Kreml-Chef. Jetzt ist Orbán für ein Treffen nach Moskau gereist. In Brüssel ist die Empörung groß.
Stand:
Kremlchef Wladimir Putin und der rechtspopulistische ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán haben ihre Verhandlungen im Kreml in Moskau nach zweieinhalb Stunden beendet.
Beide würden die Presse über ihre Gespräche informieren, sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow. Es seien viele Fragen in sehr guter Atmosphäre besprochen worden – vor allem auch zur Ukraine, sagte er.
Putin hatte unlängst erneut einen Vorschlag gemacht für die Beendigung seines vor mehr als zwei Jahren begonnenen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Darin hatte er aber erneut Gebietsabtretungen der Ukraine zur Voraussetzung gemacht.
Er wollte nach eigenen Angaben Orbán über die Nuancen seiner Vorstellungen unterrichten, sagte Putin. Trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine pflegt Orbán weiter gute Beziehungen zum Kremlchef. Ungarn erhält etwa Gas von Russland.

© REUTERS/Evgenia Novozhenina
Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass Orbán auf eigene Initiative angereist sei. Zur Kritik der EU und westlichen Politiker an dem Treffen mit Putin sagte er, dass Russland diese Diskussionen anderen überlasse. Putin lobt Orbán immer wieder, dass er für die Interessen seines Landes eintrete und sich nichts diktieren lasse. Die beiden hatten sich bereits kurz vor Kriegsbeginn im Februar 2022 getroffen im Kreml und zuletzt im Oktober 2023 in China.
Die EU hatte betont, dass Orbán kein Mandat habe, für die Europäische Union zu sprechen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte am Freitag in Brüssel, die EU-Haltung schließe offizielle Kontakte mit Putin aus. „Der ungarische Regierungschef vertritt die EU damit in keiner Form“, betonte er.
Der ungarische Regierungschef vertritt die EU damit in keiner Form.
Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter
„Der Besuch von Ministerpräsident Viktor Orbán in Moskau findet ausschließlich im Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Russland statt“, sagte Borrell. Er erinnerte weiter daran, dass gegen Putin bereits seit März 2023 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine vorliegt.
Kritik aus Washington und Brüssel
Die US-Regierung zeigt sich „besorgt“ über die Reise. Das Verhalten des Nato-Partners sei mit Blick auf die Unterstützung der Souveränität der Ukraine „kontraproduktiv“ und trage nicht zum Frieden in dem von Russland angegriffenen Land bei, sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre. „Russland könnte diesen Krieg noch heute beenden, indem es seinen Angriff gegen die Ukraine, gegen ihre Souveränität und gegen ihre Demokratie aufgibt“, sagte sie weiter.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte den Besuch ebenfalls. „Beschwichtigungspolitik wird Putin nicht aufhalten“, schrieb die deutsche Spitzenpolitikerin auf der Internetplattform X. „Nur Einigkeit und Entschlossenheit werden den Weg zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ebnen.“
Von der Leyen spielte damit darauf an, dass die EU-Position zum Krieg Russlands eigentlich vorsieht, sich mit Härte und Geschlossenheit gegen den russischen Angriffskrieg zu stellen. Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sollte es demnach nur dann geben, wenn dies auch im Interesse der Ukraine ist.
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In der EU hatten bereits zuvor Gerüchte Besorgnis ausgelöst, dass Orbán wenige Tage nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch sein Land nach Moskau reisen könnte. „Der rotierende EU-Ratsvorsitz hat kein Mandat, im Namen der EU mit Russland einen Dialog zu führen“, warnte EU-Ratspräsident Charles Michel am Donnerstag im Onlinedienst X.
Michel fügte hinzu, hinsichtlich des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei die Haltung des Europäischen Rates „klar“: „Russland ist der Aggressor, die Ukraine ist das Opfer. Kein Gespräch über die Ukraine kann ohne die Ukraine stattfinden.“
Der polnische Regierungschef Donald Tusk war im Vorfeld auf X ebenfalls auf die Gerüchte einer bevorstehenden Russland-Reise Orbáns eingegangen. „Die Gerüchte über Ihren Besuch in Moskau können nicht wahr sein, Ministerpräsident Viktor Orbán, oder können sie doch?“, schrieb Tusk.
Kritik an Orbán auch von Scholz
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach Orbán ab, bei seinem Besuch in Moskau die EU zu vertreten. Der Europäische Rat, dessen Vorsitz Ungarn am Montag übernommen hatte, werde vom EU-Außenbeauftragten vertreten, sagte Scholz am Freitag in Berlin und fügte an: „Deshalb ist die Ratspräsidentschaft Ungarns nicht das, was diesen Besuch trägt, sondern die Tätigkeit als ungarischer Ministerpräsident.“
Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg, wir unterstützen die Ukraine finanziell und (...) mit Waffen und das wird auch organisiert durch die Europäische Union.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Als EU-Ratspräsident – diesen Titel hat Orbán nun ein halbes Jahr inne – hatte der ungarische Regierungschef in dieser Woche den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erstmals seit Kriegsbeginn in Kiew besucht.
Orbán habe ihn im Vorfeld nicht über seine Reise nach Moskau informiert, erklärte Scholz weiter. Zur möglichen Rolle des Besuchs für den Umgang der EU mit dem Ukraine-Krieg sagte Scholz: „Die Haltung, die die Europäische Union hat, in dieser Frage ist auch sehr klar: Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg, wir unterstützen die Ukraine finanziell und (...) mit Waffen und das wird auch organisiert durch die Europäische Union.“
Orbán informierte die Nato vorab
Die Nato hatte Orbán nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg vorab über seinen Moskau-Besuch informiert. Orbán reise in seiner Funktion als Ministerpräsident seines Landes und vertrete nicht das westliche Militärbündnis, dessen Mitglied Ungarn ist, sagte der Norweger. Es gebe keine Anzeichen, dass Putin zu einem Frieden bereit sei.
Orban selbst schrieb – vor der Bestätigung der Reise – bei X: „Vom bequemen Sessel in Brüssel aus kann man keinen Frieden schaffen.“ Auch wenn er kein Mandat habe, im Namen der EU zu verhandeln, „können wir uns nicht zurücklehnen und darauf warten, dass der Krieg auf wundersame Weise endet. Wir werden ein wichtiges Instrument sein, um die ersten Schritte in Richtung Frieden zu machen.“
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Putin sieht Orbán als Vertreter der EU
Putin sagte am Freitag bei im Fernsehen übertragenen Gesprächen im Kreml, er betrachte Orbán bei dessen Besuch als Vertreter der gesamten EU. „Ich gehe davon aus, dass Sie dieses Mal nicht nur als langjähriger Partner, sondern auch als Vorsitzender des Rates der Europäischen Union gekommen sind“, sagte der russische Staatschef. Putins außenpolitischer Berater sagte allerdings, dass Orbán als Regierungschef und nicht als EU-Vertreter empfangen worden sei.
Putin erwarte von Orbán, dass dieser ihm zur Ukraine seine Position und „die der europäischen Partner“ mitteile. Er wolle die Gelegenheit nutzen, mit Orbán über die „Zwischentöne zu sprechen“, die sich im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt entwickelt hätten.
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Orbán inszeniert seine Reise nach Moskau als Friedensmission. Es ist der erste Moskau-Besuch eines europäischen Staats- oder Regierungschefs seit einer Visite des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP) im April 2022. Orban hatte Putin im Oktober 2023 bei einem Gipfeltreffen in Peking getroffen.
Ungarn hatte am Montag die rotierende EU-Ratspräsidentschaft bis zum Jahresende übernommen. Am folgenden Tag war Orban zum ersten Mal seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 nach Kiew gereist und hatte dort Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geführt. Nach russischen Angaben hatte Orbán keine Botschaft Selenskyjs im Gepäck für Putin.
Orbán versuchte, die Ukraine zu Waffenruhe zu drängen
Orbán drängte Selenskyj bei dessen Besuch zu einer zeitlich begrenzten Waffenruhe mit Russland, um Friedensgespräche zu ermöglichen. Selenskyj hielt dem entgegen, sein Land wolle einen „gerechten Frieden“, und rief Orbán auf, zusammen mit Ungarns internationalen Partnern Kiew zu unterstützen.
Orbán unterhält trotz des Ukraine-Kriegs weiter enge Beziehungen zu Moskau. Sanktionen gegen Russland und Finanzhilfen der EU für Kiew hat der ungarische Regierungschef mehrfach verzögert. Zudem kritisierte er die Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine.
Nach der vom Westen kritisierten Wiederwahl Putins im März gratulierte Orbán dem Kreml-Chef. Dabei versicherte er, es herrsche weiterhin „gegenseitiger Respekt“ zwischen beiden Ländern – „selbst in herausfordernden geopolitischen Kontexten“. (AFP, dpa, Reuters)
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