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Wolf Blitzer (links) im Gespräch mit Helge Fuhst.

© Andrea Huber

Doku gegen den Antisemitismus, gestern, heute, morgen: „Rache an Hitler“

CNN-Starmoderator Wolf Blitzer präsentiert in Berlin seine Holocaust-Dokumentation „Never Again“.

Charlottsville, US-Bundesstaat Virginia, August 2017: Rechtsextreme demonstrieren, skandieren „The jews will never replace us.“ „Die Juden werden uns niemals ersetzen.“ Wolf Blitzer lässt der Aufmarsch, der der bislang größte Ausdruck des wachsenden Antisemitismus in den USA ist, nicht ruhen. Der Journalist macht sich an die Arbeit, geht mit seinem Team in die Recherche. Es dauert fast ein Jahr, bis die Dokumentation fertiggestellt ist: „Never Again“. Niemals wieder soll passieren, was seinen Großeltern und weiteren Familienangehörigen in Polen passiert ist: Von den Nazis entmenschlicht, ins KZ Auschwitz verschleppt, dort getötet und verbrannt.

Präsentation in Berlin

Wolf Blitzer präsentiert „Never Again“ am Samstag in Berlin vor geladenen Gästen. Am Donnerstag hat der Journalist und Moderator, insbesondere durch die Nachrichtensendung „The Situation Room“ bei CNN zur globalen News-Größe geworden, die größte Auszeichnung des Rias-Medienpreises entgegengenommen für seine Dokumentation. Helge Fuhst, Chef von ARD-aktuell in Hamburg, der mit in der Jury saß, hat Preisverleihung und Preisträger dazu genutzt, eine Vorführung zu organisieren. Und damit auch die Frage aufzuwerfen, ob und wann ein deutscher Fernsehsender die CNN-Produktion ins Programm zu nehmen.

Der 75-jährige Wolf Blitzer ist hellwach und inspirierend im Gespräch. Dass er jetzt in einem Berliner Kino eine Dokumentation über den Holocaust zeige, würde sein Vater, der nicht mehr lebt, wohl als „Rache an Hitler“ bezeichnen, sagte Blitzer. „Never again“ vermischt die Geschichte des Holocaust mit der Familiengeschichte der Blitzers. David Blitzer hat über seine schrecklichen Erlebnisse im Polen der Nazijahre, Zeugnis in Bild und Ton abgelegt, aber sein Sohn Wolf erfuhr erst viel später, dass es neben der Tonspur auch ein Video gibt.

„Never Again“ hat eine so einfache wie eindringliche Dramaturgie. Er geht als Besucher und damit als Doku-Presenter in das United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Die ständige Ausstellung hat sich der Überzeugung verschrieben, dass sie nur Fragen, nicht aber Antworten liefern kann: Warum hassen Menschen andere Menschen, warum haben die Nazi-Deutschen die Juden dermaßen gehasst, dass sie sechs Millionen umgebracht haben?

In den eindrucksvollen wie sehr persönlichen 45 Minuten beschreiben Holocaust-Überlebende wie David Blitzer und Steven Fenver den Horror, werden Museumsdirektorin Sara J. Bloomfield und eine junge Freiwillige des Museums interviewt, auch um aufzuzeigen, wie der Holocaust im heutigen Amerika erinnert - und vergessen wird. Die Zuschauerinnen und Zuschauer begleiten Blitzer bei seinem Rundgang und werden dabei über die Geschichte des Holocaust, den Platz seiner Familie in dieser Geschichte und seine Rolle als Kind von Überlebenden informiert, die ihr Erbe der Holocaust-Aufklärung weiterführen.

„May their memories be a blessing“, zitierte Wolf Blitzer das jüdische Totengebet. Mögen ihre Erinnerungen ein Segen sein.

Die Doku vertieft immer wieder die Bilder und Zeugnisse des Museums durch Archivmaterial. Grausame und grausamste Bilder werden gezeigt, wie die Nazi-Deutschen den Tod, die industrielle Vernichtung der Juden beschlossen und vollzogen haben. Der Nazi war dem Juden ein Mörder.

David Blitzer und seine Frau haben den Horror überlebt. Nach dem Krieg gingen sie nach Augsburg, also in die amerikanische Besatzungszone, wo erst Helena Blitzer und 1948 ihr Bruder Wolf geboren wurden. Als die Chance auf US-Visas bestand, griff David Blitzer zu, die Familie emigrierte nach Buffalo im US-Bundesstaat New York, David Blitzer wurde erfolgreicher Bauunternehmer. Aber die Erlebnisse vor und in Auschwitz emigrierten mit. Der Holocaust blieb (Gesprächs-)Thema in Familie und Community.

Wolf Blitzer sagte, es sei ein Problem, dass nur noch wenige der Holocaust-Überlebenden leben, weil die Generation inzwischen sehr alt geworden ist. Es sei vor allem für jüngere Generationen gut, mit ihnen zu sprechen. Auf die Frage, wie er sich wachsenden Antisemitismus erkläre, sagte er auf die USA bezogen, dass dort Judenhass schon sehr lange existiere und dass dieser von Zeit zu Zeit immer wieder zurückkomme, was schmerzhaft sei.

Blitzer ist immer wieder, beruflich wie privat, nach Deutschland gereist, nicht nur in seine Geburtsstadt Augsburg. Er anerkenne, dass sich die Deutschen ihren Taten und ihrer Vergangenheit stellen würden. Und er wolle anregen, dass das deutsche Fernsehen darüber berichten solle, wie die Töchter und Söhne der (Nazi-)Deutschen mit ihrer Familiengeschichte umgehen würden. Die US-Regierung ihrerseits bemüht sich laut Blitzer, Antisemitismus zu bekämpfen. In der vergangenen Woche wurde eine nationale Strategie verabschiedet mit zahlreichen Maßnahmen, die etwa darauf abzielen, das Bewusstsein für Antisemitismus in der Gesellschaft zu erhöhen. „Never Again“ bleibt eine Aufgabe, eine Herausforderung, ein ständiger Kampf.

Bislang ist „Never Again“ nur bei CNN International gelaufen. Es wäre ein Versäumnis, ja ein Unding, wenn kein deutscher Sender die Dokumentation in sein Programm aufnehmen würde.

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