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Die Europaflagge ist bei den Euroskeptikern nicht gern gesehen.

© Imago/Amrei Schulz

Wahlen in Polen, Portugal, Rumänien: Kein Grund zum Jubeln für Europa

Die Ergebnisse der Wahlen in Polen, Portugal und Rumänien zeigen: Der rechte Vormarsch in Europa ist noch lange nicht zu Ende.

Anja Wehler-Schöck
Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Stand:

Es war der Tag der Richtungswahlen in Europa. Die Abstimmungen, die an diesem Sonntag in drei EU-Mitgliedsstaaten stattgefunden haben, lassen keinen Zweifel: Längst geht es nicht mehr nur darum, welche Regierung die kommenden Jahre die Politik bestimmen soll.

Nein, sie sind Entscheidungen über viel grundsätzlichere Fragen. Auf dem Wahlzettel stehen nicht mehr einzelne Parteien. Sondern die Frage, inwieweit Demokratie und Rechtsstaat in Europa künftig Fortbestand haben werden.

Die gute Nachricht zuerst. Dass sich im Rennen um die rumänische Präsidentschaft der liberale Nicușor Dan gegen den ultrarechten George Simion durchsetzen konnte, ist ein Sieg für Europa. Unverhohlen hatte sich Simion im Wahlkampf als Bewunderer von US-Präsident Trump geoutet und dafür eingesetzt, die Unterstützung für die Ukraine zurückzufahren und die Menschenrechte einzuschränken.

Dem pro-europäischen Nicușor Dan gelang es in Rumänien, sich gegen seinen ultrarechten Kontrahenten durchzusetzen.

© AFP/DANIEL MIHAILESCU

Anlass für euphorischen Jubel ist der Sieg seines pro-europäischen Kontrahenten Nicușor Dan jedoch nicht. Denn immerhin haben 46 Prozent der Rumäninnen und Rumänen für Simion gestimmt. Der Ultrarechte ist keine Randerscheinung, sondern spricht mit seinen radikalen Positionen knapp die Hälfte der Wählerschaft an.

Ähnlich ist der Eindruck in Portugal. Dort wird der konservative Ministerpräsident Luís Montenegro nach der vorgezogenen Parlamentswahl zwar seine Minderheitsregierung wohl fortsetzen können. Aber die rechtspopulistische Chega-Partei konnte ihre Stimmanteile mit knapp 23 Prozent weiter ausbauen. Nur um ein Haar verpasste sie Platz zwei.

Der konservative Ministerpräsident Luís Montenegro will in Portugal nach der vorgezogenen Parlamentswahl seine Minderheitsregierung fortsetzen. Mit der rechten Chega will er nicht regieren.

© AFP/FILIPE AMORIM

Und auch bei der Präsidentschaftswahl in Polen schnitten die rechten Kräfte bedenklich stark ab. Der pro-europäische Bürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski, erzielte mit 32 Prozent zwar das beste Ergebnis. Doch der zweitplatzierte Kandidat Karol Nawrocki, der für die rechts-nationalistische PiS antrat, landete nur knapp dahinter.

Rechnet man Nawrockis Stimmen mit denen von Sławomir Mentzen von der rechtsradikalen Konfederacja und denen des Rechtsextremisten und Antisemiten Grzegorz Braun zusammen, machen sie mehr als 50 Prozent der Wählerschaft aus. Der Ausgang der Stichwahl am 1. Juni, in der Trzaskowski und Nawrocki nun gegeneinander antreten, ist alles andere als gewiss.

Rafał Trzaskowski, der bisherige Bürgermeister von Warschau, muss in die Stichwahl gegen Karol Nawrocki.

© AFP/WOJTEK RADWANSKI

Symptomatisch offenbaren diese drei Wahlen, wie rechte Kräfte in Europa weiter Fuß fassen. Sie gefährden Demokratie und Rechtsstaat und stellen die Zusammenarbeit innerhalb der EU infrage.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hatte mit dem Rumänen George Simion bereits auf eine Verstärkung für seinen Veto-Kampf in der EU gehofft. Der rechts-nationalistische Präsidentschaftskandidat Nawrocki absolvierte in Polen mit seinem rumänischen Gegenüber Simion gemeinsame Wahlkampfauftritte.

Dieser europäische Schulterschluss der euroskeptischen Kräfte offenbart die Ironie des Phänomens. Sie diskreditieren die EU als liberales, elitäres Projekt und fordern das Wiedererstarken der Nationalstaaten.

Unterstützung erfahren sie dabei aus den USA. Dort hatte der Thinktank Heritage Foundation mit dem Project 2025 in den vergangenen Jahren die Blaupause für die zweite Amtszeit von US-Präsident Trump vorbereitet.

Ein ähnliches Vorhaben unterstützt Heritage nun in Europa. Gemeinsam mit dem ultrakonservativen Institut Ordo Iuris in Polen und dem von Viktor Orbán finanzierten Mathias-Corvinus-Kolleg haben sie ein Papier mit dem Titel „Der große Neustart“ vorbereitet. Dessen Ziel kein geringeres ist als die kontinuierliche Schwächung der EU.

Zu einem Zeitpunkt, an dem die Stärke und Einheit Europas so stark herausgefordert ist wie nie, treiben diese Kräfte die Spaltung voran. Ihr Vormarsch ist ein Auftrag an alle Entscheidungsträger: klar zu zeigen, dass die EU eben kein Elitenprojekt ist. Sondern ein Gemeinschaftsprojekt, das die Probleme der Menschen in Europa lösen kann.

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