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Trump hat die Friedensverträge verhandelt, die Israels Staatschef Netanjahu 2020 fast serienweise einsammeln konnte (Archivfoto von 2017).

© Ronen Zvulun/Reuters

Trump, Netanjahu und Orban: Dieses Dreigespann lässt Übles ahnen

Sie reden ähnlich, wettern gegen einen „tiefen Staat“, das „Establishment“ und „linke Medien“. Unter ihren Augen gedeihen Antisemitismus und Rassismus völlig ungestört.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es gab einmal eine Zeit, in der israelische Regierungsvertreter jede Form von Antisemitismus weltweit verurteilten. Auch rassistische und antimuslimische Ressentiments wurden kritisiert. Sehr hellhörig war man außerdem, wenn Verschwörungsmythen verbreitet wurden, die an die „Protokolle der Weisen von Zion“ erinnern.

Nun wurde Benjamin Netanjahu wiedergewählt, der das Land voraussichtlich mit einer rechtsradikalen Koalition regieren wird. Im Geiste vereint ist Netanjahu mit Donald Trump und Viktor Orban. Unter den  Augen dieses Dreigespanns können Rassisten und Antisemiten ihre Botschaften verbreiten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Sie sei die beste Freundin Israels, sagt etwa Marjorie Taylor Greene. Sie ist Republikanerin und vertritt den US-Bundesstaat Georgia im Repräsentantenhaus. Für die Waldbrände in Kalifornien 2018 macht sie die jüdische Bankiersfamilie Rothschild verantwortlich. Den Holocaust-Überlebenden, Philanthropen und Milliardär George Soros beschuldigt sie, mit Nazis zusammenzuarbeiten. Die Aufforderung, sich gegen Corona impfen zu lassen, vergleicht sie mit dem Tragen des „Judensterns“, über den amtierenden Präsidenten schreibt sie: „Joe Biden ist Hitler“ und „Nazijoe muss gehen“.

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Den rechtsradikalen „Proud Boys“ empfahl Trump, sich bereit zu halten

Er sei der beste Freund Israels, sagt auch Donald Trump, der Ex-Präsident. Gerne zählt er die entsprechenden Leistungen aus seiner Amtszeit auf: Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran, Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, Anerkennung der israelischen Souveränität über die Golanhöhen, Akzeptanz des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten.

Als aber Neonazis mit Hakenkreuzfahnen 2017 durch Charlottesville, Virginia, zogen und antisemitische Parolen skandierten, meinte er in einer ersten Reaktion, es seien „sehr anständige Menschen“ darunter. Vor dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 empfahl er den rechtsradikalen „Proud Boys“, sich bereit zu halten.

Ungarns Premier, Viktor Orban, am Donnerstag auf der CPAC in Dallas, Texas.
Ungarns Premier, Viktor Orban, am Donnerstag auf der CPAC in Dallas, Texas.

© Go Nakamura, Reuters

Wie geht das zusammen? Lange Zeit gab es den Irrglauben, wer auf Seiten Israels stehe, könne kein Antisemit sein. Viele europäische Rechtspopulisten – von Orban über Geert Wilders bis Matteo Salvini – versuchen, sich durch ein demonstratives Israel-Unterstützungs-Bekenntnis vom Vorwurf des Antisemitismus reinzuwaschen. Moderner rechter Antisemitismus äußere sich oft als extremer Philosemitismus, schreibt Jonathan Chait in der Zeitung „The Intelligencer“ unter der Überschrift „The Strange Anti-Semitism of the Pro-Jewish Right“.

Xenophobie unter dem Deckmantel glühender Unterstützung für Israel

Avraham Burg, der ehemalige Sprecher des israelischen Parlaments, der Knesset, beschreibt in der Zeitung „Haaretz“ eine Form des Antisemitismus, „die ihre Xenophobie und ihren Hass auf Einwanderer“ unter dem Deckmantel glühender Unterstützung für Israel verberge. „Es ist der Antisemitismus von Faschisten und Neonazis, die Israel ,lieben‘.

Netanjahu, der Sieger der jüngsten Parlamentswahlen, war stets darauf bedacht, zu Trump und europäischen Rechtspopulisten ein gutes Verhältnis zu entwickeln. Wie diese wettert er gegen einen „tiefen Staat“, die Hetzjagden einer „linken Presse“, gegen „globalists“ und politisch motivierte Anklagen. Da schwingen Verschwörungsmythen mit, vieles zeugt von einer Verachtung staatlicher Institutionen.

So wird geduldet, was nicht zu dulden ist

Trump, Netanjahu, Orban: Gemeinsam für ein Groß-Israel, gegen das linksliberale Establishment, gegen George Soros, gegen illoyale Bürger. Diesen Kampf zu führen, ist ihnen wichtiger, als Antisemiten und Rassisten in den eigenen Reihen zu kritisieren. Denn das würde die Geschlossenheit gefährden.

Kritik an Marjorie Taylor Greene? Das könnte die Republikaner schwächen. Kritik an der antisemitischen Anti-Soros-Kampagne? Das wäre bei allen Rechten höchst unpopulär. So wird geduldet, was nicht zu dulden ist.

Dabei spielen natürlich auch strategische Motive eine Rolle. Trump etwa umgarnt konservative Evangelikale, damit sie ihm weiter treu ergeben bleiben, und er will die enge Verbindung vieler amerikanischer Juden mit der Demokratischen Partei sprengen.

Ein Topos der antisemitischen Ideologie kreist um eine vermeintlich übergroße Macht von Juden. Wer ihn teilt, sieht sich vor die Wahl gestellt, entweder Juden zu bekämpfen, um diese imaginierte Macht zu brechen, oder sie zu umarmen, um an dieser imaginierten Macht teilzuhaben. Beiden Reaktionsweisen liegen ähnliche Vorurteile zugrunde.

Trump, Orban, Wilders und Salvini tendieren zur zweiten Variante. Netanjahu freut das. Aus falschen Gründen umarmt zu werden, ist ihm lieber, als aus richtigen Gründen in der Kritik zu stehen. Das ist verständlich – und doch auch traurig.

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