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Rosa Brille. „Gundermann“ mit Alexander Scheer und Milan Peschel.

© Pandora Verleih

Von „Good Bye, Lenin“ bis „Gundermann“: Die DDR als Kulisse zwischen Kitsch und Authentizität

Design und Bewusstsein: Die DDR ist im deutschen Film stark präsent. Dabei sieht sie immer anders aus. Was macht eine gelungene Leinwand-Rekonstruktion aus?

Am 7. Oktober würde die DDR ihren 69. Geburtstag feiern, wäre sie nicht 1989/90 erst eingegangen und dann von Helmut Kohl und der Treuhand abgewickelt worden. Verschwunden ist sie deswegen nicht, als Kulisse feiert der sozialistische deutsche Staat in Kino und Fernsehen permanent Wiederauferstehung. Florian Henckel von Donnersmarck hat gerade den Kinostart seines als ultimative Deutschland-Erzählung groß gedachten Films „Werk ohne Autor“, der durch NS-Zeit, DDR und Bundesrepublik springt, demonstrativ auf den gesamtdeutschen Nationalfeiertag vorgezogen.

Wie aber sieht die DDR im Kino heute aus? Schaut man einmal konsequent auf die Inneneinrichtung von Filmen, die in der DDR spielen, auf Szenenbild, Kostüm und Requisiten, ist der Einfluss von Florian Henckel von Donnersmarcks Debüt nicht zu leugnen. „Das Leben der Anderen“ (2006) verdankte einen Teil des Erfolges auch seinem Look. Silke Buhrs Szenenbild kleidete das Melodram in ein denkbar schickes Gewand aus entsättigten Grau-, Braun- und Grüntönen. Die knarzige Altbauwohnung des dissidenten Dichters war wie der modernistische Minimalismus der Plattenbauwohnung, in der Ulrich Mühes Stasi-Mitarbeiter seiner berufsbedingten Einsamkeit durch die Lektüre von Brecht-Gedichten entfloh, anschlussfähig an einen damals neuen, zeitlosen Retro-Style, den die DDR-Mangelwirtschaft länger am Leben hielt als der Westen seine wechselnden Moden.

Henckel von Donnersmarck verschaffte der DDR auf der Ebene des Production Designs eine Eleganz, von der „Sonnenallee“ (1999) und „Good Bye, Lenin“ (2003) nichts wissen wollten. Dabei ging es der theaterhaften Künstlichkeit von Leander Haußmanns „Sonnenallee“ schon darum, die Hinter-der-Mauer-Jugend als cool zu erzählen. In Wolfgang Beckers sanft-würdevollem, aber auch weniger subversivem Requiem „Good Bye, Lenin“ etablierte die Ausstattung einen produktaffinen Blick auf die DDR, der sich unmittelbar auf Ostalgie-Shows im Fernsehen übertragen ließ. Eine Weile galten Spreewaldgurke und Ampelmännchen als die zentralen Kulturleistungen, die zwischen 1945 und 1990 östlich der Elbe hervorgebracht wurden.

Seither hat sich auf dem Feld der DDR-Einrichtung in Kino und Fernsehen quantitativ viel getan (die Zahl der Filme nimmt zu), qualitativ aber wenig weiterentwickelt. Das sieht man auch an „Werk ohne Autor“, wo das Szenenbild (wieder von Silke Buhr) weniger spezifisch erscheint als in „Das Leben der Anderen“. Was sicher auch daran liegt, dass DDR hier nur die Nachkriegsjahre bis zum Mauerbau umfasst, eine ästhetisch noch wenig ausdifferenzierte Zeit.

„Ich finde es gut, wenn die Ausstattung eine Beiläufigkeit hat, sich nicht wichtig macht mit Dingen, die sie, nur weil es DDR ist, auch noch ins Bild holen will“, meint dazu Susanne Hopf, die für das Szenenbild von Andreas Dresens „Gundermann“ verantwortlich war.

Michael Herbigs „Ballon“ ist wie ein Gang durchs DDR-Museum

Routiniert bis desinteressiert an prägnanten Innenansichten wirkt Michael Herbigs „Ballon“, gerade im Kino angelaufen. Der Thriller um die wahre Geschichte einer Flucht im selbstgeschneiderten Heißluftballon schielt vermutlich auf den internationalen Markt, was die generische Ausstattung zumindest erklären würde. „Ballon“ wirkt wie ein Gang durch das DDR-Museum, in dem Familien in Muster-Ausstattungen hausen: Auf dem Tisch befindet sich nichts außer ein paar Flaschen, Gläser und Zigaretten, die einfachsten Requisiten, um ein soziales Miteinander zu suggerieren. An der Wand hängen Standard-Bilder, wie sie zu DDR-Zeiten die Flure in Schulen und Ämtern zierten.

Solche sterilen Bilder offenbaren noch Arbeitsbedarf, um eine bewohnte Lebenswirklichkeit herzustellen. „Was fehlt, wenn es zu aufgeräumt aussieht: Lebensspuren, Müllreste, Schmutzflecken“, sagt Susanne Hopf. Dabei läge angesichts der Vielzahl von Filmen, die in letzter Zeit die DDR nachgebaut haben, sportlicher Ehrgeiz gerade in einer Verfeinerung durch Details. So gesehen sind allein Matti Geschonnecks „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ aus dem vergangenen Jahr und aktuell „Gundermann“ wirklich einfallsreich, etwas Neues im Entwurf des Vergangenen. In beiden Fällen reagieren die Interieurs auf die plakative Routine, mit der die DDR im deutschen Kino über ihre signifikantesten Objekte zu Tode entworfen wurde: Sie wiederbeleben das Erscheinungsbild der DDR mit einer geradezu luxuriösen Fülle und Unordnung, und sie verzichten auf die üblichen Requisiten-Klischees in der DDR-Ausstattung.

In Zeiten des abnehmenden Lichts“ präsentiert als Kühlschrank das größere und teurere „Minsk“-Modell anstelle des Klassikers vom „VEB DKK Scharfenberg“, was zur Funktionärsvilla, in der das Gerät privilegiertes Leben anzeigt, auch viel besser passt. Dass hier ebenso wie bei „Ballon“ Bernd Lepel für das Production Design zuständig war, führt vor, wie sehr ein gelungenes Szenenbild von den Ambitionen der Regie abhängig ist.

Die DDR muss in ihrer damaligen Gegenwärtigkeit rekonstruiert werden

Als problematisch für die DDR-Rekonstruktion beschreibt Susanne Hopf inzwischen die Außendrehs. „Es wird enger“, sagt die Szenenbildnerin über die Arbeit an „Gundermann“. Das Neubau-Hoyerswerda zum Beispiel wurde an unsanierten Stellen in Halle und Leipzig zusammengesucht. Wobei sich eine besondere Herausforderung ergibt: „Wichtig für den Gesamteindruck ist die Vegetation. Ende der siebziger Jahre waren diese Wohnblöcke neu, mit Schlammwüsten drumherum, die Wege kaum angelegt, es wuchs noch nichts.“

Also ungefähr so wie das im Fertigwerden begriffene Berlin-Marzahn, in dem Herrmann Zschoches Defa-Jugendbuchverfilmung „Insel der Schwäne“ von 1983 spielt. Hopfs Hinweis deutet die Komplexität der DDR-Rekonstruktion an. Es geht nicht nur darum, vergangene Objekte aus Fundus und Museen zu holen, auf Ebay oder Flohmärkten aufzutreiben. Die DDR muss, will sie plausibel erscheinen im Film, in ihrer damaligen Gegenwärtigkeit rekonstruiert werden.

Und das heißt eben auch: ohne die Grünflächen, die heute selbst zwischen den einst kargen Plattenbauten angelegt sind. Ohne die blühenden Landschaften.

Matthias Dell

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