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Ein Plakat in Jerusalem zeigt die junge Mutter Shiri Bibas, die am 7. Oktober 2023 zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Söhnen nach Gaza entführt wurde.

© dpa/AP/Mahmoud Illean/Archiv

Das Schicksal der Familie Bibas: Was dem Kanzler dazu einfällt, ist zu wenig

Yarden, Shiri, Ariel, Kfir: Die unermessliche Brutalität dessen, was ihnen angetan wurde, schmerzt. Die Worte des Kanzlers dazu genügen nicht. Doch die des Linken-Vorsitzenden sind noch viel schlimmer.

Karin Christmann
Ein Kommentar von Karin Christmann

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Nennt ihre Namen: Shiri Silberman Bibas, Ariel Bibas, Kfir Bibas. Schon an dieser denkbar einfachen Aufgabe ist der Bundeskanzler gescheitert. In seiner offiziellen Beileidsbekundung hat Olaf Scholz es fertiggebracht, den Nachnamen von Shiri, der ermordeten Israelin, anders zu buchstabieren, als es weltweit üblich ist. Als käme es nicht drauf an.

Israelin? Sie war auch Deutsche. Wer hätte es gewusst? Seltsam distanziert und nüchtern ist die Botschaft des Kanzlers. „Ich fühle mit allen, die mit dieser schrecklichen Gewissheit umgehen müssen.“ Das klingt nicht, als würden die grausamen Morde auch ihn aufwühlen.

Deutschland hat immer emotionale Distanz zum Schicksal der Verschleppten aufrechterhalten. Dazu passen die Kanzlerworte. Die Straßen waren nur spärlich gefüllt, wenn es darum ging, für die Freilassung der Geiseln zu demonstrieren.

Die Politik hat es sich nie zur klaren Priorität gemacht, alles zu tun, um diese Menschen zu retten. Mit deutschem Geld werden Krankenhäuser finanziert, in denen Geiseln gefangen gehalten wurden. Die Strukturen der vermeintlichen Helfer sind mit denen der Terroristen verwoben.

Das alles empört viel zu wenige Bürgerinnen und Bürger.

„Sei ein Mensch“: Einst erinnerte im Bundestag, beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, Marcel Reif an diese Worte seines Vaters, der aus einem der Züge in Richtung Konzentrationslager gerettet worden war.

Sei ein Mensch.

Wer es ist, der kann nicht anders, als im Herzen zu weinen angesichts all dessen, was Terroristen dieser Familie angetan haben.

Ein Video ist um die Welt gegangen. Es zeigt Baby Kfir. Er liegt auf dem Bauch und strahlt fröhlich in die Kamera, lacht und gluckst. Sein Vater Yarden drückt ihm immer wieder prustende Küsschen auf den Rücken. Ein Moment der Innigkeit.

Ein anderes Video entstand vor vielen Monaten, noch während Yardens Geiselhaft. Terroristen eröffnen ihm, seine Frau und seine Söhne seien tot. Die Bilder seines Zusammenbruchs hat die Mörderbande für ihre Propaganda genutzt.

Am Freitag wurde bekannt, dass Ariel und Kfir mit bloßen Händen ermordet wurden.

Die infame Reaktion des Linken-Spitzenkandidaten

Das Schicksal der vier, die sich liebten, schmerzt – jeden, der ein Mensch ist. Die Reaktion des Kanzlers war zu wenig und deshalb beschämend. Aber sie war bei weitem nicht das Schlimmste, was aus der deutschen Politik zu vernehmen war.

Jan van Aken, Spitzenkandidat der Linkspartei für die Bundestagswahl, schrieb, er wisse nicht, „wie“ die Geiseln ums Leben gekommen seien. Aber er wisse, dass ihre Geiselhaft ein inakzeptables Verbrechen gewesen sei.

Israel hat in den vergangenen Monaten um keine Geiseln so intensiv und kollektiv gebangt wie um die Familie Bibas. Die Gesichter der beiden kleinen Rotschöpfe Ariel und Kfir sind zum Symbol des Kampfes um das Leben der Geiseln geworden. Seit Monaten ließ ein Rätsel eine ganze Nation verzweifeln: Stimmt die Behauptung der Hamas, Shiri und ihre Söhne seien bei einem Luftangriff der israelischen Armee ums Leben gekommen?

Natürlich kennt van Aken diesen Hintergrund. Also ist die naheliegende Art, seine Sätze zu lesen, diese: Vielleicht sind die Verschleppten durch eine israelische Bombe ums Leben gekommen. Und dann ist Israel irgendwie auch ein bisschen selbst schuld.

Das ist infam und, um bei den Gedanken Marcel Reifs zu bleiben: Es ist unmenschlich.

Yarden Bibas wird zum zweiten Mal den schwersten Gang seines Lebens antreten müssen, um den Leichnam seiner Frau entgegenzunehmen. Denn im Sarg, der am Donnerstag übergeben wurde, lag eine andere Tote. Die Hamas hat Leichenteile verwechselt: Dieser Satz trägt unermessliche Brutalität in sich.

Selbst darauf, seine tote Frau eines Tages beerdigen zu können, muss Yarden Bibas wieder hoffen. Grausamkeit und Zynismus kennen kein Ende in der Geschichte dieses Mannes, der nun alleine ist.

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