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Meinung: Berliner Koalition: Willkommen in Wilmersdorf

Die rot-rote Koalition hat es geschafft, der Vertrag steht, die Ressorts sind verteilt, das Personalkarussell schnurrt. Ein kleiner Schritt für die Stadt, aber ein großer Sprung für die PDS.

Die rot-rote Koalition hat es geschafft, der Vertrag steht, die Ressorts sind verteilt, das Personalkarussell schnurrt. Ein kleiner Schritt für die Stadt, aber ein großer Sprung für die PDS. Die Partei des Ostens ist da angekommen, wohin sie immer wollte: im Westen. Sie hat nun das bekommen, was ihr eine Koalition in Mecklenburg-Vorpommern oder das Mitredendürfen in allen Talkshows nie bieten konnte: Anerkennung.

Zum Thema Online Spezial: Rot-Rot in Berlin Umfrage: Soll sich die Berliner PDS für den Mauerbau entschuldigen Das ungeschriebene Hauptziel der PDS war stets, vom Westen respektiert zu werden, ohne dabei allzu viel Vergangenheit aufgeben zu müssen. Darum wird es auch keine Entzauberung durch das Regieren geben, keine rebellische Basis und auch keine öffentliche Enttäuschung wie bei den Grünen. Die PDS hatte nie einen Zauber zu verlieren, nur einen Fluch loszuwerden. Die Grünen wollten aufbrechen und sind bloß angekommen. Die PDS wollte insgeheim nur ankommen und ist nun da.

Zur Enttäuschung wird das Mitregieren nur für diejenigen PDS-Anhänger, die sehr weit links stehen, sehr politisch sind oder gar ehemalige Grünen-Wähler aus dem Westen, die sich an ihrer Partei durch ein Kreuzchen für die PDS rächen wollten. Doch das sind Minderheiten. Das Gros der PDS-Anhänger wollte es dem Westen zeigen. Nun hat es der Westen ihnen gezeigt - und die Arme weit geöffnet.

Wem das immer noch zu wenig ist, der wird in Berlin eine PDS erleben, die den Raum, den ihr das Regieren gibt, bis an den Rand ausfüllt. Vor allem Gregor Gysi dürfte es nicht schwer fallen, in der Konkursmasse Berlin die Diskursmacht an sich zu reißen. Klaus Wowereit gehört zu jenen modernen Politikern, die alles tun, um interessante Debatten zu vermeiden. Er ist ein Dethematisierer, der dem geistigen Leben der Stadt nichts zumutet. Politische Langeweile erscheint ihm keineswegs als Nachteil. Sie ist sein Ziel.

Wer in Berlin gern denkt oder streitet, wer Visionen nicht für eine Krankheit und Charisma nicht für ein Gebrechen hält, wird an Gysi nicht vorbeikommen. Natürlich kann auch er nicht mehr so daherreden wie in den vergangenen Jahren. Doch was er an Esprit verliert, wird er an Relevanz gewinnen. Es könnte so werden, wie es in Hessen einmal war, als ein Umweltminister Fischer den Ministerpräsidenten Eichel zum Verschwinden brachte.

Auch auf Bundesebene wird die PDS nun eine Partei von Gewicht. Im rot-roten Koalitionsvertrag findet sich eine schöne Formulierung: "Wir wissen um die Verpflichtung Berlins gegenüber dem Bund und zu bundesfreundlichem Verhalten." Das klingt gestelzt und verpflichtet zu gar nichts. Die PDS hat sich ihren Einfluss im Bundesrat offenbar von der SPD nicht abkaufen lassen.

Die gewachsene Macht durch demnächst drei Regierungsbeteiligungen in den Ländern muss die PDS nicht schon zu einem denkbaren Partner in einer Bundesregierung machen. Aber sie führt sie ganz nah heran. Die SPD wird täglich jedwede rot-rot-grüne Bundesregierung ausschließen. Nur hat Wowereit vorbildlich gezeigt, wie man zu einer Regierungsbeteiligung der PDS kommt, ohne sich dabei erwischen zu lassen, sie jemals gewollt zu haben. Man verhandelt halt erst mit anderen rum und macht ganz am Ende mit der PDS ernst. Das schwächt Schröders Dementi. Das reicht allemal für einen enormen Machterwartungsgewinn der ehemaligen SED. Man wird sie anders anschauen, mit einer gehörigen, nein ungehörigen Bereitschaft, die Vergangenheit dieser Partei in Formeln einzufrieren, wie jenen aus der Berliner Koalitionspräambel.

Natürlich muss die PDS ihren Preis bezahlen für diesen Erfolg in der Hauptsache, dem Ankommen und Anerkanntwerden. Sie wird nach der Bundestagswahl ihren merkwürdigen Pseudo-Pazifismus abschaffen, weil der den Höhepunkt der Parteiexistenz verhindert: das Mitregieren im Bund. Außerdem muss die PDS nun Abschied nehmen von ihrem wichtigsten Kapital, dem Opfer-Status. Ausgegrenzt zu werden im Namen aller Ostdeuschen, das war immer ihre wirkungsvollste Propaganda. Sie hat die PDS stark gemacht, so stark, dass sie jetzt eben nicht mehr ausgegrenzt wird. Das Spiel ist vorbei.

In einem Punkt, im wichtigsten, dürfte das Schicksal der PDS dem der Grünen allerdings sehr nahe kommen. Diese Republik, diese freie, offene und starke Gesellschaft, wird die PDS mehr verändern als die PDS die Republik. Ernstlich gefährden können sie, das ist doch klar, mit ihren mürben Ressentiments gegen den Westen und ihrem bisschen Sozialismus weder den Staat noch die politische Kultur. Willkommen im Westen, PDS! In spätestens zehn Jahren seid ihr so wie alle. Gysi in fünf.

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