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Weltmeister schreibt Roman: Muss man Christoph Kramers Buch „Das Leben fing im Sommer an“ wirklich lesen?
Fußballweltmeister Christoph Kramer erzählt in seinem Debütroman von den Freuden und vor allem vom Leid der Pubertät. Schlecht ist das Buch nicht, aber auch nicht wirklich gut.
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Interviews hat der Ex-Fußballer, TV-Experte und 2014er-Fußballweltmeister Christoph Kramer zu seinem ersten Roman schon so einige gegeben, und immer wieder hat er darin gesagt, dass er nicht „ein weiteres Buch über irgendetwas mit Fußball schreiben“ wollte. Sondern eins, „das ich auch selber kaufen würde“. Et volià: „Das Leben fing im Sommer an“ ist ein autofiktionaler Pubertätsroman geworden, Kramer erzählt darin von seinem 15-jährigen Ich im Sommer 2006.
Im Hintergrund spielt der Fußball in diesem Roman zwar durchaus eine Rolle. Es sind die Tage kurz vor der Sommermärchen-Fußball-WM in Deutschland: „Ich mochte die WM-Zeit in Deutschland. Ich mochte, dass wir uns alle in einer Sache einige waren. Deutschland, Weltmeister 2006. Wollten alle. Und alle, die das wollten, mochte man.“ Und der 15-jährige Chris spielt natürlich schon Fußball und will Profi werden. Doch ihm ist gerade von seinem Trainer der U-15 bei Bayer Leverkusen gesagt worden, dass er raus sei, es nicht reiche.
Damit setzt der Roman ein, mit der Wut über den Rausschmiss bei Bayer Leverkusen und der unbedingten Entschlossenheit, sich den Traum vom Profi-Fußballer nicht so schnell zerschlagen lassen. Der junge Chris kann schließlich auch bei Fortuna Düsseldorf spielen.
Mehr ist dann vom Fußball aber wirklich nicht die Rede. Stattdessen geht es um die Freuden und Leiden eines Heranwachsenden: die vielen Pickel und wie diese am Selbstbewusstsein nagen. Die großen Ferien, die anstehen, die besten Freunde, Johnny und Salvo. Und die Mädchen, ganz besonders eine, die blonde Debbie. Ihr gilt Chris’ unentwegtes Sehnen und Fühlen: „Debbie, die sich ohnehin immer wieder in meine Gedanken schlich, ließ mich nicht los.“
Von viel mehr handelt dieser Roman nicht. Er enthält drei große Kapitel (und drei sehr kurze am Ende), und Kramer erzählt darin jeweils von den Ereignissen eines Tages und einer Nacht: eine Party, ein Hoffest, ein Kinobesuch, ein Schwimmbadbesuch, eine weitere Party, eine illegale Spritztour mit dem Auto in einen Düsseldorfer Club.
Viel Grün und viel Licht
Natürlich kann ein einziger Tag romanfüllend sein oder eine einzige Nacht, das lehrt die Literaturgeschichte; doch hat man hier bei der Lektüre den Eindruck, dass Christoph Kramer sich sehr müht, das wenige, das hier passiert, ordentlich auszurollen, um auf Strecke zu kommen. Debbie, Debbie, Debbie, dann wieder Johnny, Johnny, Johnny, später zwei Ninas, die vielleicht für die besten Szenen des Romans verantwortlich sind, dann wieder der Sommer, das Licht und das Grün und quasi leitmotivisch „der Duft, wenn der Regen nach einem warmen Sommertag einsetzt“.
Debbie, die Verräterin
Das Gefühlsleben eines 15-Jährigen muss nicht das reichhaltigste, komplexeste sein, das dokumentiert Christoph Kramer gut und durchaus mit Charme. „15 sein ist oft einfach beschissen“, weiß eine der Ninas, wobei man sich fragt, ob 15-Jährige zu solchen Reflexionen in der Lage sind. Jedenfalls, so viel darf verraten werden: Das Liebesleben des Erzählers gestaltet sich stürmisch. Aus den Debbie-Wolken, in denen er zwei Tage lang schwebt, fällt er ganz unsanft wieder heraus. Und trotzdem fügt sich alles, wie überhaupt in Kramers Leben, bis zum Finaltag 2014 in Rio de Janeiro und darüber hinaus.
„Das Leben fängt im Sommer an“ ist ein unpeinlicher, stimmig mit Nullerjahre-Zeitkolorit angefüllter (von Studi-VZ bis Timbaland-Songs), aber nicht weiter bemerkenswerter Adoleszenz-Roman. Die Aufmerksamkeit, die er im Moment hat, verdient er nicht unbedingt, es gibt wahrlich bessere Geschichten aus diesem Genre.
Würde auf dem Titel Peter Kramer stehen, würde dieser No-Name sein Romandebüt veröffentlichen, hätte er es schwer auf dem Buchmarkt. Bei einem Prominenten wie Kramer funktioniert das von allein, das Kalkül seines Verlags geht da komplett auf. Was ihn nicht belasten muss. Christoph Kramer hat sich, wie es scheint, einfach einen weiteren Traum erfüllt.
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