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Wer kommt nach Franziskus?: Das sind die sechs Favoriten bei der Papst-Wahl
Die Wahl des neuen Papstes gilt als offen und unberechenbar. Aber einige Anwärter gibt es schon.
Stand:
Experten warnen vor Prognosen: Die Wahl des neuen Papstes gilt als offen und unberechenbar. Zu oft gab es in der Vergangenheit Überraschungen. Dennoch kursierten bereits wenige Stunden nach dem Tod von Franziskus erste Namen, wer als Favorit gilt.
Wahlberechtigt sind nach aktuellem Stand 135 Kardinäle aus aller Welt unter 80 Jahren. Auch drei deutsche Kardinäle geben ihre Stimme ab: Reinhard Marx, Rainer Maria Woelki und Gerhard Ludwig Müller.
Geleitet werden die strengstens abgeschirmten Wahlversammlungen von Kardinal Pietro Parolin – der selbst als Kandidat gilt. Neben ihm werden fünf weitere Kardinäle als mögliche Nachfolger gehandelt. Wer sie sind und welche Chancen sie haben:
Pietro Parolin, 70 Jahre, Italien

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Als aktuelle Nummer Zwei im Vatikan ist Pietro Parolin als Papst-Kandidat gesetzt.
Der bisherige Kardinalstaatssekretär gehört schon von Amtes wegen zu den „Papabili“, wie in Italien die möglichen Anwärter für die Nachfolge auf dem Stuhl Petri genannt werden. Immerhin sind schon drei ehemalige Staatssekretäre zu Päpsten gewählt worden: Der letzte war Eugenio Pacelli im Jahr 1939, der den Namen Pius XII. annahm. Parolin trat schon Mitte der 80er-Jahre in den Dienst der vatikanischen Diplomatie, war jahrelang deren Chef und gilt als wichtigster Vermittler bei der schwierigen Annäherung des Vatikans an China.
Was für ihn spricht: Als einstige rechte Hand von Franziskus ist er den meisten Kardinälen gut bekannt. Als moderater und geschickter Vermittler wäre er ein idealer Kandidat für all diejenigen Kardinäle, die grundsätzlich den von Franziskus eingeschlagenen Weg fortführen wollen, dabei aber etwas ruhiger und zurückhaltender vorgehen möchten.
Was gegen ihn spricht: Als Kardinalstaatssekretär hatte er lange die Aufsicht über das Finanzgebaren im Kirchenstaat – und ist damit auch für Fehltritte dort verantwortlich. So wird sein Name zumindest indirekt mit einer Londoner Immobilie in Verbindung gebracht, bei der der Vatikan einen dreistelligen Millionenbetrag verzockte. Vor allem bei den Kardinälen, die nicht in der Kurie tätig sind, ist das keine Empfehlung für das Papstamt. Außerdem gilt der zurückhaltende Parolin als wenig charismatisch.
Pierbattista Pizzaballa, 60 Jahre, Italien

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Gilt als Kandidat der Herzen: Pierbattista Pizzaballa ist aktuell der Lateinische Patriarch von Jerusalem.
In diesem Amt leitet der Franziskaner eine der schwierigsten Diözesen der Welt: Christen stehen hier oft zwischen den Fronten des Nahostkonflikts. Seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel mit fast 1200 Toten und dem darauffolgenden Gaza-Krieg hat sich Pizzaballa immer wieder kritisch zur anhaltenden Gewalt geäußert. Weil er ausgewogen Stellung bezieht, findet seine Stimme bei den Konfliktparteien, aber auch weltweit Gehör.
Was für ihn spricht: Mit seiner tiefen Verankerung im Nahen Osten, seiner politischen Sensibilität, pastoralen Nähe zur Basis und theologischen Offenheit ist er zweifellos einer der interessantesten Namen für das bevorstehende Konklave. Daneben gilt Pizzaballa als umgänglich – und auch an Charisma fehlt es ihm nicht.
Was gegen ihn spricht: Der Lateinische Patriarch gilt als einer der Kardinäle, die Franziskus inhaltlich und weltanschaulich am nächsten standen. Er ist mehr Seelsorger als Theologe, erhebt seine Stimme für die Armen und Schwachen. Bei allen Kardinälen, die sich im neuen Pontifikat eine deutliche Kurskorrektur wünschen, hat der 60-Jährige wenig Kredit.
Fridolin Ambongo Besungu, 65 Jahre, Demokratische Republik Kongo

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Kein Ja-Sager: Ambongo Besungu ist seit 2018 Erzbischof in der Landeshauptstadt Kinshasa.
Noch als Vize-Vorsitzender der kongolesischen Bischofskonferenz war er einer der Väter des sogenannten Silvesterabkommens von 2016, das einen friedlichen Übergang der Macht im Land einläuten sollte. In der Demokratischen Republik Kongo gilt er bis heute als politischer Vermittler. Weil der Kapuziner Kritik an der Regierung übte, handelte er sich sogar ein Gerichtsverfahren ein. Auch im Kardinalskollegium ist er kein Ja-Sager: Als der Papst letztes Jahr die Segnung homosexueller Paare billigte, äußerte er deutliche Kritik.

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Was für ihn spricht: Fridolin Ambongo Besungu wäre der erste schwarze Papst in der Geschichte der katholischen Kirche – seine Wahl wäre ein leuchtendes Signal für den globalen Süden. Er selbst erinnert gern daran, dass in Europa, das bis auf Franziskus bisher alle Päpste gestellt hatte, die Kirchen leer seien, während in Afrika ein lebendiger Glaube praktiziert werde.
Was gegen ihn spricht: Sein politisches Engagement und seine mitunter etwas forsche Art könnten moderate Kardinäle abschrecken. Trotz seiner Kritik an der Segnung Homosexueller gilt Besungu als Mitglied des von Franziskus eingesetzten Kardinalsrates zur Kurienreform als jemand, der dem alten Papst sehr nahestand. Das macht ihn bei dessen Gegnern unwählbar.
Blase Joseph Cupich, 76 Jahre, USA

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Unter allen US-Kardinälen zählt Cupich zu den schärfsten Kritikern von Präsident Donald Trump.
Seit 2014 ist der 76-Jährige Erzbischof von Chicago, einer der wichtigsten Diözesen in den USA. Im tief zwischen Traditionalisten und Liberalen gespaltenen US-Episkopat stellt sich Cupich stets demonstrativ auf die Seite des Papstes. So hat er Trumps geplante Razzien in Chicago als „zutiefst beunruhigend“ und als „Affront gegen die Würde aller Menschen und Gemeinschaften“ bezeichnet.
Was für ihn spricht: Cupich wäre ein idealer Kandidat für alle, die sich wünschen, dass endlich auch einmal die US-Bischofskonferenz einen Papst stellt. Immerhin gehört sie zu den wichtigsten Geldgebern des Vatikans. Gleichzeitig würde durch ihn der Einfluss der religiösen Rechten und Donald Trump nicht gestärkt werden.
Was gegen ihn spricht: Vor allem sein Alter. Nach der Wahl von Joseph Ratzinger und Jorge Maria Bergoglio, die bei ihrem Amtsantritt als Papst bereits 78 respektive 76 Jahre alt waren, könnten die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle beschließen, einem Jüngeren den Vortritt zu geben. Und ob in diesen Zeiten ein Kandidat aus den USA überhaupt eine Chance hat – selbst wenn er Trump kritisiert – ist ebenfalls fraglich.
Luis Antonio Gokim Tagle, 67 Jahre, Philippinen

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Schon lange wird Tagle als Favorit gehandelt, weshalb er den Spitznamen „ewiger Papabile“ trägt.
Schon beim Konklave im Jahr 2013, das den Argentinier Franziskus gewählt hatte, war der heute 67-Jährige Anwärter für das Papstamt. Der frühere Erzbischof von Manila galt als enger Vertrauter von Franziskus und ist von diesem auch einmal als „heiliger Sohn“ bezeichnet worden. Doch dann kam die Wende: 2022 wurde er als Leiter des katholischen Hilfswerk-Dachverbands Caritas Internationalis, das er ab 2015 geführt hatte, vom Papst abgesetzt. Grund dafür war angeblich Mobbing gegenüber Mitarbeitenden.
Was für ihn spricht: Trotz der unrühmlichen Absetzung bei Caritas Internationalis, blieb Tagle, der sich in der Kirche immer für die Mission starkgemacht hat, ein enger Vertrauter von Franziskus. Außerdem wächst auf keinem Kontinent die katholische Bevölkerung so stark wie in Asien; allein in Tagles Heimat Philippinen sind 90 Prozent der 114 Millionen Einwohner Katholiken. Und: Während Besungu der erste schwarze Papst wäre, würde Tagle der erste asiatische Pontifex.
Was gegen ihn spricht: Sein Führungsstil bei Caritas Internationalis qualifiziert ihn in den Augen vieler Kardinäle vermutlich nicht für höhere Aufgaben. Hinzu kommt das negative Etikett des „ewigen Kandidaten“.
Jean-Marc Aveline, 66 Jahre, Frankreich

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Der Erzbischof von Marseille wurde in der ehemaligen französischen Kolonie Algerien geboren, in einer kleiner Oase mitten in der Sahara.
Unter allen Papabili soll Aveline der umgänglichste sein; gleichzeitig ist er theologisch offen, setzt sich für den Dialog mit Muslimen ein und kümmert sich um soziale Themen. Der 66-Jährige wäre der erste französische Papst seit den Gegenpäpsten in Avignon.
Was für ihn spricht: Würde Aveline gewählt, wäre er bei seiner Wahl der jüngste Papst seit Papst Johannes Paul II. Außerdem gilt er mit einem Doktorat in Theologie und einem weiteren Abschluss in Philosophie als intellektuell herausragend. Auch er wäre ein Kandidat für diejenigen Kardinäle, die mit dem Pontifikat von Franziskus nicht brechen, aber die Leitung der Kirche in etwas geordnete Bahnen lenken wollen.
Was gegen ihn spricht: Er versteht zwar einigermaßen Italienisch, aber er spricht es nicht. Das ist nicht nur in der von Italienern dominierten Kurie ein Problem, sondern auch deshalb, weil der Papst gleichzeitig Bischof von Rom ist. Zur Ausfüllung dieses Amtes – und auch zum Verstehen und rechtzeitigen Entdecken von Intrigen – ist die Beherrschung des Italienischen fast unabdingbar.
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