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Thema

Biennale

Die argentinische Wirtschaft liegt darnieder, das Land steht am ökonomischen Abgrund. Da grenzt es fast an ein Wunder, wenn am Rio de la Plata ein neues Museum eingeweiht wird, das Museo de Arte Latinoamericano de Buenos Aires, kurz "Malba" genannt.

Ein Jahr ist vorbeigegangen, das, wie oft betont wurde, mit einem Film verbunden war. "2001 - Odyssee im Weltraum" von Stanley Kubrick war schon den Zeitgenossen ebenso rätselhaft wie inspirierend erschienen und bot Anlaß für Interpretationen wie Irrfahrten durch psychedelische Innenwelten.

In Konkurrenz mit der Biennale-Stadt Venedig sowie der Finanzmetropole und dem Galerienzentrum Mailand will sich Bologna als heimliche Hauptstadt der modernen Künste in Italien profilieren. Schwerpunkt soll dabei die vom 24.

"Den brennenden Fragen nach der Positionierung des eigenen Selbst in einer Gesellschaft am Rande ihrer Möglichkeiten nachgehen" - das ist das hochgemute Programm, das Frankfurts neue Schauspielintendantin Elisabeth Schweeger ihrem Theater verschrieben hat. Die künstlerischen Terrains, die sie in ihrem beruflichen Vorleben auf der Suche nach Antworten sondiert hat, lassen kaum eine Lücke übrig.

Für die eifrig herumlauschenden italienischen Zeitungen stand das Ergebnis schon am Freitag felsenfest. "Die Wahl ist geheim" des Iraner Babak Payami, so tönten sie, würde das Rennen machen - die parabelhafte Story um den Wahltag auf einer entlegenen Insel sei schließlich klarer Favorit des Jurypräsidenten Nanni Moretti.

Von Jan Schulz-Ojala

Macht Berlusconi, der neue starke Mann Italiens, der Biennale in Venedig und damit der international prominentesten Kulturinstitution des Landes demnächst den Garaus? So harsch kann man es - noch - nicht sagen.

Von Jan Schulz-Ojala

Während die internationale Kunstberichterstattung bereits Jahre vorher das Rampenlicht auf die Kasseler Documenta lenkt, existieren andere europäische Großereignisse oft im publizistischen Schatten. Man muss sich schon großspurig ein "Biennale" vor den Titel kleben, um internationale Aufmerksamkeit zu erwecken.

Als 1990 in Venedig der Biennale-Preis für Skulptur an die Fotografen Bernd und Hilla Becher ging, schien das Schicksal der Bildhauerei auch institutionell besiegelt. Das klassische Medium fristete im "rasenden Stillstand" des "Anything goes" ein eher marginales Dasein.

Von Michaela Nolte

Wer es nicht schafft, die Biennale in Venedig zu besuchen, kann sich die Arbeiten des dort vertretenen Tatsumi Orimoto in der Aktionsgalerie ansehen. In "Art Mama" dokumentiert der japanische Künstler den Alltag seiner an Alzheimer erkrankten Mutter.

Empfänge! Wir erleben gegenwärtig im Übermaß, was uns in den Jahrzehnten der West-Berliner Normalität gefehlt hat: Leute, die auf sich aufmerksam machen wollen und daher andere Leute dafür bezahlen, dass diese wieder andere Leute in großen Mengen auf die Veranstaltungen des Auftraggebers (neudeutsch: events) schaufeln.

Von Lars von Törne

Auf der Berlin-Biennale verbringt man viel Zeit damit, dunkle Vorhänge auseinander zu ziehen. Hat man den schweren, dicht gewebten Stoff aus Nessel oder Leinen beiseite geschoben, sich durch ihn gleichsam hindurchgeschlängelt und den dahinter verborgenen Raum betreten, findet man sich in kleinkinoähnlichen Höhlen wieder.

Die drin waren, sehen sich wissend an und senken die Stimme. Doch zunächst ist eine lange Schlange zu bewältigen, und während am kanadischen Pavillon nebenan freundliche junge Damen regelmäßig über die verbleibende Wartezeit informieren, strahlt am deutschen Pavillon sein düsteres Inneres nach Außen.

Der Erfolg steht schon beim Auftakt fest. 69 Länder beteiligen sich diesmal an der als Nationenwettstreit entstandenen KunstBiennale von Venedig, der 49.

Von Bernhard Schulz

Auf der Suche nach Unterstützung für den Transfer einer großartigen Zagreber Ausstellung, die sich mit dem verdrängten Erbe des Marxismus befasste, saß ich mit serbischen Kollegen in Belgrad bei einem potenten deutschen Geldgeber. Dort teilte man uns mit, dass bereits eine Großausstellung mit Künstlern aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien geplant sei - das Thema laute "Grenze".

Pipilotti Rist, Jahrgang 1962, ist eine der weltweit bekanntesten Video- und Performancekünstlerinnen. 1992 sorgte ihr Video "Pickelporno" für Furore, 1997 vertrat sie mit dem Gewalt-gegen-Autos-Film "Ever is over all" ihr Heimatland Schweiz auf der Biennale in Venedig.

Der Philosoph und Theaterfan Albrecht Wellmer plädierte auf dem Wagner-Verdi-Symposium der Staatsoper kürzlich für eine Infusion der Oper mit den Mitteln gegenwärtigen postdramatischen Theaters. Namen, die er für solche Öffnung nennt: Marthaler, Neuenfels, Kagel, Sciarrino, Schnebel.

Von Sybill Mahlke

Zeitgenössische Kunst ist internationaler denn je: Fast fünfzig Künstler aus über dreißig Ländern hat die niederländische Kuratorin Saskia Bos zur zweiten Berlin-Biennale eingeladen. Zwar spielt es noch eine Rolle, woher ein Künstler stammt - ob aus Rio oder Istanbul, Sofia oder Johannesburg -, doch wo er wohnt, ist nahezu irrelevant geworden.

Von Nicola Kuhn

Tsuyoshi Ozawa gehört zu den "ehrgeizigen und zwiespältigen Realisten", einer Gruppe zeitgenössischer japanischer Avantgarde-Künstler, die sich nach ihrem gemeinsamen Geburtsjahr "Group 1965" nennen. Die Gruppe verbindet vor allem eine Abkehr vom traditionellen Kunstbetrieb.

Selten ist die Verbindung zwischen Kunst und Kommunikation so unmittelbar wie bei dem 1956 in Massachusetts geborenen Künstler und Kunsttheoretiker Joseph Grigely. Als Kind wurde er nach einem Unfall gehörlos.

Kendell Geers ist ein politischer Künstler, der den Anstoß für seine Arbeiten aus Konflikten seiner südafrikanischen Heimat bezieht. Seine Themen - Gewalt, Unterdrückung, Mechanismen der Ausgrenzung - haben aber universelle Gültigkeit.

Als Regisseur ist Kutlug Ataman in Berlin längst bekannt durch seinen in Kreuzberg gedrehten Spielfilm "Lola und Billidikid", der vom Alltag türkischer Transvestiten erzählt. Nun kehrt er zurück mit einer sechsteiligen Videoinstallation, in deren Mittelpunkt ebenfalls ein Transvestit steht, der in einem halbdokumentarischen Film sein eigenes Leben mit allen schmerzvoll gemachten Erfahrungen nachspielt.

Bei Galeristen ist bekannt, dass einige der großen und kleinen Stars, die in den letzten Jahren von Berlin aus reüssiert haben - Monica Bonvicini, Heike Baranowsky, Martin Dörbaum, Maria Eichhorn, Gunda Förster, Johannes Kahrs, Robert Lucander, Manfred Pernice e tutti quanti - an der Hochschule der Künste studierten. Über Anteile an ihrem Erfolg gehen die Urteile auseinander.

Der Berliner Stadtteil Mitte franst nicht an seinen Rändern aus, sondern von seinem Zentrum her. Während die Umzugswelle von der August- in die Zimmerstraße gerade erst begonnen hat, sehen sich die anderen nach alternativen Quartieren um, in denen es noch nicht von Feinkostläden wimmelt.

Eines ist der Musik-Biennale auch in diesem Jahr wieder gelungen - ein breiteres Publikum für neue Musik zu interessieren. Ein Publikum, das stets spontan und begeisterungsfreudig reagierte, und dies zuweilen auch in überraschender Weise.

Ob Fliege, Katze, Mensch - sie alle sind genetisch einander ähnlich. Ob sie aber heutige Musik gleich oder verschiedenartig wahrnehmen, darum ging es im Biennale-Beitrag der Jungen Deutschen Philharmonie im Konzerthaus.

Biennale-Chefin Heike Hofmann hat Isabel Mundry bereits in den vergangenen Jahren regelmäßig mit Kompositionsaufträgen gefördert. In diesem Jahr wirkte die 1963 in Hessen geborene und in Berlin aufgewachsene Komponistin zudem an der Programmgestaltung des Internationalen Fests für zeitgenössische Musik mit.

"Nur das letzte Klaviersolo fehlt eigentlich noch", zitiert Arturo Tamayo augenzwinkernd seinen Mentor Pierre Boulez. "Éclat" gehört zu den Werken, die der Meister ständigen Umformungen unterwirft, und das seit 35 Jahren, ein ewiges work in progress.

Von Isabel Herzfeld

Man hat fast den Verdacht, der Sizilianer Salvatore Sciarrino wolle Richard Wagner für seine strapaziösen Opern-Ungetüme posthum eins auswischen. Sein jüngstes Bühnenwerk "Lohengrin", 1983 in Mailand uraufgeführt, könnte von seinem großen Vorgänger kaum verschiedener sein: An die Stelle romantischen Orchesterwaberns und heroischer Fanfaren treten subtile Klangstudien einzelner Instrumente, während sich die Protagonisten beinahe gänzlich dem Gesang verweigern und statt dessen in Glucksen, Hauchen oder Zirpen verfallen.

Als junger Komponist aus dem DDR-Schaffen hervorgegangen, erfreut sich Steffen Schleiermacher weiterhin beachtlicher Zustimmung, obwohl oder weil sich seine Stücke nicht in Schubfächer einordnen lassen wollen. Der putzige Titel seines Auftragswerkes für die 18.

Von Sybill Mahlke

Für die Qualität der Stücke sind die Komponisten verantwortlich. So weist Heike Hoffmann, die scheidende Leiterin der Musik-Biennale, jede Verantwortung für Risiken beim Genuss zeitgenössischer Musik zurück.

Von dem Betrieb der Neuen Musik, der mit seinen Verlagsinteressen, Festivals und Kompositionsaufträgen den gewöhnlichen Gesetzen des Marktes weniger fern ist als man so gerne glauben machen will, hat sich Klaus Huber eine bemerkenswerte Unabhängigkeit bewahrt. Seinen Themen nähert er sich mit der Strenge und Unerbittlichkeit einer großen Künstlerpersönlichkeit.

Von Volker Straebel

Selten genug, dass die Musiker bei einem Konzert mit Neuer Musik dem Dirigenten die Ehre erweisen, indem sie trotz seiner Aufforderung zur Publikums-Reverenz sitzen bleiben und applaudierend den Beifall der Zuhörer potenzieren. Dies geschieht am Pult des inspirierten Berliner Sinfonie-Orchesters dem Maestro Johannes Kalitzke, der zu einem der wichtigsten Avantgarde-Dirigenten avanciert ist.

Von Sybill Mahlke
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