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Öffentlich-rechtlicher Sender wirbt im Hauptbahnhof: Memento mori
Der RBB macht für sich Reklame im Hauptbahnhof. Der Sender will sie abhängen oder wenigstens den Claim „Bloss nicht langweilen“ ändern. Bloß nicht.

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War damals eine geile Zeit, 2020: Patricia Schlesinger wurde als Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg für weitere sechs Jahre bestätigt. Der Sender ließ in der Gleishalle des Berliner Hauptbahnhofs eine Riesenreklame aufhängen mit dem Claim: „Bloss nicht langweilen“. Geile Zeit, der Sender sollte nach Schlesinger’schem Willen ganz groß rauskommen.
Riesiger Skandal
Ist er nicht. Durch die Amtsführung jenseits von Maß und Mitte hat der RBB einen der größten Skandale in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Systems ausgelöst. Schlesinger trat zurück, im Sender und im Programm müssen Finanzlücken gestopft werden, hinter vorgehaltener Hand werfen die übrigen ARD-Sender, das ZDF und das Deutschlandradio der Anstalt für Berlin und Brandenburg vor, an der wahrscheinlich ausbleibenden Beitragserhöhung die größte Schuld zu tragen.
„Bloss nicht langweilen“: Die RBB-Belegschaft fand den Claim derart zynisch, dass er von den Scheiben im Fernsehzentrum abgekratzt wurde. Bei der Werbung im Hauptbahnhof will der Sender entweder aus dem bis 2025 laufenden Vertrag aussteigen - die Reklame kostet monatlich einen vierstelligen Betrag - oder den Claim den neuen, sehr viel bescheideneren Programmzielen anpassen. Auch das würde teuer.
Der Spruch, von dem böse Zungen sagen, er sei aus der Marschrichtung „nur nicht langweilen“ von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels für den deutschen Rundfunk abgeleitet, wirkt wie ein Riesenmissverständnis. Also weg damit, ab ins Buchstaben-Museum?
Der RBB, seine Mitarbeitenden sollten darin ein Memento mori erkennen. Es war nicht Patricia Schlesinger allein, die den Sender aufs falsche Gleis gesetzt hat. Ihr System hatte Systemlinge, jede Menge Profiteure, bis heute ist nicht erkennbar, dass in der Belegschaft entschieden gegen die imperialen Ansprüche der PS opponiert wurde.
Die Riesenreklame, sprich sein Claim sollte erst dann verschwinden, wenn der RBB in seiner Gesamtheit und, angefangen in der Geschäftsleitung, eine neue Ära eröffnet. Abhängen ist leicht, sich ändern ist schwieriger.
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