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Annalena Baerbock bei einer Debatte im Bundestag.

© imago/Metodi Popow/IMAGO/M. Popow

Update

„Würde zu neuem Leid und neuem Hass führen“: Baerbock kritisiert Trumps Umsiedelungspläne für Gaza

US-Präsident Donald Trump löst mit seinem radikalen Plan für Gaza weltweit Entsetzen aus. Eine Antwort aus dem Nahen Osten folgte prompt und auch im eigenen Land gibt es scharfe Kritik.

Stand:

US-Präsident Donald Trump hat in der Nacht auf Mittwoch überraschend erklärt, die USA wollten den Gazastreifen übernehmen und wirtschaftlich entwickeln. Der Küstenstreifen habe das Potenzial, die „Riviera des Nahen Ostens“ zu werden, erklärte er während einer Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington.

In dem Küstenstreifen sollten dann „die Menschen der Welt“ leben, während die Nachbarstaaten auf Dauer Palästinenser aufnehmen könnten, so Trump. Einen Einsatz des US-Militärs schloss Trump nicht aus. Einzelheiten nannte er nicht.

Eine Antwort aus dem Nahen Osten folgte prompt: Saudi-Arabien unterstützt die Palästinenser und bekräftigte dies erneut. Das Königreich wende sich gegen „jegliche Verletzung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes, sei es durch israelische Siedlungspolitik, Annektierung von Land oder Versuche, das palästinensische Volk von seinem Land zu vertreiben“, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Riad.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan bezeichnete die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump ebenfalls als „inakzeptabel“.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kritisierte den Vorstoß, die Palästinenser aus dem Gazastreifen umzusiedeln. „Eine Vertreibung der palästinensischen Zivilbevölkerung aus Gaza wäre nicht nur inakzeptabel und völkerrechtswidrig“, schreibt Baerbock in einer Mitteilung, ohne Trump namentlich zu erwähnen. „Dies würde auch zu neuem Leid und neuem Hass führen.“

Die G7, die EU und die UN hätten immer wieder klargemacht, dass die Zivilbevölkerung nicht vertrieben werden und der Gazastreifen nicht dauerhaft besetzt werden dürfe. „Eine Lösung über die Köpfe der Palästinenserinnen und Palästinenser hinweg darf es nicht geben.“ Sie bestehe auf eine verhandelte Zweistaatenlösung.

Zuvor bekräftigte auch Frankreichs Außenministerium seine Ablehnung einer Zwangsumsiedlung der palästinensischen Bevölkerung. „Dies wäre eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts“, heißt es aus Paris. „Die Zukunft des Gazastreifens darf nicht in der Perspektive einer Kontrolle durch einen Drittstaat liegen, sondern im Rahmen eines künftigen palästinensischen Staates unter der Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde.“

Weitere Reaktionen im Überblick:


Jede Idee dieser Art ist geeignet, die Region in Brand zu setzen.

Sami Abu Suhri, Vertreter der Hamas

Wenig überraschend lehnt die radikal-islamische Hamas den Vorschlag ab. Der Aufruf an die Bewohner des Gazastreifens sei „eine Vertreibung aus ihrem Land“, erklärte Hamas-Vertreter Sami Abu Suhri. Weiter: „Wir halten sie für ein Rezept, um Chaos und Spannungen in der Region zu erzeugen, denn die Menschen im Gazastreifen werden solche Pläne nicht zulassen.“ Derartige Initiativen könnten den Nahen Osten destabilisieren, erklärte er. „Jede Idee dieser Art ist geeignet, die Region in Brand zu setzen.“


Er hat völlig den Verstand verloren.

Chris Murphy, demokratischer Senator

Chris Murphy, demokratischer Senator aus Connecticut ist überzeugt: „Er (Trump) hat völlig den Verstand verloren“ (engl: „He lost it“). Und: „Eine US-Invasion des Gazastreifens würde zum Tod Tausender US-Soldaten und zu jahrzehntelangen Kriegen im Nahen Osten führen.“


So etwas nennt sich auch ethnische Säuberung.

Chris Van Hollen, demokratischer Senator

Der demokratische Senator Chris Van Hollen, Mitglied des außenpolitischen Ausschusses des Senats, wertet den Plan von US-Präsident Donald Trump, den Gazastreifen unter Kontrolle der USA zu bringen und die dort lebenden Menschen zwangsweise umzusiedeln, als Ankündigung eines schweren Völkerrechtsbruchs.

„Ich denke, wir müssen wiederholen, was der Präsident der Vereinigten Staaten gerade gesagt hat“, sagte Van Hollen beim US-Sender MSNBC kurz nach der denkwürdigen Pressekonferenz Trumps an der Seite des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. „Er hat gerade gesagt, dass es die Politik der Vereinigten Staaten sein wird, zwei Millionen Palästinenser gewaltsam aus dem Gazastreifen zu vertreiben – so etwas nennt sich auch ethnische Säuberung.“


Die Palästinenser werden nirgendwohin gehen.

Rashida Tlaib, Abgeordnete der Demokraten

US-Abgeordnete Rashida Tlaib, ebenfalls Demokratin, ist überzeugt, dass sich die Bewohner des Gazastreifens nicht einfach umsiedeln lassen: „Die Palästinenser werden nirgendwohin gehen. Dieser Präsident kann diesen fanatischen Bullshit nur von sich geben, weil es überparteiliche Unterstützung im Kongress für die Finanzierung von Völkermord und ethnischer Säuberung gibt.“


Wir werden sehen, was unsere arabischen Freunde dazu sagen.

Lindsay Graham, republikanischer Senator

Der republikanische Senator Lindsay Graham zeigt sich abwartend. „Wir werden sehen, was unsere arabischen Freunde dazu sagen.“ Die meisten Bürger seines Bundesstaates wären wahrscheinlich „nicht begeistert, Amerikaner zur Übernahme des Gazastreifens zu entsenden“. Er bleibe jedoch zunächst offen für alles.


Ein völkerrechtswidriger Plan.

Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), warnt mit Blick auf Trumps Pläne vor Landraub und Kolonialismus. „Die Vertreibung von zwei Millionen Menschen wird weder Frieden noch Stabilität bringen, sondern das Leid vergrößern und die Region weiter destabilisieren“, sagte Roth dem Tagesspiegel.

„Trumps Vorschlag läuft auf Landraub, ethnische Säuberung und Kolonialismus hinaus – ein völkerrechtswidriger Plan, der von den Palästinenserinnen und Palästinensern sowie den moderaten arabischen Staaten abgelehnt wird.“

Der Gazastreifen ist ihre Heimat.

Paul O’Brien, Chef von Amnesty International USA

Für Paul O’Brien, Chef von Amnesty International USA, kommt die Entfernung aller Palästinenser aus dem Gazastreifen ihrer Vernichtung als Volk gleich. „Der Gazastreifen ist ihre Heimat. Der Tod und die Zerstörung im Gazastreifen sind eine Folge davon, dass die israelische Regierung zu Tausenden Zivilisten tötet, oft mit US-Bomben.“


Ich sehe nicht, wie dieser Plan umgesetzt werden kann

Christoph Heusgen, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen sieht keine Chance für US-Präsident Donald Trump, seine Ankündigung zu einer Übernahme des Gazastreifens umzusetzen. „Wissen Sie, man kann einen Plan vorlegen“, sagte Heusgen am Mittwoch im Reuters-TV-Interview. „Aber ich sehe nicht, wie dieser Plan umgesetzt werden kann. Ich sehe nicht, dass die Palästinenser freiwillig ihre Heimat verlassen. Ich sehe weiter nicht, dass die Länder, die vom amerikanischen Präsidenten als Aufnahmeländer gesehen werden, dass die das akzeptieren“, fügte der frühere deutsche Top-Diplomat hinzu.

Sowohl Ägypten als auch Jordanien hätten dies ebenso kategorisch abgelehnt wie Saudi-Arabien. „Also von daher sehe ich nicht, wie Präsident Trump seine Pläne umsetzen will. Und per Zwang wird es auch nicht gehen“, sagte Heusgen mit Blick auf einen möglichen Einsatz von US-Militär, den Trump nicht ausgeschlossen hatte.

Man sei vom US-Präsidenten einiges gewohnt. „Das hat jetzt nochmal eine neue Dimension“, betonte der MSC-Chef. Allerdings komme der Vorstoß nicht wirklich überraschend. „Denn sein Schwiegersohn hat das schon vage im letzten Jahr angekündigt, als er hingewiesen hat auf die wunderbare Immobilienlage und dass man im Gazastreifen ja tolle Villen bauen könnte mit Blick aufs Mittelmeer“, sagte er in Anspielung auf Trumps Schwiegersohn Jared Kushner.


Trump ist hier als Immobilienkaufmann unterwegs.

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, hat den Vorschlag von US-Präsident Donald Trump zum Gazastreifen als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet. „Er steht im krassen Widerspruch zum Völkerrecht und würde zwei Millionen Palästinensern ihre Heimat rauben“, sagt der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters.

Nur eine Zweistaatenlösung könne die Sicherheit Israels und die Rechte der Palästinenser gewährleisten, frei und in Würde zu leben. „Daran sollten wir Europäer zusammen mit unseren Partnern in der arabischen Welt festhalten“, fordert er die EU-Staaten auf.

„Dazu sollte Deutschland auf Ebene der Außenminister umgehend ein Treffen im Kleeblatt-Format initiieren.“ Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Jordanien und Ägypten. Schmid warnt, dass es bei einer Vertreibung der Palästinenser keine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und arabischen Staaten geben werde. „Trump ist hier als Immobilienkaufmann unterwegs und nicht als ehrlicher Makler für einen gerechten Interessenausgleich zwischen Israelis und Palästinensern“, kritisiert Schmid.


Ich bezweifle, dass viele bereit wären, selbst einen zerstörten Gazastreifen zu verlassen.

Jon Alterman, Nahost-Experte

Jon Alterman, Nahost-Experte am Center for Strategic and International Studies, bezweifelt, dass die Menschen den Gazastreifen verlassen würden: „Viele Bewohner des Gazastreifens stammen von Palästinensern ab, die aus Teilen des heutigen Israels geflohen sind und nie in ihre früheren Heimatorte zurückkehren konnten. Ich bezweifle, dass viele bereit wären, selbst einen zerstörten Gazastreifen zu verlassen.“ (dpa/Reuters/Tsp)

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