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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit an.

© dpa/Jean-Francois Badias

Zweite Amtszeit für von der Leyen: Deshalb könnten die Grünen zum Königsmacher werden

Bei der letzten Wahl der EU-Kommissionschefin im Jahr 2019 verweigerten die meisten Vertreter der Öko-Partei ihre Stimme. Diesmal könnte es anders laufen.

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Ursula von der Leyen baut an diesem Donnerstag bei der Wahl im Europaparlament in erster Linie auf ihre eigene Partei, die EVP. Hinzu kommt eine Art Brüsseler Ampel-Koalition: Sozialdemokraten, Liberale und Grüne. Die Fraktion der Öko-Partei könnte dabei die Rolle der Königsmacher einnehmen. Viel spricht dafür, dass etliche Grüne diesmal – anders als bei der ersten Wahl von der Leyens vor fünf Jahren – für die deutsche CDU-Politikerin stimmen werden.

Auf die Stimmen der Grünen kommt es an, weil das ursprünglich von der Kommissionspräsidentin angepeilte Bündnis aus christdemokratischen EVP-Leuten, Sozialdemokraten und Liberalen auch am Vortag der Wahl wackelte. Von der Leyen benötigt für die absolute Mehrheit 361 der insgesamt 720 Mandate.

Von der Leyens Problem liegt darin, dass sich einige Maximalforderungen aus den Reihen des politischen Vierer-Bündnisses nur schwer miteinander vereinbaren lassen. Unmittelbar vor der Wahl versuchten die Liberalen einer möglichen weiteren gemeinsamen Aufnahme von EU-Schulden für Investitionen in Sicherheit und Verteidigung einen Riegel vorzuschieben. FDP-Finanzminister Christian Lindner erklärte in Brüssel, dass eine gemeinsame Schuldenaufnahme von Deutschland „nicht unterstützt“ werde. Lindner weiß sich dabei mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) einig.

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Bei vielen Themen nicht konkret

Dagegen befürworten Sozialdemokraten und Grüne im Europaparlament einen neuen Verteidigungsfonds. Auch die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, wohlgemerkt eine Liberale aus Estland, hat sich bereits dafür stark gemacht. Von der Leyen selbst hatte im Wahlkampf erklärt, sie sei „offen“ für Gemeinschaftsschulden.

Allerdings war sie bei ihren Vorstellungsrunden bei den Parlamentsfraktionen im Parlament in vielen Punkten hinreichend vage geblieben, um sich ihre Wiederwahl zu sichern. Doch gerade unter FDP-Vertretern aus Deutschland wurde Unmut laut. „Die FDP bleibt skeptisch, ob Ursula von der Leyen die Richtige an der Spitze der EU-Kommission wäre“, sagte der Abgeordnete Moritz Körner dem Tagesspiegel. Wenn die CDU-Politikerin neue EU-Gemeinschaftsschulden nicht ausschließe und ihr Verbrennerverbot für neu zugelassene Pkw ab 2035 nicht zurücknehme, sei sie „die falsche Person für die Kommissionspräsidentschaft“, fügte er hinzu.

Vage Zusagen und blumige Worte sind wir von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen inzwischen gewohnt.

Delara Burkhardt, SPD-Europaabgeordnete

Auch in der Fraktion der Sozialdemokraten war aufgefallen, dass von der Leyen bei ihrer Vorstellung oftmals wolkige Antworten gegeben hatte.  „Vage Zusagen und blumige Worte sind wir von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen inzwischen gewohnt“, sagte die SPD-Abgeordnete Delara Burkhardt dem Tagesspiegel. „Was für mich eine Rolle bei der Unterstützung einer möglichen zweiten Amtszeit spielt, ist der zukünftige Kurs ihrer Partei, der EVP“, sagte sie weiter.

Burkhardt kritisierte, dass die EVP-Fraktion unter der Leitung von Manfred Weber (CSU) in der vergangenen Legislaturperiode „vermehrt mit den national-konservativen Kräften kooperiert“  und sogar das „Vorzeige-Projekt“, den Green Deal für den Klimaschutz, „wiederholt angegriffen“ habe. „Wir Sozialdemokraten werden Ursula von der Leyen keinen Freifahrtschein für die nächsten fünf Jahre erteilen“, sagte Burkhardt.

In der nationalkonservativen EKR-Fraktion haben die Abgeordneten von Giorgia Melonis italienischer Regierungspartei „Fratelli d’Italia“ neben der polnischen Oppositionspartei PiS das Sagen.

© dpa/Geert Vanden Wijngaert

Falls von der Leyen am Donnerstag wiedergewählt wird, wird mit Blick auf eine weitere Kooperation mit der CDU-Politikerin aus Sicht der Sozialdemokraten und Grünen entscheidend sein, inwieweit die Kommissionschefin sich künftig auf die nationalkonservative EKR-Fraktion um die postfaschistische italienische Regierungspartei „Fratelli d’Italia“ stützt. Von der Leyen hatte in den Vorstellungsrunden in den Fraktionen verdeutlicht, dass sie keine strukturelle Zusammenarbeit mit der EKR wolle.

Als mögliches Zünglein an der Waage zeigen sich die Grünen vor der Entscheidung am Donnerstag aufgeschlossener für eine Unterstützung von der Leyens als bei deren letzter Wahl im Jahr 2019. Damals hatten die Fraktion der Öko-Partei weit gehend ihre Stimme verweigert. Diesmal könnten aus der inzwischen kleiner gewordene Grünen-Fraktion die entscheidenden Stimmen kommen, um von der Leyen am Donnerstag über die Hürde von 361 Stimmen zu helfen.

Nach dem Plan der EU-Kommission sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringert werden.

© imago/BildFunkMV/imago

Dafür sprechen zwei Gründe. Zum einen befürworten die Grünen den Plan der Kommissionschefin, in der neuen Legislaturperiode erneut ehrgeizige Klimaziele auszugeben. Das gilt insbesondere für den Plan der deutschen Politikerin, dass die EU bis 2040 ihre Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 um 90 Prozent verringern soll.

Ein Programm kommt am Wahltag

Der zweite Grund liegt in der Postenvergabe im EU-Parlament. Am Dienstag wurde der rumänische Grüne Nicolae Stefanuta bereits im ersten Wahlgang zum Vizepräsidenten der Straßburger Kammer gewählt – und zwar auch mit Stimmen aus der christdemokratischen EVP. Dies wiederum wurde bei den Grünen als Vertrauensgeste seitens der EVP gewertet, die als stärkste Fraktion das Sagen hat.

Von der Leyen könnte also am Donnerstag eine Mehrheit zusammenbringen. Die entscheidende Voraussetzung: In ihrem schriftlichen Programm, das sie am Morgen des Wahltags vorlegen will, und in ihrer anschließenden Vorstellungsrede im Parlament finden sich inhaltlich ausreichend Abgeordnete wieder.

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