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Die westdeutsche Linke und ihr Antisemitismus: Der Brand im jüdischen Altersheim

Von der DDR wurden die Radikalen unterstützt und finanziert.

Dass ein israelischer Botschafter wie derzeit Jeremy Issacharoff sein Erschrecken über Antisemitismus in Deutschland kundtut, ist nicht neu. Auch Halle war nicht neu. Mitten in unsere ewige Antisemitismusdebatte platzt nun die deutsche Übersetzung eines Buches, das jeder lesen sollte, auch wenn es sehr lang und alles andere als tröstlich ist.

Jeffrey Herf, Historiker an der University of Maryland und Kenner der deutschen Geschichte, hat sich mit den unerklärten Kriegen der DDR und der westdeutschen Linken gegen Israel auseinandergesetzt. Er hat Akten gewälzt und Archive durchwühlt, um die Geschichte der Israelfeindschaft in der DDR und im linken Milieu der Bundesrepublik zu erforschen. Die endlich zugänglichen DDR-Archive legen offen, wie das Bündnis sich formierte. Die lange unterdrückte Geschichte handelt von großzügigen Waffenlieferungen an Terrorgruppen und Diktaturen in Nahost mit dem alles überragenden Ziel, die DDR aus ihrer diplomatischen Isolation zu führen. Die Perfidie, mit der die DDR den Terror alimentierte und Jassir Arafat sowie die Schreckensherrscher pamperte, liest sich wie eine Gruselgeschichte.

Bis heute nicht aufgeklärt

Terroranschläge sind längst zur Routine geworden. Doch die enorme Häufung und hohe Zahl der Ziviltoten in der Zeit von 1967 bis 1989 sticht hervor. Viele Deutsche mögen sich noch an das Olympia-Massaker an den israelischen Sportlern in München 1972 erinnern, doch war der Anschlag nur der publizistisch herausragende Horror. Bomben, die gnädigerweise zuweilen nicht explodierten, wurden in Synagogen gelegt, jüdische Einrichtungen beschmiert, Briefbomben an jüdische Persönlichkeiten versandt.

Der Brand im jüdischen Altersheim in München ist bis heute nicht aufgeklärt; sieben Bewohner, darunter Holocaust-Überlebende, wurden ermordet oder verletzt. Unvergessen bleibt die Selektion von Juden aus dem entführten AirFrance-Flugzeug im ugandischen Entebbe durch Mitglieder der westdeutschen Revolutionären Zellen. Schier endlos ist die Liste der Terrorakte gegen Juden zwischen dem Sechstagekrieg 1967 und dem Mauerfall 1989.

Spengstoffattentat auf das Gemeindehaus

Grotesk ist die seelische Perversion des Dieter Kunzelmann, der damals wähnte, er müsse mit dem Terror unseren „Judenknax“ heilen. Den Brandanschlag auf das Altersheim deutete er als „zionistisches Massaker“, das die deutschen Juden zur Auswanderung nach Israel zwingen sollte. Die „Tupamaros von Berlin“, die er mitgegründet hatte, wollten das jüdische Gemeindehaus in Berlin sprengen. Das zynische Motto lautete „Schalom und Napalm“. Die Rechtfertigung: „Die Kristallnacht“ würde „täglich von den Zionisten in den besetzten Gebieten“ wiederholt. Die Täter-Opfer-Umkehr im Dienste der Entlastung wurde zum Klassiker. RAF-Chefin Ulrike Meinhof sprach von „Israels Nazi-Faschismus“, der seine Sportler „verheizt wie die Nazis die Juden“. Das Olympia-Massaker des „Schwarzen September“ feierte sie als „antiimperialistisch, antifaschistisch und internationalistisch“, als heldenhafte revolutionäre Tat. Linkssein und Antisemitismus schlössen sich doch gegenseitig aus, lautete die probate Entlastungsparole; Herf hat sie in seinem Buch gnadenlos zerlegt. Die Taktik des reinen Gewissens wird mit einem Tweet Jürgen Trittins zum Tode des Terroristen Kunzelmann 2018 bestens illustriert: „Ein großer Sponti ist tot. R.I.P.“

Das Bündnis der Linken vom SDS bis zu den K-Gruppen mit den palästinensischen Terrorgruppen sowie der aus Kairo gut finanzierten GUPS („Generalunion palästinensischer Studenten“) entstand 1968. Es erlebte 1969 einen ersten scheußlichen Höhepunkt in der Universität Frankfurt. Der israelische Botschafter Asher Ben-Nathan wollte einen Vortrag halten, Sprechchöre wie „Zionisten raus aus Palästina“ vereitelten seine Rede.

"Manisch erstarrte Augen"

Der Botschafter deutete schon damals den linken Antizionismus als „verkappten Antisemitismus“. An der Uni München hatten Studenten zuvor bei seinem Auftritt ein Banner entrollt: „Israel wird keinen Frieden haben, bevor nicht noch 50 Bomben in Supermärkten explodieren“. Adorno schrieb an Herbert Marcuse: „Die Gefahr des Umschlags der Studentenbewegung in Faschismus nehme ich viel schwerer als Du..... Du müsstest nur einmal in die manisch erstarrten Augen derer sehen, die womöglich unter Berufung auf uns selbst ihre Wut gegen uns kehren.“

Die westdeutschen Linken produzierten die Schlagzeilen. Doch die DDR agierte geheim und umso effektiver. So gewann sie hohen Einfluss über den Verlauf der Nahost-Geschichte. Es war ein zynisches Geschäft mit Agitprop, tragbaren Raketen und Kalaschnikows. Besonders eklatant: Nach dem Olympia-Terrorangriff und dem folgenden Verbot der GUPS ließ die DDR alle 330 ausgewiesenen palästinensischen Studenten in ihr Territorium einreisen. Arafat bekam seine Sturmgewehre und Sprengsätze für die PLO, „die PLO diffamierte ihrerseits wie gewünscht die Bundesregierung – sowohl im arabischen Raum – wie auch anderswo“. Arafat war in Ost-Berlin ein gefeierter Gast .

Das "toxische" Erbe der DDR

Herf fällt ein harsches Urteil. Die DDR-Politik stand einer „Kompromisslösung zwischen Israel und seinen Gegnern im Wege“. Im Verbund mit der Sowjetunion und ihren Vasallen fütterte sie den Traum der Palästinenser, Israel militärisch zu besiegen. Der zerbrach erst mit der Wiedervereinigung und der Selbstauflösung der Sowjetunion.

Das Erbe dieser Zeit lebt fort. „Das DDR-Regime und die radikalen Linken haben ein toxisches ideologisches Gebräu hinterlassen“ – konstatiert Jeffrey Herf –, in dem sich Israelkritik und Antisemitismus frei mischen. Mit dieser akribisch recherchierten Studie legt er eines der „besorgniserregendsten Kapitel der deutschen Geschichte nach 1945“ vor.

Jeffrey Herf: Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke, 1967-1989. Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 518 S. m. 19 Abb., 39 €.

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