zum Hauptinhalt
Sicht der Siedler. Dokumentarfilmerin Iris Zaki begab sich für ihren Beitrag „Unsettling“ in die Westbank.

© Or Azulay

Jüdisches Filmfestival in Potsdam eröffnet: Jüdisches Leben sichtbar machen

Mit einem Plädoyer hat das Jüdische Filmfestival Berlin-Brandenburg in Potsdam begonnen. Die Publizistin Nicola Galliner gründete es vor 25 Jahren.

Südtirol kann das Paradies auf Erden sein. Keine schlechte Voraussetzung, um das fast Unmögliche zu versuchen: junge Israelis und Palästinenser in einem Orchester zu vereinen. In Dror Zahavis Film „Crescendo“ stellt sich Peter Simonischek als Dirigent Eduard Sporck der Herausforderung – die von Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra inspiriert ist. Wie viel oder wenig man wirklich von so einem Projekt erwarten kann, davon handelt „Crescendo“. An diesem Sonntag eröffnet der Film das 25. Jüdische Filmfestival Berlin-Brandenburg im Potsdamer Hans-Otto-Theater.

Mit einem Appell gegen Antisemitismus ist das 25. Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg am Sonntagabend in Potsdam eröffnet worden. Das Festival präsentiere nicht nur Filme, sondern mache auch jüdisches Leben in Deutschland „sichtbar, hörbar und spürbar“, erklärte Brandenburgs Bevollmächtigter beim Bund und Medienstaatssekretär Thomas Kralinski zur Eröffnung im Hans Otto Theater. „Wir wollen ein Land sein, in dem Menschen jüdischen Glaubens ihren Glauben auch öffentlich leben können“, betonte Kralinski: „Deshalb müssen wir gegen jegliche Angriffe auf Jüdinnen und Juden klar Stellung beziehen.“

Wenige Tage zuvor rührt Nicola Galliner in der Lobby des Hotel Savoy in ihrem Kaffee. Die Festival-Gründerin und Leiterin liebt dieses Haus in der Fasanenstraße, das nach dem Untergang des Hotels Bogota fast alleine die Fahne glorreicher Ku’damm-Zeiten hochhält. Viele ihrer Gäste bringt sie hier unter, einer der Festivalstandorte, das Delphi Lux, ist nur wenige Minuten entfernt. „Aber auch das Hans-Otto-Theater ist ein wunderbarer Ort. Einmal im Jahr wird es für uns zum Premierenkino.“

Die gebürtige Britin schwärmt und gilt doch als durchsetzungsfähig. Anders hätte sie es kaum geschafft, das Jüdische Filmfestival 25 Jahre lang zu erhalten und auszubauen: von acht Filmen im alten Arsenal-Kino auf jetzt über 50 an 14 Standorten, darunter so entlegene wie das Fontane Kino in Brandenburg an der Havel. Für Nicole Galliner ist es wichtig, außer in Berlin die Filme auch in kleineren Städten wie Brandenburg zu zeigen. „Dort kennen die Menschen wahrscheinlich überhaupt keine Juden, geschweige denn deren Lebenswelt.“

„In Between“ zeigt den Alltag dreier Palästinenserinnen

Traditionell bildet das Festival jüdisches Leben innerhalb und außerhalb Israels ab. Über 200 Einreichungen haben Galliner und ihr Team gesichtet, sie war auf Festivals in Haifa, Tel Aviv und Jerusalem. Wobei für sie klar ist: „Jüdisch wird ein Film nicht, weil eine Darstellerin oder ein Regisseur jüdisch sind. Jüdisch wird ein Film allein durch seine Thematik.“

Da ergeben sich Schwerpunkte fast von alleine: Holocaust, queeres Leben in Israel als dem einzigen Land im Nahen Osten, wo Schwule und Lesben freiheitlich leben können, die Lage der vor 30 Jahren aus Äthiopien geholten Juden, die Situation der Palästinenser oder der Siedler in den besetzen Gebieten. Dokumentarfilmerin Iris Zaki ist für „Unsettling“ in eine Siedlung in der Westbank gefahren, hat dort einen Tisch aufgestellt und sich einen Monat lang mit den Passanten unterhalten. „In Between“ von Maysaloun Hamoud zeigt den Alltag in einer WG dreier Palästinenserinnen in Tel Aviv.

Galliners Team geht übers Jahr in die Schulen

Wie hat sich das Festival in einem Vierteljahrhundert verändert? Für Nicola Galliner sind es vor allem die äußeren Umstände: „Ich hätte nie gedacht, dass es zu solch einem Rechtsruck kommen könnte in Deutschland.“ Ihr Team geht übers Jahr mit einem Bildungsprogramm an Schulen; „Gerade Filme“, sagt sie, „können Menschen auf eine so direkte Weise ansprechen wie kein anderes Medium“. Vor zwei Jahren begeisterte „Hummus!“ von Oren Rosenfeld die Schülerinnen und Schüler, viele hätten danach gesagt, dass sie nicht gewusst haben, was für ein buntes Land Israel sei. „In Deutschland“, sagt Galliner, „herrscht immer noch das Schwarz-Weiß-Bild eines von Krieg und Terror zerrütteten Landes vor.“

Anders als beim Jüdischen Museum – dessen Direktor Peter Schäfer in der aufgeheizten Atmosphäre um die antiisraelische Organisation BDS und den israelisch-iranischen Konflikt mit der Idee gescheitert ist, sein Haus als neutrales Forum zu führen – versuchten beim Jüdischen Filmfest die israelische Botschaft oder Regierung in Jerusalem nicht, das Programm zu beeinflussen, versichert Galliner. Einige Irritationen gab es dennoch: Der Musiker Ofer Waldman vom New Israel Fund (NIF), eine US-Organisation, die nach eigenen Angaben die Zivilgesellschaft in Israel stärken will, hätte nach der Vorführung von „In the Desert“ mit Regisseur Avner Faingulernt diskutieren sollen und dann die Teilnahme abgesagt.

[Jüdisches Filmfest, 8. bis 17. 9., mehr Infos: www.jfbb.de]

Der NIF wird jetzt nicht als Sponsor des Festivals auftreten. In ruhigerem Fahrwasser ist dagegen die Finanzierung des Festivals, das nach dem Rückzug des Hauptstadtkulturfonds vor drei Jahren kurz vor dem Aus stand. Die Förderer setzen sich jedes Jahr anders zusammen, diesmal stammt der Löwenanteil vom Medienboard Berlin-Brandenburg. „Nach 25 Jahren wünsche ich mir eine feste Förderung, die beim Bund und bei den Ländern Berlin und Brandenburg angesiedelt sein könnte,“ so Galliner. „Wir sind ja kein rein lokales Ereignis.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false