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Die Künstlerin Tina Bara

© Tina Bara / Salzgeber & Co. Medien

Doku „Rebellinnen“:  Freiheit in der Fotografie

„Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR“ ist eine Doku von Pamela Meyer-Arndt über drei DDR-Künstlerinnen. Wir haben mit der Regisseurin und der Protagonistin Tina Bara gesprochen.

In den 70er- und 80er-Jahren waren die Künstlerinnen Cornelia Schleime, Gabriele Stötzer und Tina Bara in der Underground-Kunst-Szene der DDR aktiv und wurden von der Stasi überwacht und drangsaliert. Cornelia Schleime und Tina Bara verließen noch vor dem Mauerfall die DDR, Gabriele Stötzer blieb.

Frau Meyer-Arndt, „Rebellinnen“ hatte kürzlich auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm Premiere. Wie war´s?
Pamela Meyer-Arndt: Die Vorführung war ausverkauft und ich hatte das Gefühl, die Menschen waren sehr neugierig auf den Film. Es lag eine aufgeregte Stimmung in der Luft. Alle waren sehr begeistert. Das war eine tolle Premiere.

Tina Bara: Bei der Realisierung des Films warst du aber auch wirklich hartnäckig. Wie du selbst sagst: Der Film bekommt jetzt eine Eigendynamik. Das ist schön.

Frau Bara, finden Sie sich denn wieder mit der Bezeichnung „Rebellin“?
Bara: Dagegen habe ich mich am Anfang gewehrt. Es klingt ja etwas reißerisch. Dieser Begriff erzeugt bei vielen sicher erst einmal ein gewisses Bild: die kämpfende Frau. Ich war Pazifistin, bin es von der Idee her immer noch. Aber mittlerweile kann ich damit leben.

Sie mussten von dem Filmprojekt auch erst überzeugt werden. Warum?
Bara: Als jemand, die selbst hinter der Kamera steht, und sich mit Biografien von anderen Menschen beschäftigt, war es für mich nicht ganz einfach, sich darauf einzulassen. Ich hatte bisher den Ansatz: Wenn ich etwas zu erzählen habe, dann erzähle ich es selbst mit meiner Kunst. Deine Hartnäckigkeit, Pamela, hat mich schließlich überzeugt. Mit dem Resultat kann ich sehr gut leben. Es ist interessant, aus welchem Blickwinkel heraus du uns zusammengeführt hast.

Sie hatten also Angst, keinen Einfluss auf Ihre eigene Geschichte zu haben?
Bara: Genau. Ich arbeite selbst autobiografisch und filmisch und weiß, was man damit alles machen kann.

Dabei kann doch aber auch etwas Positives entstehen, wenn eine andere Person mit einer anderen Perspektive darauf schaut.
Bara: Das hat meine Tochter auch gesagt. Und da habe ich gedacht, ja, stimmt eigentlich. Ich habe in letzter Zeit auch sehr gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Frauen gemacht. Mittlerweile kann ich meine Bilder, die mir viel bedeuten oder viel bedeutet haben, aus der Hand geben und sagen: Macht etwas damit, fügt sie neu zusammen und erzählt eure eigene Geschichte. Das war ein Lernprozess. Viele meiner Fotos sind in der Welt, sie werden zu etwas anderem und können dadurch auch zu einem kollektiven Bildgedächtnis werden.

Die Zeit sei reif für diese Themen, sagt Regisseurin Pamela Meyer-Arndt.
Die Zeit sei reif für diese Themen, sagt Regisseurin Pamela Meyer-Arndt.

© Jana Demnitz / Tagesspiegel

Haben die beiden anderen Protagonistinnen auch etwas gezögert bei dem Filmprojekt?
Meyer-Arndt: Gabriele Stötzer wollte von Anfang an dabei sein. Die Dreharbeiten waren wegen der vielen sehr persönlichen und auch schmerzhaften Erinnerungen manchmal nicht ganz einfach für sie. Aber nach all den Jahrzehnten ist sie jetzt glücklich, mit ihrer Geschichte rausgehen zu können. Sie ist schon zu lange als Künstlerin zu wenig beachtet worden.

Cornelia Schleime hatte wiederum im Westen ja schon Karriere gemacht. Ihr Impuls war zunächst einmal: Ach, lasst mich doch mit dem ganzen Ost-Quatsch in Ruhe. Das ist doch alles schon so lange her. Sie hatte erst Nein gesagt, dann aber ihre Meinung geändert. Ich vermute, sie hat auch deshalb mitgewirkt, weil sie ein Œuvre aus dieser DDR-Zeit hat und das auch gerne zeigen möchte. Sie ist ja auch ein Teil der Kunstszene in der DDR gewesen.

Cornelia Schleime ist auch als Malerin, Performerin, Filmemacherin und Autorin bekannt geworden. 
Cornelia Schleime ist auch als Malerin, Performerin, Filmemacherin und Autorin bekannt geworden. 

© Salzgeber & Co. Medien

Und was genau heißt, Sie waren „hartnäckig“?
Meyer-Arndt: Ich wollte diesen Film unbedingt machen. 2006 hatte ich schon die Dokumentation „Ost-Fotografinnen“ über Sibylle Bergemann, Helga Paris und Gundula Schulze Eldowy gedreht. Der RBB hatte mich nun gefragt, ob ich einen Film über Dissidentinnen mit der Kamera realisieren möchte. Nach intensiver Recherche habe ich Kontakt zu den drei Frauen hergestellt. Gabriele Stötzer wurde wegen einer Unterschriftensammlung gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann 1977 zu einem Jahr im Frauengefängnis Hoheneck verurteilt und bis zum Mauerfall überwacht.

Cornelia Schleime wurde bespitzelt, ihr damaliger Freund zur Ausreise gezwungen und mehrere ihrer Ausreiseanträge wurden abgelehnt. Und Tina ist auch überwacht und schikaniert worden. Hinzu kommt – diese 80er-Jahre in der DDR sind extrem interessant, diese End-Jahre mit den vielen feinen Zwischentönen. Im Unterschied zu Sibylle Bergemann und Arno Fischer, die für ihre Arbeiten schon zu DDR-Zeiten gefeiert wurden, und die auch in Zeitschriften wie der Sibylle veröffentlichen konnten, ist die Kunst von Conni, Gabi und Tina damals oft nur unter dem Radar gelaufen.

Aber warum musste das Publikum mehr als 30 Jahre auf diesen Film warten?
Meyer Arndt: Ich denke, langsam ist die Zeit reif dafür, dass TV-Redakteure, ein Verleih und eine Stiftung für solche Geschichten Geld ausgeben. Neben dem RBB ist die Doku auch mit Mitteln der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur finanziert worden. Als ich 2006 „Ost-Fotografinnen“ gemacht habe, hatte dieses Thema kaum jemanden interessiert.

Wir entdecken gerade „Lost Women Art“, die im kollektiven Gedächtnis bisher keinen richtigen Platz bekommen hat. Und das hat meiner Meinung nach auch viel mit der MeToo-Debatte zu tun. Bisher wurde solch eine Kunst oft als versponnenes, komisches Zeug von Frauen abgetan. Heute wird die Kunst von Gabriele Stötzer in New York zu hohen Preisen verkauft. Gabis Bilder kann man nicht nachmachen, das geht nicht. Diese Kunst ist zu einer bestimmten Zeit, aus einem ganz bestimmten Moment heraus entstanden. Diese Echtheit und diese Authentizität haben alle Bilder von den drei Frauen im Film.

Die Künstlerin Gabriele Stötzer mit einer ihrer damaligen Arbeit..
Die Künstlerin Gabriele Stötzer mit einer ihrer damaligen Arbeit..

© Salzgeber & Co. Medien

Welchen Blick haben Sie auf diese Zeit, Frau Bara? Erkennen Sie sich in diesen Beschreibungen wieder?
Bara: Ich bin ja die Jüngste von uns dreien. Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer waren für mich mit Wegbereiterinnen. Sie haben das erlebt, vor allem Gabi, wovor ich immer Angst hatte: in den Knast zu kommen. Das ist mir im Zuge der Dreharbeiten auch noch einmal bewusst geworden: Ich bin zwar auch von der Stasi bespitzelt und auch einmal abgeholt worden, aber in den 80er-Jahren mussten wir in Ost-Berlin nicht mehr solch eine Angst vor der Stasi haben wie Cornelia und Gabi noch wenige Jahre zuvor.

Sie haben noch ganz andere Repressionen erfahren. Zu meiner Zeit war das System schon aufgeweichter. Als ich im Künstlerverband war, konnte ich sogar Leute anstellen, die vorher kriminalisiert worden waren, die im Knast gesessen haben, weil sie sich regimekritisch geäußert haben oder nicht in das Arbeitssystem integriert waren.

Wie war das unter den damaligen Umständen möglich, dass Sie in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen wurden?
Bara: Es gab Underground-Zeitschriften wie z.B. die ENTWEDER/ODER, in der ich als Autodidaktin Fotos veröffentlicht hatte. 1985 hatte ich meine erste Fotoausstellung in der legendären Galerie von Longest F. Stein, die irgendjemandem aus dem Künstlerverband aufgefallen sein muss. Schließlich haben sich Roger Melis, Arno Fischer und Ulrich Wüst, damals schon große Namen in der Fotografie, für mich eingesetzt und mich ermuntert. Es war ein großes Glück in den 80er-Jahren mit Jörg Knöfel, Sven Marquardt und Robert Paris in den Künstlerverband aufgenommen zu werden. Niemand von uns hatte ja ein Kunststudium.

Es gibt den Dokumentarfilm „Im Stillen laut“ von Therese Koppe über die Künstlerinnen Christine Müller-Stosch und Erika Stürmer-Alex, die das Vorgehen der Stasi als „Gummiwand-Politik“ bezeichnet hat. Wie haben Sie das empfunden?
Bara: Ja, es war alles sehr willkürlich. Man wusste nie so recht, wo sie zugreifen werden. Ich habe Anfang der 80er-Jahre Geschichte an der Humboldt-Universität studiert. In bestimmten Vorlesungen habe ich mir Ohropax in die Ohren gestopft, weil ich das alles nicht hören wollte. Zu der Zeit war ich in oppositionellen Kreisen wie den „Frauen für den Frieden“ aktiv, wurde auch mehrfach von der Stasi verhört und in die Mangel genommen. Warum haben sie mich nicht einfach exmatrikuliert? Das ist schwer, herauszufinden. Wenige Monate vor dem Mauerfall haben sie mich dann in den Westen ausreisen lassen.

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In der DDR zu bleiben wie Gabriele Stötzer kam für Sie nicht infrage?
Bara: Nein! Als ich 1988 in den Chemischen Werken Buna fotografiert habe, sah ich mit eigenen Augen die gravierende Umweltverschmutzung, den Verfall der Häuser kannte ich ja schon, auch wie ungesund das alles war. Da wurde mir klar, wie kaputt dieses System eigentlich ist. Das kroch alles in mich hinein. Bestimmte Bilder durfte ich nicht zeigen. In dieser Zeit wurde ich ziemlich depressiv.

Ende der 80er-Jahre sind ja auch die Fotos von nackten Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld entstanden.
Bara: Ich denke, diese Nacktheit war eine Form des Widerstands, durch die Darstellung von Verletzlichkeit. Vielleicht geht es aber auch mehr um die Haut als um die Nacktheit. Diese Momente mit der Kamera und meinem Gegenüber hatten auch etwas mit Vertrauen zu tun. Ich habe mich nicht grundsätzlich (nicht) für nackte Menschen interessiert, sondern das ist aus einem engen Miteinander heraus entstanden. Miteinander sein und den Körper (auch) wie ein Material zu benutzen, weil Gefühlszustände körperlich gespeichert werden, die über das eigene Ich hinausgehen.

Meyer-Arndt: Ich glaube, es geht bei diesen Fotografien auch um die Grenze zur Außenwelt, dieses Innen und Außen. Zu dieser Zeit war ja fast alles irgendwie staatlich belegt: die Außenräume, die Schulräume, die Innenräume. Ich denke, der Körper war zu der Zeit als künstlerisches Material mit die letzte Bastion der freien Interpretationen.

Tina Bara ist seit 1993 Professorin für künstlerische Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.
Tina Bara ist seit 1993 Professorin für künstlerische Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.

© Jana Demnitz / Tagesspiegel

Sie betreuen als Professorin in Leipzig auch iranische Studierende. Kommen da bei Ihnen auch Erinnerungen an die DDR zurück?
Bara: Ich möchte mir nicht anmaßen, zu behaupten, ich würde verstehen, was diese jungen Student*innen gerade erleben. Ich merke nur, dass ich eine Art von Sensibilisierung habe und dass ich eine Erfahrung habe, wie diktatorische Systeme wirken und was die mit der Psyche eines Menschen machen können. Ich habe auch ein Wissen darüber, dass es so etwas wie kollektive Traumata gibt.

Besonders durch die vielen Menschen mit unterschiedlichsten migrantischen Hintergründen ist das ein Thema hier an der Hochschule. Es öffnet einen Raum. Und das finde ich interessant, schön, bereichernd und herausfordernd, mit einer großen Verantwortung verbunden. Die Kunst ist ein positiver und widerständiger Weg im Umgang damit. Die Studierenden versuchen, ihre Erfahrungen, ihr gesellschaftliches und politisches Denken mit ihrer Kunst in einen kontextuellen Zusammenhang zu bringen. Und sie produzieren Arbeiten, die sie vielleicht in ihren Herkunftsländern nicht öffentlich ausstellen dürften, das kenne ich.

„Rebellinnen“ läuft ab dem 3. November in den Kinos. 

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