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Kulturstaatsminister Wolfram Weimer.

© dpa/Kay Nietfeld

SPD fordert Aufklärung : Vorwürfe gegen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer wird vorgeworfen, mit seinem Magazin „The European“ das Urheberrecht verletzt zu haben. Die AfD fordert seinen Rücktritt, aber auch in der SPD wächst der Unmut über ihn.

Stand:

Schon wieder ist Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) ins Visier von Rechten und Rechtsextremen geraten. Nachdem zuerst der rechte Blogautor Alexander Wallasch den Vorwurf erhoben hatte, dass das zur Weimer Media Group gehörende Magazin „The European“ mit Texten unter anderem von Politikern und insbesondere der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel gegen das Urheberrecht verstoßen habe, fordert die AfD nun im Chor mit rechten Publikationen Weimers Rücktritt.

„Der Vorwurf des geistigen Vampirismus fällt auf ihn selbst zurück“, sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming mit dem Hinweis auf Weimers Kritik an Techkonzernen während der Frankfurter Buchmesse.

„Inwieweit er sich dabei sogar strafbar gemacht hat, wird die weitere juristische Überprüfung zeigen. Sollte Herr Weimer die im Raum stehenden schweren Vorwürfe nicht schnell ausräumen können, muss er zurücktreten“, sagte Frömming weiter.

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100 gestohlene Beiträge von Alice Weidel?

„The European“ hatte Politikerinnen und Politiker wie Alice Weidel, Alexander Dobrindt, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Bundeskanzler Friedrich Merz und viele andere als Autoren geführt, nachdem in dem Magazin Reden, Interviewausschnitte und andere Verlautbarungen abgedruckt worden waren. Von Seiten der AfD heißt es unter anderem, „The European“ habe über „100 gestohlene Beiträge von Alice Weidel“ veröffentlicht.

Der berüchtigte Plagiatsjäger und Medienwissenschaftler Stefan Weber wiederum spricht von bewusster Täuschung von Werbekunden, weil von den laut „European“ 2000 renommierten Autoren aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft nur 100 abrufbar gewesen seien: „In Wolfram Weimers Urheberrechtshölle muss die Strafverfolgungsbehörde ermitteln.“

Weber berichtete auf seiner Website nicht ohne Stolz von elf mit seinem Namen gekennzeichneten Artikeln im „The European“, „die zu großen Teilen aus meinem Blog und aus Interviews zusammengestoppelt sein dürften“.

Bei „The European“ wurden nach diesen Vorwürfen auffallend schnell Autorenprofile und Artikel getilgt und das Impressum umgeschrieben. In einer Erklärung heißt es, „Texturen aus den Jahren vor dem großen ,European’-Relaunch von 2021“ seien „seinerzeit weitgehend gelöscht worden“.

Und: „Die Veröffentlichungen von Verlautbarungen von Politikern aller Parteien aus dem Deutschen Bundestag folgten damals der gängigen Praxis führender Tageszeitungen und anderer Publikationen, beispielsweise öffentliche Redetexte unter Quellenangabe und mitsamt dem Namen des jeweiligen Politikers als Autor zu publizieren.“

Es wirkt auf uns wie eine Kampagne rechter Kreise aufgrund von Wolfram Weimers Kritik an den amerikanischen Techkonzernen auf der Buchmesse.

Stellungnahme des „European“

Äußerungen von Alice Weidel aus den Jahren 2017 bis Anfang 2021 seien immer mit der Quellenangabe veröffentlicht worden: „Wenn es in jenen Jahren einzelne Fälle gegeben haben sollte, in denen die Quellenangabe unterblieb, bedauern wir dies. Streitigkeiten oder Klagen wegen etwaiger Urheberrechtsverletzungen lagen damals nicht vor und liegen auch dem aktuellen Chefredakteur nicht vor.“

Sind politische Motive der eigentliche Grund?

Beim „European“, dessen Chefredakteur inzwischen der einstige „Welt“-Journalist Ansgar Graw ist, wird in einer weiteren Stellungnahme gemutmaßt: „Dass nun plötzlich diese Alt-Publikationen von der AfD infrage gestellt werden, scheint eher politischen als sachlichen Motiven zu folgen. Es wirkt auf uns wie eine Kampagne rechter Kreise aufgrund von Wolfram Weimers Kritik an den amerikanischen Techkonzernen auf der Buchmesse.“

Auf diese Idee kann man kommen, gerade nach der Kampagne, die das Portal „Nius“ gegen Weimer führt, mit vermeintlichen Enthüllungen zu der Böhmermann-Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt und bezüglich des von Weimer verliehenen Deutschen Verlagspreises, den angeblich auch Verlage bekommen hätten, die linskradikale und verfassungsfeindliche Schriften veröffentlichen.

Allerdings wirkt es schon etwas seltsam und lax, wie schnell beim „European“ Politikerinnen und Politiker zu Gastautoren wurden. Dass Reden und bestimmte für die Öffentlichkeit bestimmte Beiträge aus der Politik veröffentlicht werden ist das eine, da sind sich alle Seiten einig, das ist gang und gäbe. Aber dass damit gleich das Impressum aufgefüllt und eine Stammautorenschaft suggeriert wird?

Es drängt sich allmählich der Eindruck auf: Hier sitzt der falsche Mann auf dem falschen Posten.

Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter

Weimer, dessen Media Group nach seiner Ernennung zum Kulturstaatsminister ausschließlich seine Ehefrau Charlotte Goetz-Weimer leitet, wird nun an den Worten gemessen, die er auf der Frankfurter Buchmesse gesagt hat. Dort sprach er vom „digitalen Kolonialismus“ von Google und Co. und stellte zur Not gar eine Zerschlagung von Google in Aussicht.

Was den Trump-nahen ehemaligen US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, auf den Plan rief. Grenell wetterte auf X auch wegen der von Weimer geplanten Digitalabgabe: „Es ist ein massiver Angriff auf die gesamte US-amerikanische Digitalindustrie, mit dem ultimativen Ziel, sie in Europa stillzulegen.“

Hat Weimers Medium Werbekunden getäuscht?

Den großen digitalen Konzernen aus den USA und aus China warf Weimer vor, sie würden ihre KI „mit Milliarden von Werken“ trainieren, „ohne die Einwilligung der Urheber einzuholen, geschweige denn, ihnen auch nur einen Cent zu zahlen“. Auch der „European“ hatte keinen Cent bezahlt, aber die Einwilligung der Urheber oftmals stillschweigend bekommen. Das Problem: Hat das Magazin mit einer Vielzahl prominenter Namen Werbekunden geblendet?

Ich hoffe auf und erwarte die vollständige Aufklärung und Ausräumung der schwerwiegenden Vorwürfe.

Martin Rabanus, kultur- und medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

Inzwischen wird auch innerhalb der Regierungsfraktionen Kritik an Weimer laut. Mehrere SPD-Politiker fordern den Kulturstaatsminister auf, die Vorwürfe hinsichtlich einer Verletzung des Urheberrechts aufzuklären. „Ich hoffe auf und erwarte die vollständige Aufklärung und Ausräumung der schwerwiegenden Vorwürfe“, sagte Martin Rabanus, kultur- und medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel: „Diese Aufklärung muss im Interesse der Person, aber auch des Amtes, sehr zügig erfolgen.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner zog Weimers Eignung als Kulturstaatsminister in Zweifel. „Das Erstaunen über den Umgang von Herrn Weimer mit Texten und Beiträgen Dritter wird jeden Tag größer. Der Bedarf nach einer Stellungnahme des Kulturstaatsministers auch“, sagte Stegner dem Tagesspiegel.

„Ansonsten drängt sich allmählich der Eindruck auf: Hier sitzt der falsche Mann auf dem falschen Posten.“ Ein Kulturstaatsminister solle „ein Anwalt all jener sein, für die das Urheberrecht wichtig ist“, sagte Stegner: „Er sollte da, auch vor Übernahme seines Amtes, mit gutem Beispiel vorangehen.“

In Weimers Haus, das ansonsten auf Social Media täglich sendet, schweigt man. Weimer sei seit seinem Amtsantritt nicht mehr in der Geschäftsführung, heißt es auf Tagesspiegel-Anfrage. „Er hat auch keine Stimmrechte mehr und war auch nie Chefredakteur des ‚The European‘. Es gibt von unserer Seite kein offizielles Statement zu dieser AfD/Nius/Grenell-Kampagne gegen Herrn Weimer.“

(Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung war der Nachname des genannten Bloggers im ersten Absatz falsch geschrieben. Richtig lautet er Wallasch. Wir haben diesen Fehler korrigiert.)

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