zum Hauptinhalt

© Wick

Lila-Laune-Held: Das Misserfolgsgeheimnis des Phantoms

Lee Falks „Phantom“ ist ein Comic-Klassiker. Zwei neue Editionen und ein Sachbuch bringen ihn nach Deutschland zurück. Doch populär ist die Figur anderswo.

Historisch gesehen steckt die Figur des Phantom zwischen den Pulp-Helden der Jahrhundertwende fest und den Superhelden, die ab 1938 auftraten. Der Comicautor Lee Falk hatte die Figur 1936 kreiert. Phantom war Nachfahre eines Schiffbrüchigen im indischen Dschungel, der sich geschworen hatte, für das Gute zu kämpfen. Der letzte reguläre deutsche „Phantom“-Comic erschien 1984. Danach war, von einigen Fan-Publikationen abgesehen, Grabesstille.

Ein Held zwischen den Stühlen

Falks Verwendung eines muskelbetonenden Ganzkörperanzugs und einer Maske als Markenzeichen des Helden deutete 1936 bereits auf die zwei Jahre später erstmals erscheinenden Superhelden hin, ohne dass Falk ihm das stets Tragische mitzugeben vermochte, das diese Figuren ausmacht.

Die Darstellung als Dschungel- statt Großstadtheld dockt dagegen an Abenteuerfiguren wie Tarzan an. Die Einfärbung seines Anzugs in Lila gab der Figur einen hohen Wiedererkennungswert, wirkte aber auch stets etwas peinlich.

Womöglich ist es dieses Dazwischensein, mit dem Schuss Peinlichkeit, das der Figur in Deutschland dauerhaften Ruhm verwehrt hat: zu modern für Pulp, zu unausgereift für Superhelden. Während Tarzan und Batman, beide inhaltlich nahe Verwandte von Phantom, sich in Deutschland ungebrochener Beliebtheit erfreuen, ist Falks Lila-Laune-Held praktisch vergessen.

Das würde freilich die Frage offenlassen, weshalb „Phantom“ in anderen Ländern eine erstaunliche Erfolgsgeschichte hingelegt hat und hier nicht. „Phantom“-Comics erscheinen mit großem Erfolg seit fast hundert Jahren in Schweden, Italien, Spanien, Indien und Australien, mit zum Teil tausenden Ausgaben und extra für das lokale Publikum im Lauf der Jahrzehnte produzierten Storys.

Neue deutsche „Phantom“-Comics

Zwei fast zeitgleich erschienene Editionen und ein Sachbuch versuchen der Figur in Deutschland neues Leben einzuhauchen. Können sie die Frage beantworten? Beim Wick-Verlag erscheint eine Neuausgabe der Comics (36 S., €12,50), die der spanische Zeichner José Tafalla in den Achtzigerjahren nach Skripten von Peter Mennigen („Malcolm Max“) produziert hat.

Die Neuausgaben des Wick-Verlags (links), das „Phantom“-Magazin und Christian Blees’ Sachbuch „Lee Falk’s Phantom“.
Die Neuausgaben des Wick-Verlags (links), das „Phantom“-Magazin und Christian Blees’ Sachbuch „Lee Falk’s Phantom“.

© Wick, Zauberstern, Edition Alfons

Das ist solides Lesefutter, wie es damals vom auftraggebenden Verlag Bastei massenhaft veröffentlicht wurde, in einem weder besonders aufsehenerregenden noch schlechtem Zeichenstil, mit Texten, die den Geist der Kioskhefte der Achtzigerjahre atmen.

Immerhin kann Wick in seiner Edition gleich eine Handvoll Geschichten präsentieren, die aufgrund der abrupten Einstellung der Comics 1984 bereits gezeichnet waren, aber nicht mehr veröffentlicht wurden. Das freilich ist für Sammler interessanter als für Leser, die die Figur nicht kennen.

Moderner, jedenfalls in der Entstehungszeit, sind die Geschichten im „Phantom“-Magazin des eigentlich auf Hörspiele spezialisierten Zauberstern-Verlags (108 S., €9,99). Sie stammen aus Australien, wo wie in Schweden bis heute neue Phantom-Comics produziert werden.

Inhaltlich weisen sie, jedenfalls in der ersten Ausgabe, weit zurück: Phantom wird mit Frankensteins Monster konfrontiert, eine erwartungsgemäss ruppige Begegnung.

Der Tonfall ist pathosgeschwängert („Ich rieche deine Todesangst“), die Grafik kann ihre Anlehnung an moderne Monsterzeichner wie Mike Mignola („Hellboy“) nicht leugnen, ohne je dessen Klasse zu erreichen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Comics im Original für ein deutlich kleineres Format gezeichnet wurden. So extrem vergrößert wie in der deutschen Ausgabe wirken sie gelegentlich grob und leer.

Eine Szene aus dem „Phantom“-Magazin.
Eine Szene aus dem „Phantom“-Magazin.

© Zauberstern

Beide Editionen, Wick und Zauberstern, stehen an jeweils entgegengesetzten Punkten der Definition der Figur. Wicks Comics betonen das Superheldenhafte, Zaubersterns die Pulp-Wurzeln von Phantom.

Was macht die Figur aus?

Aber warum die Figur des „Phantom“ weltweit so lange erscheint, und warum sie in Deutschland so lange nicht erschien, können beide Heftreihen nicht beantworten. Ebensowenig wie Christian Blees, der für die Edition Alfons ein Sachbuch zur Geschichte der „Phantom“-Comics veröffentlicht hat („Lee Falk’s Phantom“, 240 S., €29,95).

Detailiert dröselt Blees die deutsche Veröffentlichungsgeschichte auf. Eine Annäherung an den Geist der Figur, die vielleicht Antwort auf unsere Frage geben könnte, gelingt ihm dabei leider nicht. Auch die problematischen Elemente der Figur, wie ihre kolonialistische Anlage als weißen Held, der dunkelhäutige Eingeborene beschützt, bleiben unerwähnt.

Das Buch ist eine in Teilen durchaus spannende Aufarbeitung eines Stücks westdeutscher Comicgeschichte, vierzig Jahre nach ihrem Ende, mit einigen netten Details wie den unterschiedlichen Zensurmaßnahmen der Verlage, wenn es um Gewalt und Nippel ging. Die langen Checklisten am Schluss des Buchs verweisen freilich darauf, dass es sich insgesamt eher um eine buchhalterische als analytische Annäherung an die Figur handelt.

Bernd Frenz im Sommer 2022 beim Internationalen Comic-Salon Erlangen.
Bernd Frenz im Sommer 2022 beim Internationalen Comic-Salon Erlangen.

© Madeleine Helbig

Also letzter Anlauf Bernd Frenz. Der niedersächsische Autor verfasste zuletzt Skripte für die schwedischen „Phantom“-Comics, gezeichnet von dem Hamburger Zeichner Heiner Bade - einer der wenigen Fälle, in denen deutsche Comicmacher ausschließlich im Ausland publizieren.

Warum, Bernd Frenz, ist das Phantom in Deutschland praktisch vergessen? „Speziell der Bastei-Verlag war sich über den genauen Charakter seiner Figur als Held und Familienmensch selbst nicht im Klaren. Immerhin handelt es sich bei ‘Phantom’ im Grunde um eine Familiensaga.“ Das Material wurde also unter Wert verkauft, die Figur, anders als in anderen Ländern, eines zentralen Aspekts beraubt.

Und was kann uns die Figur heute noch sagen? „Die Figur ist ungeheuer vielseitig. In Schweden macht man seit fünfzig Jahren vor, wie sich mit Phantom gesellschaftlich relevante Themen erzählen lassen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false