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Midge Ure (links) und Bob Geldof vor zehn Jahren bei der 30-Jahre Jubiläumsfeier von „Do they know it´s christmas“

© REUTERS/Neil Hall

Kritik an Band-Aid-Song: Besser wissen, dass Weihnachten ist

Zum 40-jährigen Jubiläum der Charity-Single „Do they know it’s christmas?“ gibt es einen neuen Mix - und Streit darüber, ob diese Form der Unterstützung noch zeitgemäß ist.

Stand:

Es weihnachtet bekanntermaßen sehr, und das tut es natürlich auch in den Popcharts, da die Weihnachtspop-Klassiker wieder überall erklingen: Whams „Last Christmas“, diese Woche auf acht in den deutschen Charts, Tendenz steigend, Mariah Careys „All I Want For Christmas Is You“, einen Platz hinter Wham!, oder der genau vor 40 Jahren veröffentlichte Band-Aid-Song „Do They Know It´s Christmas?“, der noch nicht gelistet ist.

Dieser „Song für Afrika“, wie die deutsche Version dann genannt wurde, entsprang einem Charity-Projekt, das 1984 der britische Musiker Bob Geldof initiiert und der Ultravox-Musiker Midge Ure produziert hatte, um eine damalige Hungersnot in Äthiopien zu lindern. Mit dabei waren Größen wie Sting, Phil Collins, Paul McCartney, Boy George oder Bono, und bei den nachfolgenden Jubiläumseinspielungen 2004 und 2014 waren zahlreiche jüngere Musiker und Musikerinnen neu hinzugekommen.

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Diese Woche ist nun zum 40-jährigen Jubiläum ein Remix aus allen bisherigen Fassungen erschienen, also auch dem Original von 1984. Verantwortlich für diesen „Ultimate Mix“ ist Trevor Horn, bekannt vor allem für seine Arbeit in den achtziger Jahren mit Frankie Goes To Hollywood, ABC und anderen.

Zeilen des 84er-Originals wurden geändert

Und darum gibt es nun Streit, wieder einmal, muss man sagen. Denn schon 2014 gab es massive Kritik an der Neuaufnahme. Von einem „white savior complex“ (Weißer-Retter-Komplex) war damals die Rede, von neokolonialer weißer Übergriffigkeit und der Reproduktion von Afrika-Klischees, und so wurden auch Zeilen in dem Song wie „Well tonight thank God it´s them instead of you“ oder „Where the only water flowing is the bitter sting of tears“ geändert.

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Der irische Sänger und Songwriter Ed Sheeran, der 2014 bei der Neuauflage erstmals dabei war, hat die Debatte um den Song kürzlich erneut entfacht. Er fühle sich unwohl dabei, dass seine Stimme für den Horn-Remix verwandt worden sei (übrigens so wie die von vielen neu Hinzugekommenen, etwa Sam Smith oder Emeli Sandé). Er beklagte bei Instagram, dass ihn niemand nach seinem Einverständnis gefragt hätte und verwies überdies auf den britisch-ghanaischen Rapper Fuse ODG.

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Der hatte ebenfalls sein Unverständnis geäußert und die BBC aufgefordert, einen Dokumentarfilm über die Aufnahmen am 25. November 1984 zurückzuziehen: „Vor zehn Jahren sagte ich“, schrieb er in einem Instagram-Post, „dass diese Kampagne die Afrikaner entmenschlicht und unseren Stolz und unsere Identität im Namen der Nächstenliebe zerstört.“ Bob Geldof, der Initiator des Ganzen, habe das immer noch nicht verstanden, wie nun der 2024er-Remix beweisen würde.

Was Geldof zunächst konterte mit den Worten: „Do they know it´s christmas?“ sei „ein Popsong, keine Doktorarbeit“. Nun hat Geldof, in einem Interview mit der „Sunday Times“ auf die Kritik von Ed Sheeran und Fuse ODG angesprochen, ein weiteres Mal die Band-Aid-Idee mitsamt Song verteidigt. Der 73-Jährige sprach von einem „abstrakten Argument“ und sagte: „Dieser kleine Popsong hat Millionen von Menschen das Leben gerettet. Warum sollte Band Aid aufhören, Tausende von Kindern zu ernähren, die auf eine Mahlzeit von uns angewiesen sind? Warum sollte man das nicht weiterhin tun?“

Genau diese Art der weißen Paternalisierung wiederum stört Fuse ODG, der meint, dass es einen „spirit of collaboration not patronisation, solidarity not charity“, brauche, einen „Geist der Zusammenarbeit statt Bevormundung, Solidarität statt Wohltätigkeit“. Es sei an der Zeit, die Kontrolle über das eigene Narrativ zurückzuerobern.

Neuer Song „We know it’s christmas“

Weshalb der britische Rapper Trevor Horns „Ultimate Mix“ auch mit einem eigenen Stück gekontert hat: „We know it’s christmas“ heißt es. Mit dem Rap-Toasting von Fuse ODG und einem weiblichen Background-Chor ist dieser Song ganz sicher der bessere, zeitgemäßere als „Do they know it’s christmas?“. Während die Einnahmen daraus an „innovative Basisprojekte zur Verbesserung von Gemeinschaften in ganz Afrika“ gehen sollen, wie es der Rapper angekündigt hat, wird der Horn-Remix als Stream und auf CD und Vinyl verkauft. 50 Pence bis anderthalb Pfund davon sollen einer Afrika-Hilfe zugutekommen.

Wer die größeren Erlöse erzielt, lässt sich jetzt schon aus den Aufrufen beider Videos auf YouTube absehen: Während der aufgeblasene, sieben Minuten dauernde „Ultimate Mix“ (mit vorangestellter Triggerwarnung übrigens) nach zwei Tagen schon bei fast 350.000 liegt, hat „We know it´s christmas“ gerade einmal knapp über 5000 Aufrufe. Gegen eine Schmonzette aus den achtziger Jahren ist naturgemäß schwer anzukommen. Trotzdem wäre es an der Zeit, den Song in den Ruhestand zu schicken. Gut gemeint, wie es 1984 war, ist diese Form von Charity nur schlecht gealtert.

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