zum Hauptinhalt
Das Jahresendzeitteam mit Christoph Jungmann als Angela Merkel.

© david baltzer/bildbuehne.de

Kabarettistischer Jahresrückblick 2021: Ein letztes Mal lachen mit der Kanzlerin

Verschwörungstheorien, Berliner Chaos und Abschied von Angela Merkel: Der kabarettistische Jahresrückblick im Mehringhoftheater.

Von Sandra Luzina

Auf den Großen Zapfenstreich für Angela Merkel folgt der kleine Bühnenstreich: Das Jahresendzeitteam im Mehringhoftheater hat die Altkanzlerin in den verdienten Ruhestand verabschiedet. 25 Jahre lang spielte Christoph Jungmann die Angela Merkel, begleitete sie vom Umweltministerium ins Kanzleramt. Den letzten Auftritt beginnt er, diesmal in weinrotem Blazer, mit einer heiteren Musiknummer.

Bov Bjerg, Horst Evers, Hannes Heesch und Manfred Maurenbrecher betreten zu lässigen Reggae-Riddims die Bühne. In der Coverversion des Seeed-Songs „Aufstehn!“ lautet der Refrain: „Kinder ist das schön, ich kann jetzt gehen. Das Leben will einen ausgeben.“ In Bezug auf lukrative Posten in der Wirtschaft heißt es noch: „Mich kriegt ihr nicht zu Gazprom.“

Die Frage der Merkel-Nachfolge steht natürlich im Raum – und es geht auch ohne quälendes Prozedere: Drei potentielle Kandidaten für den Moderatorenposten beim Jahresrückblick stellen sich vor. Als erster geht der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, verkörpert von Hannes Heesch, ins Rennen. Er lässt durchblicken, dass er sich für überqualifiziert hält: Als FDP-Chef sei er Infotainer und Entertainer zugleich. Über die Ampelkoalition verrät er, dass er Robert Habeck die Marktwirtschaft mit Hilfe eines Kinderkaufmannsladen beigebracht habe.

Verschwörungstheorien nicht den Idioten überlassen

Auch die Pandemie ist Thema: Bov Bjerg schildert mit grimmigen Witz seinen Corona-Alltag. Der Autor verzweifelt schon rein phonetisch an dem Begriff „Impfpflicht“ – wegen des doppelten pf. Ihm graut vor neuen Wortschöpfungen wie „Impfpflichtdurchsetzungsverordnung“. Bjerg lässt sich über „Porsche Long Covid“ aus, es geht aber auch um die Leiden der Brillenträger beim Maskentragen – und welche ungeahnten Folgen es haben kann, wenn man in Pandemiezeiten den Zahnarzt wechseln muss.

[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Lindner darf dann den Auftritt von Horst Evers ankündigen, der über die Kollateralschäden der Pandemie spricht. Er konstatiert in seinem Vortrag, das Ansehen von Verschwörungstheorien habe durch Corona doch sehr gelitten. Unfruchtbarkeit? Chips im Arm? Geheimbotschaften in Helene-Fischer-Liedern? Evers fordert: „Wir dürfen die Verschwörungstheorien nicht den Idioten überlassen.“

Die Berliner Wahlpannen sind Thema

Christian Drosten kommt im weißen Kittel aus der Charité geeilt und verpasst Angela Merkel noch schnell eine Influenza-Impfung. Auch er hat Ambitionen auf den Moderatorenposten. Als Qualifikation führt er an, dass er früher Gitarre in der Metal-Schülerband „Cursed Earth“ spielte. Er mischt dann auch gleich mit, wenn die Berlin-Hymne von Ideal gecovert wird.

„Ich fühl mich gut! Wir wählen in Berlin“ kommentiert die Pannenserie im September, von der Berlin sich noch nicht erholt hat. Einen milderen Blick auf das Wahldebakel wirft Horst Evers. Er meint: „Berlin schafft es immer wieder, vielen Menschen in anderen Städten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.“

[Vorstellungen bis 29.12. im Mehringhoftheater; im Schiller Theater 30.12. bis 9.1.]

Evers versucht sich später nochmals an einer Ehrenrettung Berlin. Was die Verlegung von Radwegen am Mehringdamm angeht, die mitten durch die Außengastronomie-Zonen führten, meint er nur, das halte wach und schule die Reflexe. Bestimmte Qualitäten der Hauptstadt würden immer wieder unterschätzt. „Berlin bereitet dich vor auf alles, was dir in der Welt passieren kann.“ So kann man es auch sehen: Das Leben in Berlin ist ein prima Überlebenstraining.

Die Songs vom Zapfenstreich werden umgedichtet

Als dritter Bewerber für den Moderatorenjob steigt Armin Laschet (gespielt von Hannes Heesch) in den Ring. Er hat ja jetzt viel Zeit – und hält sich für den humorbegabtesten des Trios.

Beim Schluss-Medley gibt es die drei Leider zu hören, die beim Großen Zapfenstreich gespielt wurden – natürlich in umgedichteter Version. Der Hildegard-Knef-Song etwa wurde auf die Konsumenten gemünzt, die 24 Stunden am Tag auf Wunscherfüllung bestehen: „Für mich soll’s Fahrradboten regnen.“ Wehmut kam bei diesem Abschied nicht auf. Angela Merkels selbst gewähltes Motto „Fröhlichkeit im Herzen“ haben die fabulösen Fünf schon längst verinnerlicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false