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 Wer treibt hier sein Unwesen? Melly (Lina Beckmann, l.) und Katrin (Anneke Kim Sarnau) finden zerschossene Schaufensterpuppen im Wald.

© NDR/Michael Ihle

So gut ist der Rostocker „Polizeiruf 110“: Werden wir böse geboren?

Der „Polizeiruf 110“ hinterfragt die Folgen von Gewalterfahrung und ambivalente Mutterliebe. Und bringt Licht ins Vorleben der Ermittlerin Melly Böwe.

Stand:

Eva Greuner und ihr Sohn Milan leben in einem kleinen Haus am Rande Rostocks, am Wald, isoliert von ihrer Umgebung. Das hat Eva so entschieden. Ihr Sohn wird seit seiner Geburt aggressiv ausgegrenzt. Milan ist der Sohn eines Frauenmörders und das Ergebnis einer Vergewaltigung. Auch für seine Mutter ist Milan: böse geboren. Das Töten steckt in ihm drin.

Ein starker, ein provokativer Ausgangspunkt im Rostocker „Polizeiruf 110“ (Sonntag, ARD, 20:15 Uhr), der vor dem Hintergrund des Mordes an einer Frau im Wald grundlegende Fragen stellt: Kann das Böse angeboren sein? Gibt es ein Verbrecher-Gen? Und konkret: Ist das Kind, das bei einer Vergewaltigung gezeugt wurde, nicht genauso wertvoll wie ein Kind der Liebe?

Als die junge Tierschutzaktivistin Sarah im Wald erschossen wird, liegt für die meisten auf der Hand, wer der Täter ist: Milan, zudem auf einem Video zu sehen ist, wie dieser, mit geschultertem Gewehr, von Aktivisten im Wald überfallen und verprügelt wird.

Genetisch unterscheidet den Menschen wenig vom Schwein. Im Grunde sind wir auch nur Säugetiere mit Waffen.

Ermittler Volker Thiesler (Josef Heynert) zum Kollegen Anton Pöschel (Andreas Guenther)

Auch an Eva (Jördis Triebel) nagt der Zweifel. Wozu ist ihr Sohn, der Sohn eines Frauenmörders, fähig? Er erinnert sie durch seine bloße Existenz immer wieder an ihre Vergewaltigung. Ihre große Sorge, er könnte nach seinem Vater geraten, wirkt zerstörerisch auf ihr und auf sein Leben.

Sind das Freunde? Paul (Jonathan Lade, l.) und der verdächtige Milan (Eloi Christ).

© NDR/Michael Ihle

Dass es mit der Verdächtigung Milans (Eloi Christ) nicht weit her sein kann, sei hier schon verraten, ohne allzu viel zu spoilern. Der stigmatisierte Außenseiter ist selten der Mörder.

Dafür wirft das Buch (Elke Schuch und Catharina Junk) eine Handvoll Verdächtige in die Krimi-Geschichte: Die Jägergemeinde rund um die Förster-Familie Cobalt, die nicht nur Ärger mit Wilderern, radikalen Tierschützern und angesägten Hochsitzen hat, sondern auch mit dem bigotten Förstersmann, der seine Frau betrügt. Oder Sarahs Mitbewohner Paul (Jonathan Lade) aus der Aktivisten-WG, dessen Freundin Nele bei dem Angriff im Wald schwer verletzt wurde.

Während die Ermittlerinnen Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Melly Böwe (Lina Beckmann) den Verdächtigungen nachgehen, assistiert vom gewohnt launigen Team Thiesler (Josef Heynert) und Pöschel (Andreas Guenther), kommt überraschend Mellys Tochter Rose zu Besuch und will mehr über ihren leiblichen Vater erfahren. Melly blockt ab. Katrin fragt sich, was ihre Kollegin zu verbergen hat.

Am Ende, man ahnt es, spinnt der Krimi einen roten Faden zwischen Mellys dysfunktionaler Mutter/Tochter-Beziehung und Evas ambivalentem Konflikt mit Sohn Milan, hin- und hergerissen zwischen Liebe und Ablehnung, als Folge der Gewalterfahrung.

Ist das Böse nun angeboren? Hätte Milan, der Tätersohn, aus Evas Sicht nicht geboren werden dürfen? Bereut sie ihre Entscheidung? Das sind hehre, spannende Fragen, spannender jedenfalls als die Täter-Auflösung in diesem doch recht vorhersehbaren Krimi.

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