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Es wabert im Dunkeln: Tücher führen zur zentralen Skulptur „The Beginning“.

© © 2025 Laure Prouvost. Foto: Andrea Rossetti, VG Bildkunst Bonn 2025

Laure Prouvosts Riesen-Installation im Kraftwerk Mitte: Wir sind Wir, das Du ist vorbei

Die französische Künstlerin Laure Prouvost verbindet neueste Quantentechnologie mit ihrer Fantasiewelt. Herausgekommen ist rätselhafter Parcours im Dunkeln.

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Draußen scheint noch die Wintersonne, als die Stahltür zuknallt. Dunkelheit breitet sich aus, Licht und Geräusche werden verschluckt. Ein Kribbeln macht sich beim Betreten vom Kraftwerk an der Köpenicker Straße breit. Willkommen in einer untergegangenen Welt, einer Ruine des technischen Zeitalters, als hier noch Elektrizität produziert wurde. Willkommen in einer Kathedrale aus Beton mit Höhlenmystik.

Doch da wird im Aufgang zur ersten Etage eine merkwürdige Figur am Seil herabgelassen und gleich wieder hochgezogen. Dem bunt angeleuchteten Objekt folgen zwei weitere Wesen auf dem Weg von oben nach unten. Das Trio könnte überproportionale Insekten oder verkleinerte Flugsaurier darstellen. Ihr Auftritt fasziniert: Willkommen in der Welt der französischen Künstlerin Laure Prouvost, die auf Einladung der LAS Art Foundation das Kraftwerk über 3500 Quadratmeter bespielen darf.

Die für ihre fantasievollen Environments gefragte Bildhauerin kreiert hier keine weitere Installation, wie man sie sonst von ihr kennt. Auf der Biennale di Venezia vor sechs Jahren etwa galt sie mit ihren Unterwasser-Gefilden im französischen Pavillon als Favoritin. Im 2022 wiedereröffneten Kiasma-Museum in Helsinki avancierte ihre Hommage an die finnische Sauna, die an das wärmende Innere eines Mutterleibs erinnerte, zum Publikumsliebling. Die Künstlerin hatte gerade ein Kind bekommen.

Fliegen und Fürchten: Videostill aus Laure Prouvosts Bilderwelt „We Felt a Star Dying“.

© © 2025 Laure Prouvost. © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Für ihre Berliner Installation hat sich die französische Künstlerin anlässlich hundert Jahre Quantenphysik mit zwei Experten für Quantencomputing zusammengetan. Zusammen mit dem Philosophen Tobias Rees und dem Wissenschaftler Hartmut Neven entwickelte sie eine neue Ästhetik auf den Grundlagen der neuesten Quantentechnologie.

Hohepriesterin des Fantastischen

Die LAS Art Foundation besorgte Prouvost Zugang zum Quantum AI Lab von Google in Santa Barbara. Dort wurden ihre Bilder und Klänge mit den als Rauschen bezeichneten Quantenfluktuationen verknüpft. Wärme, Vibration, Strahlung, Magnetfeldschwankungen haben ungeahnten Einfluss auf den Zusammenhang der Welt, den Zusammenhalt der kleinsten Einheiten – die Hinduisten und Suffisten ahnten es schon. Duale Gewissheiten von Mensch und Maschine, Natur und Technik, Wesen oder Sache lösen sich auf.

Für Laure Prouvost muss es ein Fest gewesen sein. Ihr frei flottierendes Denken, das Kreieren künstlicher Welten dürften einen enormen Schub bekommen haben. So tritt sie denn bei der Eröffnung im gemusterten XXL-Mantel und ihrem in alle Richtungen strebenden Haar wie eine Hohepriesterin des Fantastischen auf.

„Wir sind wir. Das du ist vorbei. Es gibt kein du mehr“, raunt die Künstlerin mit beschwörender Stimme. Erst zuletzt war in der NGBK-Ausstellung „Orangerie der Fürsorge“ ein Video von Prouvost zu sehen, in dem sie einer dürren Topfpflanze zärtlich verspricht, sich fortan um sie zu kümmern.  

Wie niedlich: „Cute Bits“ (Skulptur rechts) bevölkern das Kraftwerk.

© © 2025 Laure Prouvost. Foto: Andrea Rossetti, VG Bildkunst Bonn 2025

Die Installation im Kraftwerk aber bleibt hinter den großen Erwartungen zurück. Im oberen Geschoss trifft man auf weitere Wesen wie jene, die im Entree begrüßen. Sie scheinen aus Pappmaché oder Kunstharz gemacht, Grashalme und Schläuche stecken darin.

In Anlehnung an die Quanteneinheit Quibit heißen sie „Cute Bits“ – und sind am Ende tatsächlich nicht mehr als niedlich. Zwei lassen sich wie Hauben am Seil über den Kopf ziehen, darin flüstert es: „Wir sind Metall.“ Plötzlich steigt Metallgeruch in die Nase. Alles verbindet sich eben mit allem.

Derweil wallen schwarze Riesentücher durch die Halle, die zur Skulptur „The Beginning“ führen. Die Besucher dürfen sich hier unter einer horizontalen, kreisrunden Projektionsfläche auf Polstern niederlassen und über sich irrlichternde Bilder betrachten, etwa pickende Hühner.

Was das alles mit Quantenphysik zu tun hat? Vielleicht ist sie doch nur Nebensache im großen Ganzen, das die beiden Texttafeln im Eingang auch nicht wirklich erhellen. Vor allem wabert es im Dunkeln. Deshalb wieder raus ins Licht.

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