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Iggy Pop in der Zitadelle Spandau: Das ewige Raubtier im Käfig
Bei seinem ausverkauften Auftritt in Berlin karikiert Iggy Pop sein eigenes Image, ohne dass es peinlich wird. Besonders die Stooges-Songs begeistern dabei das Publikum.
Stand:
Oft wird man Iggy Pop wohl nicht mehr bei einem Konzert in Berlin erleben können. Er hat die härtesten Rock’n’Roll-Exzesse und den Mischkonsum aller nur erdenklichen Drogen überlebt, aber auch für ihn gelten die Gesetzmäßigkeiten der Biologie. Der Mann ist 78 Jahre alt und irgendwann muss sogar einer wie der ewige Iggy in Rente gehen.
Bei seinem ausverkauften Open-Air-Konzert in der Zitadelle Spandau demonstriert er aber, dass es auch im fortgeschrittenen Alter möglich ist, immer noch genau den schon beinahe comichaften Iggy zu mimen, den die Leute von ihm erwarten. Das heißt: Er trägt wie eh und je eine enge schwarze Hose und der ledrige Oberkörper bleibt unbekleidet. Dazu stolziert er mit seinem unnachahmlichen Gang über die Bühne und wirkt dabei nach wie vor wie ein unruhiges Raubtier im Käfig.
Einmal wirft er sich auf den Boden und steht danach tatsächlich wieder so leichtfüßig auf, als wäre er 40 Jahre jünger. Gelegentlich muss aber auch er mal kurz verschnaufen, dann setzt er sich hin und lässt sich ein Getränk reichen, das er „special water“ nennt.
Er steckt sich das Mikro in den Hosenbund
Man nennt ihn gerne den „Godfather of Punk“. Mit den Stooges legte Iggy Pop Ende der Sechziger los, um die Hippies und Blumenkinder mit repetitivem und großartig stumpfem Lärm nachhaltig zu verschrecken. Was nur mäßig gelang – die drei Platten aus dieser Zeit waren damals eher erfolglos. Doch Bands wie die New York Dolls und die Ramones liebten sie und als Punk zu einer Zeit explodierte, als die Stooges sich längst schon wieder aufgelöst hatten, galt Iggy Pop plötzlich als Prophet einer neuen Musik und Jugendkultur.
Auch wenn er danach als Solo-Musiker zig weitere Platten veröffentlicht hat und sogar heute noch produktiv ist, präsentiert er in der Zitadelle auffällig viele Stücke aus diesen Anfangstagen, die nun als die wahren Klassiker seiner langen und teilweise ziemlich holprigen Karriere erscheinen. Klar, „The Passenger“ und „Lust For Life“, seine bekanntesten Hits, die in der Zeit entstanden sind, als er gemeinsam mit David Bowie in einer WG in Schöneberg wohnte, kommen natürlich zur Aufführung. Aber es sind dann doch die Stooges-Kracher wie „I Wanna Be Your Dog“, „Raw Power“ oder „Search And Destroy“, die das Publikum wirklich euphorisieren.
Iggy Pop, das unterstreicht dieses Konzert noch einmal, ist ein ziemlich einzigartiges Phänomen. Er sagt nicht einfach nur „Thank you“ zu seinem Publikum, sondern „fuckin’ thank you“ und überhaupt reiht sich in seinen Ansagen ein „Fuck“ an das andere. Er steckt sich das Mikro in den Hosenbund. Bei gewöhnlichen Rockstars würde man bei solchen Gesten wohl aufseufzen, wirken solche Macho-Gesten heutzutage doch ziemlich albern.
So geht Punk: keine Zugabe
Würde sich der eigene Vater in der Öffentlichkeit auch nur ansatzweise so zeigen wie Iggy Pop vor Tausenden von Zuschauerinnen und Zuschauern, würde man sich wahrscheinlich in Grund und Boden schämen. Dem großen Überlebenden der Rockmusik sieht man all das aber nach. Als wirklich kaputter Typ wurde er zur Ikone, nun karikiert er sich selbst, und es funktioniert, ohne peinlich zu wirken.
So gefährlich wie einst, als er sich auf der Bühne in Glasscherben herumwälzte und den Verrückten nicht bloß spielte, wirkt er dabei freilich schon lange nicht mehr. Selbst die Stooges-Nummern wirken nicht ganz so kaputt wie damals, wenn sie nun mit Hilfe eines Trompeters und Posaunisten ein wenig die Ecken und Kanten abgeschliffen bekommen. Scherben und Blut fehlen sowieso.
Und am Ende des Konzerts, als er und seine Band noch eine ausgiebige Riff-Orgie veranstalten und man bereits glaubt, jetzt könnte er noch einmal für eine wirklich unkontrollierbare Ekstase sorgen, tritt er einfach ab und macht Schluss. Iggy Pop kehrt tatsächlich nicht mehr zurück für die vom Publikum geforderte Zugabe.
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