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Stammt Corona aus dem Labor?: Die Wissenschaft hat Vertrauen verspielt
Jahrelang galt die Laborhypothese zur Entstehung der Corona-Pandemie als unseriös. Doch nun kommen Geheimdienstberichte ans Licht. War die Wissenschaft hier wirklich unvoreingenommen?

Stand:
Wie konnte das passieren? Ein neuartiges Virus stürzt die Welt in eine historische Krise. Gleich zu Beginn der Pandemie kommt der deutsche Geheimdienst zu der Einschätzung, dass das Virus wahrscheinlich aus einem chinesischen Labor stammt. Doch die deutsche Öffentlichkeit erfährt erst fünf Jahre später davon.
Fünf Jahre, nachdem die Menschen im Vertrauen auf wissenschaftliche Fakten die größten Einschränkungen und Zumutungen auf sich genommen haben. Fünf Jahre, in denen Top-Experten wieder und wieder erklärt haben, warum ein Laborunfall zwar nicht ausgeschlossen, aber doch höchst unwahrscheinlich sei. Fünf Jahre, nachdem sich die Gesellschaft im Streit über Sinn und Unsinn der Eindämmungsmaßnahmen fast zerfleischt hat.
Natürlich: Für die Menschen, die am Virus gestorben sind, macht es keinen Unterschied, ob das Unheil direkt aus der Fledermaushöhle kam oder einen Umweg über das Labor nahm. Für die Entscheidung über Lockdown, Impfung und Maskenpflicht hat die Herkunft des Virus nie eine Rolle gespielt.
Wenn es wirklich so ist, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für diese Menschheitskatastrophe verantwortlich sind, dann ist die Ungeheuerlichkeit gedanklich noch immer kaum zu fassen.
Doch wenn es wirklich so ist, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für diese Menschheitskatastrophe verantwortlich sind, dann ist die Ungeheuerlichkeit gedanklich noch immer kaum zu fassen.
Wenn ausgerechnet diejenigen, die doch als besonders klug gelten und uns vor der Gefahr schützen sollten, diese erst freisetzten – was macht das dann mit dem ohnehin fragilen Vertrauen der Menschen? In einer Zeit, in der Forschende oft auch brutal und ganz unsachlich angegriffen werden?
Noch immer kommen an dieser Stelle Einwände: Ein Beweis für den Laborunfall existiere doch weiterhin nicht. Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) hat ja keinen vorgelegt. Die kolportierten unveröffentlichten Dokumente könnten alles oder nichts bedeuten. Es gibt gar keine echte Neuigkeit.
CIA legt sich weiter nicht fest
Doch diese Einwände schmecken zunehmend schal. Schon klar, wenn der BND mit einer Wahrscheinlichkeit von „80 bis 95 Prozent“ davon ausgeht, dass das Virus aus einem chinesischen Labor stammt, dann ist das keine exakte Wissenschaft.
Es ist eine Einschätzung, die fehlerhaft und subjektiv geprägt sein mag. Man weiß es schlicht nicht, mangels Transparenz. Die CIA will sich weiterhin weder in die eine noch die andere Richtung festlegen. Dass ausgerechnet der BND über stärkeres Material verfügen könnte als andere Geheimdienste, scheint unwahrscheinlich.
Es geht nicht nur um chinesische Schlamperei
Nachdenklich macht aber, dass man dem BND von 2020 eher keinen Kulturkampf unterstellen kann, wie er inzwischen um den Pandemierursprung tobt und in den USA Untersuchungsgremien prägt. Die brisanten Schlussfolgerungen des BND waren politisch damals gar nicht erwünscht, sondern wurden ängstlich zurückgehalten.
Es ist verständlich, dass die Verantwortlichen in der damaligen explosiven Lage nicht ohne gesicherte Beweise an die Öffentlichkeit gehen wollten. Aber müssen wir wirklich so viel Angst vor China haben, dass man nicht einmal das Parlamentarische Kontrollgremium informieren und die besten Fachleute einweihen konnte?

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Auch die Wissenschaft hat Schaden genommen, und das gleich zweifach. Erstens durch die bloße Möglichkeit, dass eine solche Katastrophe ganz offensichtlich prinzipiell möglich ist. Dabei geht es nicht nur um chinesische Schlamperei, sondern um ein international finanziertes Feld virologischer Forschung, mögen die Absichten auch noch so redlich gewesen sein.
Die nächste Pandemie kommt bestimmt
Zweitens durch die Art, wie Forschende zumindest in der Anfangszeit den Verdacht eines Laborunfalls als Verschwörungstheorie diskreditiert und Andersdenkende teilweise verunglimpft haben. Das änderte sich zwar ab 2021, doch der Eindruck bleibt, dass mit weit größerer Energie Puzzlesteine für einen natürlichen Ursprung zusammengetragen wurden als für die gefürchtete Theorie.
Dabei gab es aber immer einen Interessenkonflikt, ging es doch um einen gigantischen Ansehensverlust der eigenen Zunft. Dass dieser nicht deutlicher thematisiert wurde, müssen sich auch Wissenschaftsjournalisten vorwerfen lassen.
Auch wenn es einen echten Beweis nie geben mag – eine aufrichtige Aufarbeitung und Transparenz wäre nun das Mindeste, um den Schaden zu begrenzen. Was steht in den BND-Unterlagen? Es wird mühsam genug sein, das Vertrauen nicht vollends zu verspielen. Dabei sollten wir nicht vergessen: Die nächste Pandemie kommt bestimmt, auch ohne Laborunfall.
Dann werden wir vermutlich schlechter vorbereitet sein als je zuvor. Denn dann mangelt es an der wichtigsten Zutat zur Pandemiebekämpfung – Vertrauen in Wissenschaft, Regierende und ihre Institutionen.
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