Die Zugabe als Resümee eines ganzen Abends: Jacky Terrasson spielt sein Stück "Happy Man". Und happy sind sie wirklich alle: Die Zuhörer, die Veranstalter - denn endlich, am letzten Abend der "Blue Nites", ist der Tränenpalast endlich voll - und die drei Musiker sowieso.
Klassik
Nun singen sie wieder draußen vor der Tür. Wenn der Sommer kommt, blüht die Freiluftkultur.
Africando ist eine Erfolgsgeschichte. Afrikas größter Plattenproduzent Ibrahima Sylla und der malische Arrangeur Bocana Maiga taten sich vor acht Jahren zusammen, um eine Kreuzung zwischen Salsa und Mbalax zu versuchen.
In der fast szenischen Lebendigkeit, mit der Mendelssohns "Elias" in der Philharmonie zur Aufführung gelangte, kam das alttestamentliche Oratorium mit neuer Leuchtkraft herüber. Uwe Gronostay wies mit dem Philharmonischen Chor und den Berliner Symphonikern von Anbeginn an, vom einleitenden, harschen Rezitativ des Propheten, auf den dramatischen Stil, auf die ganze gedrungene musikalische Ausdruckskraft des Spätwerkes von Mendelssohn Bartholdy hin.
Während sonst jeder französische Pianist mindestens einen Debussy oder Ravel im Gepäck hat, gibt es bei François Frédéric Guy weder impressionistisches Geflimmer noch große Virtuosität à la Chopin. Dafür anspruchsvollste Klassik und Moderne, die dem Publikum im Schauspielhaus den begeisterten Applaus schwer macht.
Ensemble-Wettbewerb im Musikinstrumenten-MuseumGrand-Prix-Feeling im Musikinstrumenten-Museum: Wenn am Ende des Alte-Musik-Treffs die Stimmen der Publikumsjury ausgezählt werden, zittern und bangen die Mitglieder von Berlins Nachwuchs-Ensembles in Sachen Alter Musik beinahe so wie die Gruppen beim europäischen Schlagerwettbewerb. Denn im Vergleich zu anderen Klassikveranstaltungen kann das Publikum nicht nur via Applaus, sondern mit Sitz und Stimme über seinen Favoriten entscheiden: Die Eintrittskarte zählt als Stimmzettel.
Die ganze Welt ist preußisch blau, wenn ich in diesen Himmel schau: So eine Nachtstimmung kennt der Großstädter nur aus der Provinz. Hier, wo sich kein dunstiger Lichtdom über den Häuserschluchten wölbt, ist das Firmament nach Sonnenuntergang mit Samt ausgeschlagen.
Tango hat ja, bei aller Verehrung, die vor allem den großen, zumeist argentinischen Meistern dieser Musik entgegen gebracht wird, doch ein wenig den Ruf einer eher nostalgischen Angelegenheit. Seine goldene Ära liegt irgendwo in verklärten und längst vergangenen Dekaden, im heutigen Musikbetrieb führt er eine Randexistenz, wenn auch eine sehr vitale.
Ein witziger Israeli hat es einmal so beschrieben: Mit Wagners Musik sei es in Israel wie mit Schweinefleisch. Jeder, der wollte, könnte es bekommen, nur reden dürfe man nicht darüber.
Etwas lehrerhaft wirkt es schon, wie Leopold Hager seine Einsätze gibt. Wichtig fährt der ausgestreckte Zeigefinger nach oben, um dann auf einen Spieler niederzufahren: "Mozart, Haffner-Serenade, zweites Menuett!
Bereits kurz nach der Pause die erste Zugabe: Der Meister bittet den Cellisten Olaf Maninger zu sich, um mit ihm einige seiner Lieblings-Inventionen im Duett zu spielen. Die schlichte Polyphonie der kurzen Stücke scheint wie geschaffen für den Dialog zwischen den beiden hoch virtuosen Musikern - eigentlich möchte man sie fortan nur noch in dieser Besetzung hören.
Wie kann das Sinfonieorchester, das Lieblingskind unser Urgroßväter, den Wandel zu einer Institution des 21. Jahrtausends bewältigen?
Fern die Zeiten, als Musiker noch Kunsthandwerker im städtischen Hochzeits- und Begräbnisdienst waren und von der Trompete bis zur Geige so gut wie alle Instrumente beherrschen mussten. Uwe-Martin Haiberg, ehemals Konzertmeister des NDR-Sinfonieorchesters, hat zu Beginn seiner Laufbahn in einem Kurorchester noch Musikergeschichten aus dieser Stadtpfeifer-Ära mitbekommen.
Musterschüler arbeiten vor: Noch bevor Simon Rattle das Lernziel "Alte Musik" ausgab, hatten sich vereinzelte Philharmoniker auf die Reise in den Barock gemacht. Um den Cellisten Götz Teutsch gruppierte sich ein Ensemble, dass nicht einfach auf Darmsaiten loskratzte, sondern stilistische Nachhilfe von Experten in den Kammermusiksaal einlud.
Es war eine gute Stunde. Ein Nachmittag im Sommer 1965.
Der Programmheftautor muss bei den Proben dabeigewesen sein. Er hatte Josef Haydns letzte, verschwenderisch instrumentierte Messe als "Musik zur Party" betitelt und es hätte keine bessere Unterstützung für diese These geben können als die Aufführung des Spätwerks durch den RIAS-Kammerchor und die Akademie für Alte Musik.
In einem der wenigen Interviews, zu denen er sich in den letzten Jahren bewegen ließ, analysierte Giuseppe Sinopoli hellsichtig das Gemeinsame seiner drei scheinbar so disparaten Interessen: "Bei der Medizin, bei der Archäologie und auch bei der Musik geht es eigentlich um das Ausgraben von Menschen." Eine Selbstcharakterisierung, die die innere Triebkraft des Künstlers, Forschers und Arztes Sinopoli verrät.
Die apricotfarbene Krawatte zum dunklen Anzug signalisiert: Hier kommt ein neuer Organisator der herbstlichen Festwochen, der sich in den heiligen Hallen der Klassik zu bewegen weiß, aber keineswegs zu den Wertkonservativen der Branche zählt. Dass der 1959 in Gent geborene Belgier seine Gedanken klar und konzise zu formulieren versteht, mag auch an dem Linguistik- und Informatik-Studium liegen, das er absolvierte, bevor er zur Musik wechselte.
Wie treu sind Stammhörer "ihrem" Veranstalter? Gehen Menschen, die die Komische Oper lieben, auch in die Deutsche Oper, hören BSO-Abonnenten mal beim RIAS-Kammerchor rein?
Auf alten Steinplatten ein Sammelsurium von Kneipentischen und Stühlen. Ihr speckiger Glanz verrät: Hier haben Generationen gesessen.
Jordi Savall, 59, gilt seit über 25 Jahren als einer der wichtigsten Interpreten der Alten Musik. Savall studierte zunächst in seiner Heimatstadt Barcelona Violoncello, wandte sich aber bereits Mitte der sechziger jahre aber bald dem Gambenspiel zu und wurde 1973 zum Gambenprofessor an der Schola Cantorum Basiliensis in Basel ernannt, einem der wichtigsten Zentren für die Wiederentdeckung barocker und vorbarocker Musik.
Zwei Dinge sind es, die den echten Freund der Friedenauer Kammerkonzerte ausmachen: Er begeistert sich für Musik auf historischen Instrumenten in intimem Rahmen und er ist in ständiger Sorge um den Fortbestand seiner geliebten Institution. Fünfzehn Jahre ist es her, dass das Freundespaar Bradford Tracey und Rolf Junghanns - Tastenvirtuosen und Sammler historischer Instrumenter - die Reihe in der Isoldestraße 9 begründete.
Mit den Köchen und dem Brei ist es ja bekanntlich so eine Sache. Irgendwann kommen sich die Löffel ins Gehege.
Krieg schleicht sich eher unbemerkt in die Musik ein. Sie muss nicht "Battaglia" heißen.
Kurios, dass man Michala Petri gelegentlich vor den Angehörigen der Alte-Musik-Szene verteidigen muss. Dabei ist die Blockflöte, auf der die Dänin seit Jahren an der musikalischen Weltspitze brilliert, ganz und gar der Epoche des Barock verpflichtet.
Die Sensation liegt schon im Biografischen: Ein 26-Jähriger als Dirigent der Berliner Philharmoniker, das ist ungefähr so, als ob ein Juso-Kreisvorsitzender plötzlich Bundeskanzler würde und sich Begabung und Engagement mit einem Mal gegen Profi-Routine und mächtige Partikularinteressen durchsetzen müssten. Daniel Harding, Rattle-Entdeckung und Hoffnungsträger der Klassik-Szene, tut unter diesem Gesichtspunkt das einzig Richtige: Er verkleinert den Apparat, den er beherrschen will, und beginnt sein Programm in Kammerorchester-Besetzung.
Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit. Faust, der Gelehrte, gedrungen, kräftig, fast schon kahl und mit der Brille auf der Nase, ist des Zornes voll.
Komponist möchte man nicht sein in diesen Zeiten. Der Fortschritt, der zur Triebfeder der kompositorischen Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts avanciert war, hat seine Verbindlichkeit verloren.
Er klingt etwas billig, der Name dieses Orchesters. Unwillkürlich denkt man an CD-Pressungen aus der Grabbelkiste.
Des einen Pech ist des anderen Glück. Weil Mark Wigglesworth erkrankte, dirigiert Gabriel Feltz das DSO, das er zuletzt 1993 als Dirigentenschüler leitete.
Mit einer "Riesenlust zu spielen" betreten sie die Bühne: Nils Landgren, frisch gekürter Leiter des diesjährigen Jazzfests, und Esbjörn Svensson, der als Pianist nicht nur in Landgrens Funk Unit sitzt, sondern auch mit einem eigenen Trio von sich reden macht. Für ihr Folk-Jazz-Projekt haben sich beide zu einem Duo zusammengetan, das in dieser Kombination äußerst selten ist: Landgren hockt mit seiner rot lackierten Posaune neben Svenssons Flügel.
Don Cherry strahlt. Bombay ist eine funky, funky Stadt, sagt er.
Mit seinem Ensemble Tango Real konnte er in den letzten Jahren schon Erfolge in Buenos Aires und Montevideo feiern. Wenn der Berliner Bandoneonist Paul Raackow jetzt als Solist in der intimen Wohnzimmer-Atmosphäre des Tiergartener Bellevue auftritt, dann nutzt er die entstehenden Freiräume, um seine Kaschemmen-Tangos, Milongas und Salon-Walzer mit jenen lyrisch-amourösen Ergüssen zu garnieren, die Generationen vor allem argentinischer Dichter rund um das Genre schufen.
Wenn es brenzlig wird, greifen kleine Mädchen nach der Hand des Vaters. Daddys Pranke garantiert Schutz und Geborgenheit vor den Zumutungen der Welt.
Kammermusik-Narren, die sich schon ein halbes Jahr auf das Konzert des Auryn-Quartetts gefreut haben, werden vermutlich säuerlich blicken, wenn sie auf den Programmzettel schauen. Denn da kommt dieses großartige Quartett endlich mal wieder nach Berlin, und dann wird ihnen von den knapp bemessenen anderthalb Musikstunden auch noch Zeit abgezwackt.
"Ich will eher ein Pferd eine Arie wiehern hören", hat Friedrich der Große einmal gesagt, "als eine deutsche Primadonna auf der Bühne zu erleben". Der Musikfan unter den preußischen Königen beharrte darauf, dass ausschließlich Italiener in seinem Opernhaus Unter den Linden auftraten.
"Das Werk soll so präsentiert werden", hat Claudio Abbados Wiener Dirigierprofessor Swarowsky immer gesagt, "als würde es zum ersten Mal gespielt, ohne Restspuren des Erlernthabens, neuen Atmens voll." Eine verteufelt anspruchsvolle Forderung, vor allem wenn Beethovens Sinfonien auf dem Notenpult liegen.
Heute und morgen ist wenig los in Berlin. Vielleicht, weil sich auch die Clubs für Silvester etwas schonen möchten.
Die Riesenpakete mit CDs, die auch dieses Jahr wieder ausgepackt werden, müssten eigentlich dazu führen, dass die Unternehmungslust aller Berliner Klassik-Hörer erst einmal eine gute Weile blockiert ist. Würde man einmal zusammenrechnen, wieviel Stunden Musikkonserve allein in Berlin verschenkt werden, käme man sicher auf eine Zahl, die sogar noch die der jährlichen Fehlstunden im Öffentlichen Dienst überträfe.
Der Dokumentarfilm ist das älteste Genre der Filmgeschichte. Schließlich stellten die Väter des Kinos ihre Aufnahmeapparaturen irgendwo auf und filmten irgendein Geschehen, um ihre Erfindung zu erproben.