zum Hauptinhalt
Mit „Bernarda Albas Haus“ wurde das Theatertreffen eröffnet.

© Thomas Aurin

Berliner Theatertreffen eröffnet: Spiele am Abgrund

Kulturstaatsministerin Claudia Roth verabschiedet sich. Und Hamburgs Schauspielhaus bringt dunkle Wolken mit Katie Mitchells „Bernarda Albas Haus“.

Stand:

Düster beginnt die Werkschau des deutschsprachigen Theaters im Haus der Berliner Festspiele. Intendant Matthias Pees zitiert in seiner Begrüßung den Dichter Hölderlin. Dann weiß man immer schon: Jetzt wird es ernst. „Vom Abgrund nämlich“ ist die Rede, von der Weltlage und den Wegen heraus aus all den Katastrophen. Was kann das Theater da tun? Gegenfrage: Muss die Kultur immerzu Kassandra spielen?

Und noch einmal steht Claudia Roth am Mikrofron, die scheidende Kulturstaatsministerin, die sich keinen schöneren Ort für ihr Goodbye als das Theatertreffen denken kann. Die sich „verneigt“ vor den Theaterschaffenden und sich, in diesen Zeiten, Mut und Liebe und Schönheit auf der Bühne wünscht und Radikalität ...

Der Sound der Demokratie

Großes Pathos. Beschwörung der Gefahren. Trump, AfD, Putin: Aber stehen wir hier am Abgrund? Findet das Theatertreffen in Gaza oder Charkiw statt, sind wir schon ein neuer US-Bundesstaat? Alles ein bisschen viel und dick aufgetragen, wenn Claudia Roth loslegt über Theater und Kunst als „Sound der Demokratie“. Aber wer weiß? Vielleicht wird man sie bald vermissen.

Die Eröffnungsinszenierung vom Deutschen Schauspielhaus Hamburg möchte man allerdings schnell vergessen. Die Regisseurin Katie Mitchell hat sich „Bernarda Albas Haus“ vorgenommen, die klaustrophobische Tragödie von Federico Garcia Lorca. Eine Witwe verschließt ihre Töchter im Haus. Tyrannei ländlich-archaischer Sitten, brutaler Katholizismus in Andalusien, vor dem Hintergrund des aufziehenden spanischen Bürgerkriegs. 1936 wird der Dichter von Faschisten ermordet. Dies ist sein letztes Stück.

Künstlicher Schrecken

Das war es: Mitchell nimmt entscheidende Änderungen vor. Packt Action hinein und konstruiert ein scheußliches Ende. Kollektiver Selbstmord zum Auftakt. So dunkel hat ein Theatertreffen kaum je begonnen.

Und doch lässt diese Versuchsanordnung kalt. Weil die Geschichte irgendwo spielt, irgendwann, nicht in Garcia Lorcas Spanien, nicht heute. Auch wenn die jungen Frauen Popmusik hören und an ihren Handys herumfingern und zeitgenössisch fluchen. Wo findet man heute solche brutalen Strukturen? In arabischen Clans, in orthodoxen Familien, in irren christlichen Sekten? Dahin traut sich die Aufführung nicht. Sie bleibt abstrakt.

Mitchells Ensemble wirkt großstädtisch, emanzipiert. Lassen sich solchhe Wesen wirklich diesen Terror gefallen? „Bernarda Alba“ ist von Hause aus ein hartes, unerbittliches Stück. Da muss man nicht nachwürzen und nachschießen mit geradezu masochistischer Lust. Erfundenes Elend: Das ist ein Luxus, den sich das Theater nicht leisten sollte, in diesen Zeiten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })