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PORTRÄT SIGMAR GABRIEL SPD-VORSITZENDER:: „Wir brauchen mehr sozialen Patriotismus“

Dieser Mann hat keine Chance. Und er schickt sich an, wenigstens diese zu nutzen.

Stand:

Dieser Mann hat keine Chance. Und er schickt sich an, wenigstens diese zu nutzen. Sigmar Gabriel, SPD-Chef und Mitglied der sozialdemokratischen Kanzlerkandidatenfindungs-Troika, gilt als der Mann mit den wenigsten Erfolgsaussichten im Kampf um die Spitzenkandidatur der SPD für die Bundestagswahl 2013. Bis Februar will sich die Partei Zeit lassen, ehe ihr Kandidat offiziell ernannt werden soll, damit der bei einer möglichen Wahlniederlage zuvor in Niedersachsen nicht gleich die erste dicke Schramme abbekommt.

Derzeit werden Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier die besten Chancen zugesprochen. Er gilt vielen Genossen als idealer Kompromiss, weil der Dritte im Bunde, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, in der Partei nicht wohlgelitten ist und sich auch in den Umfragen nicht so deutlich von Steinmeier absetzen kann, dass an ihm kein Weg vorbeiführen würde.

Gabriel wiederum liegt in diesen Umfragen abgeschlagen dahinter. Aber in der Partei hat er sich mittlerweile als Vorsitzender ein gutes Standing erarbeitet. Und das vor allem mit einem Argument. „Er trifft unseren Nerv“, sagen viele Sozialdemokraten. Und genau diese Karte spielt er. Vielleicht will er seine Partei verführen, ihr Herz erobern, auch wenn am Ende wohl der Verstand bei den Sozialdemokraten in Form von Steinmeier obsiegen könnte. Aber er festigt damit seine Position.

Für Gabriels Verhältnisse arbeitet er derzeit konstant daran, den sozialdemokratischen Lieblingsbegriff der „Sozialen Gerechtigkeit“ von seiner Inhaltsleere zu befreien und etwas aufzupeppen. Erst hat er die Banken gescholten für ihren maßgeblichen Beitrag zur Krise, dann hat er sich mit den Intellektuellen Jürgen Habermas, Julian Nida-Rümelin und Peter Bofinger zusammengesetzt und die drei gebeten, den Anstoß zur Programmdebatte zu liefern, in der es auch um die Verantwortung des Finanzmarktes geht. Anschließend verbündet er sich mit einem Aktionsbündnis und fordert eine andere Lastenverteilung in Deutschland, um es am Ende auf die Formel zu bringen: „Wir brauchen mehr sozialen Patriotismus in Deutschland.“

Das ist, da haben seine Kritiker recht, populistisch. Aber es ist auch populär – insbesondere in seiner eigenen Partei. Der Trend im Rennen um die Kanzlerkandidatur mag derzeit nicht Gabriels Genosse sein. Aber bis Februar ist noch viel Zeit. Und zu verlieren hat der SPD-Chef nichts. Christian Tretbar

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