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Journalist Nicholas Potter.

© Jan Lamers/privat

Morddrohung gegen „taz“-Journalisten: „Sie glauben, keiner würde sie zur Rechenschaft ziehen“

Seit Monaten wird Nicholas Potter wegen seiner Berichterstattung zum Krieg in Nahost bedroht. Nun sind in Berlin Plakate mit unmissverständlicher Botschaft aufgetaucht.

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Die Drohungen gegen den Berliner Journalisten Nicholas Potter haben eine neue Eskalationsstufe erreicht. Auf Plakaten, die diese Woche in Berlin aufgehängt wurden und die optisch als Fahndungsaufruf anmuten, ist ein Foto des „taz“-Mitarbeiters unter einem roten Dreieck abgedruckt.

Das Symbol wird verwendet, um Feinde der Terrororganisation Hamas zu markieren. Auch in Deutschland wird es seit dem 7. Oktober regelmäßig in antiisraelischem und antisemitischem Kontext verwendet, etwa bei der Besetzung der Humboldt-Universität im vergangenen Mai.

In der Nähe des Gebäudes, das Aktivisten am Mittwoch erneut besetzt haben, wurden am 14. April auch wenige Exemplare der besagten Plakate gefunden, die auf Deutsch, Arabisch und Englisch dazu aufrufen, „denjenigen, die den Völkermord in Palästina ideologisch ermöglichen, keine Sekunde der Sicherheit“ zu gönnen.

„Sie kommen in unsere Stadt und glauben, keiner würde sie zur Rechenschaft ziehen. Sie sind normale Menschen, die bluten wie jeder andere auch und sie können erniedrigt und eliminiert werden“, heißt es im Text der bislang unbekannten Verfasser.

Monatelange Rufmord-Kampagne

Die Anfeindungen gegen Potter begannen im vergangenen Dezember, nachdem er eine Recherche über die Plattform „Red“ angestellt hatte, die mutmaßlich russische Propaganda verbreitet. Seitdem ist der Journalist auf ebendieser Plattform und in den sozialen Medien einer Rufmord-Kampagne aus aggressiv-antiisraelischen Kreisen ausgesetzt. Im vergangenen März tauchten in Berlin Aufkleber mit Potters Konterfei unter dem Titel „The German Hurensohn“ auf.

„Seine Berichterstattung soll offenbar durch Einschüchterung unterbunden werden“, heißt es in einer Hausmeldung der „taz“, die persönliche Bedrohung des Kollegen sei auch ein Angriff auf die Pressefreiheit. „Wir stehen hinter unserem Kollegen. Wir unterstützen ihn mit allem, was er braucht und ergreifen Maßnahmen, um ihn zu schützen“, schreiben die Chefredakteurinnen Barbara Junge, Ulrike Winkelmann und Katrin Gottschalk.

Der Journalist und PEN-Berlin-Sprecher Deniz Yücel sagte zu dem Fall: „Man kann und muss über vieles diskutieren, und wir sind grundsätzlich immer dafür, die Grenzen der Meinungsfreiheit so weit wie irgend möglich auszulegen. Aber bei Morddrohungen gibt es nichts zu diskutieren. (…) Wir erwarten, dass auch propalästinensische Stimmen diese Grenze ziehen und die niederträchtige Kampagne gegen Nicholas Potter verurteilen. Und wir gehen davon aus, dass die Berliner Sicherheitsbehörden weiterhin alle Anstrengungen unternehmen werden, um die Sicherheit von Nicholas Potter zu gewährleisten und die Täter zu ermitteln.“

Auch der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) verurteilte die Aktion gegenüber dem Tagesspiegel: „Die Morddrohungen gegen Nicholas Potter sind ein Angriff auf die Pressefreiheit – und damit auf unsere Demokratie. Potter berichtet engagiert über demokratiefeindliche Netzwerke und Antisemitismus. Dass er dafür zur Zielscheibe wird, ist inakzeptabel.“

Als Vorsitzender der Jury des Aktionsfonds gegen Antisemitismus, der Projekte gemeinnütziger Organisationen fördert, die sich in Berlin gegen Antisemitismus einsetzen, leiste Potter wertvolle Arbeit für Berlin, so Chialo. „Er hat meine volle Solidarität – als Senator und als Mensch, der selbst solche Einschüchterungsversuche kennt. Klar muss sein: Wer Journalistinnen und Journalisten bedroht, verlässt den Boden der demokratischen Debatte.“

Im vergangenen September hatten Unbekannte das Wohnhaus des Kultursenators mit roter Farbe beschmiert und mehrfach „Genocide Joe Chialo“ sowie „Meet the demands“ auf die Hauswand gesprüht.

Nicholas Potter hat in der Vergangenheit auch für den Tagesspiegel geschrieben. Er selbst will sich zu den neuen Drohungen derzeit nicht äußern.

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