Auch wenn die leidige Schlossplatz-Debatte schon allen zum Hals heraushängt: Warum kommt eigentlich keiner auf die Idee, auf dem zentralsten Ort der Stadt ein schmuckes Konzertzentrum zu bauen? Mit einem kleineren, Kammermusikkompatiblen Saal von 700 bis 800 Plätzen, der in Berlin noch fehlt und einem größeren für Berliner Sinfonie-Orchester.
Klassik
Ach Ja. Das hatten wir sechs Stunden lang gefürchtet.
Begeisterter Applaus kann auch unverschämt sein. Dabei war klar, dass der walisische Starbariton Bryn Terfel nach Wotans Abschied in der Philharmonie keine Zugabe singen würde.
Herr Hartmann, Herr Oberender - wer avanciertes Theater machen will, geht in die Metropolen. Was in aller Welt wollen sie in der Provinz?
Für seine bemerkenswerte Einspielung von Beethovens Streichquartett B-Dur op. 130 wurde das Philharmonia Quartett vergangene Woche mit dem "Echo-Klassik"-Preis geehrt.
Mit Zugaben hatten sie offenbar nicht gerechnet. Wer aber so zündende Könnerschaft verbreitet wie das Schlagzeug-Ensemble der Berliner Philharmoniker, dem verlangt das Publikum mehr ab als das offizielle Programm.
Ist es mangelnde Eitelkeit, oder hat der schwedische Bühnenbildbau einfach nur vor "Ikea" die Waffen gestreckt? Die Szene für Mats Eks "Dornröschen"-Choreografie atmet das Grau Bergmanscher Familienhöllen, in der selbst das heiß ersehnte Auto nur als stumpfschwarze Laubsägearbeit umherrollt.
Ein rappelvolles Ein-Komponisten-Konzert gehört mit Sicherheit nicht zu den Festwochen. Rachmaninow war eben nicht gut genug für den Jahrhundertklang-Olymp.
Johann Nepomuk Hummel ist der gentleman composer der Beethoven-Zeit und der britische Pianist Howard Shelley der adäquate gentleman interpreter für die "Gesellschafts-Rondos", Bravour-Variationen und Klaviersonaten, die der gefeierte Pianist Hummel für seine Konzertreisen schrieb. Von den Donnerschlägen, mit denen Beethoven zur gleichen Zeit die Sonatenform sprengte, ist hier so wenig zu hören wie von den einsamen Weiten, die Franz Schubert in seinen letzten, Hummel gewidmeten Klaviersonaten durchschritt.
Das Orchester hat sich in den letzten Jahren stark verjüngt. Jetzt will es sich reformieren.
Es gehört zum guten Ton des Berliner Philharmonischen Orchesters, dass auch an seinen zweiten Bläserpulten Musiker sitzen, die mühelos die Ersten Solisten vertreten können. Das Fach Oboe ist besonders gesegnet: Neben Albrecht Mayer und Hansjörg Schellenberger sind Andreas Wittmann und Dominik Wollenweber (Englischhorn) hervorragende Solospieler.
Als Primo Levi nach seiner Befreiung aus Auschwitz durch die Straßen von Krakau stolpert, auf der Suche nach einem Stück Brot, trifft er auf einen katholischen Priester. Des Polnischen nicht mächtig, kratzt Levi die letzten Brocken seines Schullateins zusammen und fragt: "Pater optime, ubi est mensa pauperorum?
Wenn ein Orchester wie die Berliner Symphoniker Bruckners fünfte Sinfonie spielt, ist das etwa so, als ob ein passabler Mittelstreckenläufer plötzlich bei einem Marathon mitmacht: Läuft er in gewohnter Geschwindigkeit, geht ihm mittendrin die Puste aus - teilt er seine Kräfte ein und läuft langsam, wird er von den Gewohnheits-Marathonläufern abgehängt. Unter ihrem Cheftrainer Lior Shambadal entscheiden sich die Symphoniker für die sichere Schritt-Tempo-Variante und kommen nach gut achtzig Minuten ins Ziel.
Er ist die Vaterfigur einer spirituellen Erneuerung. Als Ravi Shankar Ende der sechziger Jahre sowohl in Woodstock als auch in Monterey auftrat, feierte man den indischen Sitar-Virtuosen wie einen Propheten.
Um die deutsche Literatur in einem Glanz zu erleben, der ihr ganz fremd geworden ist, muss man nur ins Ausland fahren. In Krakau etwa kann man Menschen finden, die von Rilkes "Duineser Elegien" schwärmen, sie zählten zum Größten, was ihnen zugestoßen sei, und überhaupt bleibe das Deutsche die Sprache von Stefan George, Paul Celan und Nelly Sachs.
Eine der berühmtesten Institutionen des Berliner Kulturlebens steht zur Disposition: Der Rias-Kammerchor soll um ein Drittel seiner Mitglieder verkleinert werden. Über die Auswirkungen des Beschlusses, der in der vergangenen Woche von den Gesellschaftern der Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester und -chöre gefasst wurde, sprach Jörg Königsdorf mit Frank Druschel, dem Direktor des Rias-Kammerchores.
Was passiert, wenn die unerbittlichen Finanzpolitiker den Staatsopern-Chefdirigenten Daniel Barenboim aus Berlin vertreiben?Frederik Hanssen Wenn das so weiter geht, können wir die Tage zählen, bis Daniel Barenboim das Handtuch wirft.
Nicht jeder, der sich am Sonnabend in Richtung Potsdamer Platz auf den Weg machte, wollte zur Berlinale. Manche hatten statt dessen den festen Vorsatz, im Namen der Kunst mehrere Stunden in einem fensterlosen Saal zu verbringen.
Die Verwechslung ist beabsichtigt: Wenn das Plakat einen Auftritt der "Philharmonischen Cellisten" zusammen mit Dieter Hildebrandt ankündigt, soll der Kartenkäufer natürlich an die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker denken. Mit denen haben die sechs Herren und ihr Programm "Vorsicht Klassik!
Eigentlich müsste sie unhörbar sein, die Musik, die von heute an für zehn Tage beim Festival "Ultraschall" erklingt, ein hohes Fiepsen nur, jenseits der Hörgrenze. Das würde aber den beiden großen Berliner Rundfunkanstalten, die für das Programm verantwortlich zeichnen, dem Deutschlandradio Berlin und dem SFB, kaum gefallen.
Mit Kammerorchestern verhält es sich in Berlin so ähnlich wie mit Döner-Buden: Keiner weiß wirklich wie viele es gerade gibt. Und selbst bei den Läden, die man zu kennen glaubt, sorgt immer wieder das Schild "Neue Bewirtschaftung" für zusätzliche Verwirrung.
Boris Pergamenschikow hat das 20. Jahrundert zur Ära des Violoncellos ausgerufen.
Die Älteren nennen ihn ehrerbietig "Maestro", die Jüngeren raunen anerkennend "Geil, voll der Klassiker!".
Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitte, das zeitgemäss der Moderator ist: Zumindest die vorzügliche Besetzung dieses Grundmusters der meisten Podiums-Diskussionen konnte man der American Academy bescheinigen, als sie es unternahm, mit einem Gespräch über die "Zukunft der Symphonie-Orchester" ihr Themen-Spektrum in die Dimension der Musik-Praxis auszuweiten. Der eine Part fiel auf Kurt Masur, einst Gewandhaus-Chef, nun Direktor der New Yorker Philharmonie.
Wenn einen beim Lesen von Autobiografien der Neid befällt, spricht das durchaus für den Autor. Dann nämlich ist es ihm gelungen, die Namedropping-Hürde erfolgreich zu überspringen.
Vier altbekannte Paukenschläge weisen dem Klassik-Fan den Weg: Hinter dieser Tür muss es sein, wo das Kammerorchester Berlin Beethovens berühmtes Violinkonzert probt. Doch wer neugierig in den Ferenc-Fricsay-Saal im Haus des SFB schaut, dem fällt auf, dass etwas anders ist als sonst: Es fehlt der Dirigent.
Er sieht anders aus, er ist nur ein Drittel so schwer und er klingt vor allem ganz anders: Mit dem heutigen Standard-Konzertflügel der Marke Steinway hat das Hammerklavier etwa so viel gemeinsam wie ein Oldtimer mit einem Formel-1-Rennwagen. Jahrzehnte lang waren die filigranen Instrumente der Firmen Erard, Pleyel, Stein und Broadwood fast nur in alten Herrenhäusern und Musikinstrumenten-Museen zu bewundern.
Als die Hochschule der Künste vor zwei Jahren zum ersten Mal ihr European Piano Forum veranstaltete, war das künstlerische Ergebnis eine kleine Sensation in der sonst eher ereignisarmen Berliner Klavierszene. Zehn Tage lang Klavier pur auf höchstem Niveau - eine solche Dosis gab es bislang nur bei einer Handvoll über den Kontinent verstreuter Klavierfestivals.
Der Dirigent Bruno Weil führt eine Art künstlerische Doppelexistenz. Über die Stationen Wiesbaden, Braunschweig, Augsburg und Duisburg hat er sich zu einem angesehenen Kapellmeister hochgearbeitet; zugleich wird er - vor allem wegen seiner Zusammenarbeit mit dem kanadischen Ensemble "Tafelmusik" - als Spezialist für historische Aufführungspraxis der Wiener Klassik international gefeiert.
Angesichts der Hundertschaften Klavier spielender Japanerinnen, die regelmäßig Preise bei internationalen Wettbewerben abräumen und anschließend sofort wieder in der Versenkung verschwinden, ist der Erfolg von Mitsuko Uchida doppelt bemerkenswert: Seit etwa fünfzehn Jahren gehört sie zu der kleinen Gruppe von Pianisten, deren Persönlichkeit sich bei einem großen Publikum als etwas Besonderes eingeprägt hat. Nicht nur durch ihr kristallines, linienbetontes Klavierspiel, sondern auch durch ihr so ganz unjapanisch wirkendes impulsives Temperament, das in Musikfilmen und Talkshows immer wieder fesselt: Erst barfuß mit chaotisch verwirbeltem schwarzen Haarschopf am Klavier, dann im Gespräch mit weit ausholenden Gesten, voller Emphase und ansteckender Begeisterungsfähigkeit von der Größe Mozarts, Schuberts und Debussys schwärmend.
Als gehorsamster Diener und aufrichtigster Verehrer hat sich Schiller im Juni 1794 dem Geheimen Rat Goethe in einem unterwürfigen Brief genähert, und noch in seiner letzten Mitteilung an den zum Freund gewordenen Älteren (25. April 1805) ist von "einiger Kontrovers" zwischen den beiden die Rede.
Der Ferne Osten hat es ihr schon seit langem angetan. 1981 inszenierte Ariane Mnouchkine "Richard II.
An Deutschlands Opernhäusern grassiert eine Krankheit: Premierenschwund heißt sie. Bis auf Berlins Lindenoper - mit sieben Neuproduktionen noch im gesunden Bereich - leiden bereits alle großen Musiktheater der Republik an diesem Übel; besonders betroffen sind Leipzig, Dresden und Stuttgart, deren Premierenfrequenz in der anbrechenden Spielzeit den lebensbedrohlichen Wert von vier aufweist.
Der "Rosenkavalier", diese Wiederbelebung einer schon überwunden geglaubten, mozartischen Gesangskunst, ohne Stimmen? Unmöglich!
Immerhin: Pünktlich zu seinem 250. Geburtstag steht Goethe auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste.
Klassiker, auch die modernen, sind nicht nur Wegmarken, an denen sich eine zurückgelegte Strecke abmessen lässt. Bleibt ihre Kreativität erhalten, strahlt ihre Arbeit auf die Gegenwart aus, setzt Maßstäbe.
Oha: "Goethe war ein Weiser, ein Meister des Reims, viele seiner Werke sind noch heute Nummer eins". Das Klassik-Merchandising der Kulturstadt Europas 1999 hat zum Goethe-Nietzsche-Gedenkjahr die Crème deutscher Rapper (Bürger Lars Dietrich) und Rauner (Joachim Witt) zusammengetrommelt, um den Kids der Viva-Generation das kulturelle Erbe näherzubringen.
Die "Kanalratten", wie La Fura dels Baus in lockerer Übersetzung heißen, tanzen nun auf dem Tisch. Ihr Furor kommt noch aus dem Geist der unabhängigen Gruppen während der Franco-Diktatur.
Der schönen Isaure geht es in André Ernest Modest Grétrys Oper "Raoul Barbe-bleu" aus dem Jahr 1789 nicht anders als den übrigen Frauen Blaubarts: Auch sie muss natürlich das streng verbotene letzte Zimmer Blaubarts öffnen, weil sie ihren Wissensdurst nicht beherrschen kann. Klar, dass der enttäuschte Ritter auch bei Grétry seine Gattin ermorden will - als gerechte Strafe für ihre Neugier.
Nike Wagner zählt zu den interessantesten Kandidaten für die Nachfolge des Bayreuther Festspielchefs Wolfgang Wagner. Die 1945 als drittes Kind des Wolfgang-Bruders Wieland Wagner geboren Nike studierte Theater-, Musik- und Literaturwissenschaft und promovierte 1973 über Karl Kraus.