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Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk.

© imago/epd/Christian Ditsch

UN-Hochkommissar für Menschenrechte: „Wir werden Trump an die Verpflichtungen der USA erinnern“

Volker Türk ist bei der UN der Mann für Menschenrechte. Im Gespräch erklärt er, wie eine Zusammenarbeit mit Trump aussehen kann und ob Putin und Assad jemals zur Rechenschaft gezogen werden.

Von Jan Dirk Herbermann

Stand:

Herr Türk, ist der künftige US-Präsident Donald Trump eine Gefahr für die Menschenrechte?
Volker Türk: Es ist wichtig, die Einhaltung der Menschenrechte nicht auf eine Person oder einen Amtsinhaber zu reduzieren. Jede Wählerin und Wähler, ganz gleich wo, tun gut daran, politische Programme aus dem Blickwinkel der Menschenrechte sich anzusehen.

Wenn beispielsweise Minderheiten oder Ausländerinnen ausgegrenzt oder verteufelt werden, dann sollte das Sorgen bereiten. Wir wissen, dass dies dort nicht Halt macht, sondern jede und jeder der nächste sein kann.

Werden Sie versuchen, mit der Trump-Regierung zu kooperieren?
Mein Amt wird den Dialog und die Zusammenarbeit mit der zweiten Trump-Administration suchen. Das haben wir auch in seiner ersten Amtszeit gemacht. Und wir werden die neue Regierung in Washington daran erinnern, dass es auch für die USA internationale Verpflichtungen gibt, etwa im Bereich der Migration oder der Todesstrafe. Wir sollten abwarten, wie die neue Administration tatsächlich regiert.

In der Ukraine, in Nahost, Syrien, Sudan, Myanmar und anderen Konflikten verüben reguläre Truppen und Milizen massenhaft Kriegsverbrechen. Werden die Grausamkeiten in Konflikten zur neuen globalen Normalität?
Das befürchte ich, und es wäre sehr schlimm. Die Menschenrechte sind auch weltweit 2024 unter extremen Druck geraten. Schon 2023 sah es wirklich schlecht aus.

Die bewaffneten Konflikte werden begleitet von hasserfüllter, spaltender und entmenschlichender Rhetorik.

Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte

Welcher Trend fällt Ihnen besonders auf?
Das Ausmaß, in dem Kriegsparteien mit völliger Verachtung für die Zivilbevölkerung rohe Gewalt anwenden, ist entsetzlich. Auf Kinder wird geschossen, etwa in der Ukraine. Geiseln werden festgehalten und Schulen bombardiert, etwa im Gaza-Streifen. Frauen und Mädchen werden von Milizen vergewaltigt, etwa im Sudan. Schwere Artillerie wird auf ganze Gemeinden abgefeuert, etwa in Myanmar.

Die von meinem Büro gesammelten Daten zeigen, dass die Zahl der zivilen Todesopfer in bewaffneten Konflikten schon im Jahr 2023 beträchtlich gestiegen ist – um ganze 72 Prozent. Es ist zu befürchten, dass die Zahl 2024 weiter angewachsen ist. All das wird begleitet von hasserfüllter, spaltender und entmenschlichender Rhetorik.

Nur wenige mutmaßliche Kriegsverbrecher müssen sich vor Gericht verantworten. Warum ist die Straffreiheit für Täter so gefährlich?
Kein Täter darf sich sicher fühlen, und keiner darf ungeschoren davonkommen. Es geht um Gerechtigkeit für die Opfer sowie ihre Hinterbliebenen, zudem müssen potenzielle Täter abgeschreckt werden. Deshalb poche ich auf Verantwortung und Strafverfolgung. Auch wenn dies viel später erfolgt, ist die positive Signalwirkung – auch Opfern gegenüber - sehr stark.

Südafrika, einige UN-Offizielle und Menschenrechtsaktivisten beschuldigen Israel, einen Völkermord an den Palästinensern zu verüben. Sie fordern eine Bestrafung der Täter. Was sagen Sie?
Die Frage, ob es sich im Gaza-Streifen – oder anderswo - um einen Genozid handelt oder nicht, muss ein kompetentes Gericht entscheiden. Derzeit macht das der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Es liegt auch in der Kompetenz des Internationalen Strafgerichtshofs, dieser Frage nachzugehen, falls der Hauptankläger die nötigen Beweise dazu sammelt. Wir müssen auf die vermehrten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen im Nahost-Konflikt, auf allen Seiten, hinweisen.

In einem Report berichtete Türk kürzlich über die Auswirkungen der israelischen Angriffe im Gaza-Streifen.

© AFP/OMAR AL-QATTAA

Sie haben unlängst einen neuen Report über den Gaza-Streifen veröffentlicht.
Der jüngste Bericht meines Amtes beschreibt die Zerstörung des Gesundheitssystems im Gaza-Streifen und das Ausmaß der Tötung von Patienten, Personal und anderen Zivilisten bei Angriffen der Israelis. Es geht auch um schwere Vorwürfe gegen Hamas zur Missachtung von Spitälern. Allen solchen eklatanten Missachtungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte muss gründlich nachgegangen werden.

Der Präsident Russlands und mutmaßliche Kriegsverbrecher Wladimir Putin gewährt dem Ex-Herrscher Syriens und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Baschar al-Assad Unterschlupf. Beide haben den Tod Hunderttausender Menschen zu verantworten. Wie frustrierend ist die Allianz der Täter?
Diese Art von gegenseitiger Hilfe hat es in der Geschichte bedauerlicherweise schon oft gegeben. Dass Russland den Ex-Verbündeten Assad zur Zeit vor der Strafverfolgung schützt, ist sicher ein besonders bestürzender Fall.

Ein wiederaufgebautes Justizwesen in Syrien stellt auch eine Möglichkeit dar, Assad zur Rechenschaft zu ziehen.

Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte

Werden Putin und Assad jemals für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen?
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat ja einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten erlassen und französische Behörden haben einen internationalen Haftbefehl gegen Assad ausgestellt. Ein wiederaufgebautes Justizwesen in Syrien stellt auch eine Möglichkeit dar. Und eine neue syrische Regierung könnte die Gerichtsbarkeit des internationalen Strafgerichtshofs zu den Verbrechen des letzten Jahrzehnts dort anerkennen.

Haftbefehle allein reichen aber nicht aus.
Das stimmt. Was heute unmöglich erscheint, kann morgen doch passieren. Wir haben das in Deutschland und Österreich nach der Hitler-Diktatur erlebt. Führende Nazis wie der Mit-Organisator des Völkermordes an den Juden, Adolf Eichmann, oder der sogenannte Schlächter von Lyon, Gestapo-Mann Klaus Barbie, schafften es zwar, sich jahrelang vor der Justiz zu verstecken. Letztlich mussten sich Eichmann, Barbie und andere doch vor Gericht für ihre Verbrechen verantworten und wurden verurteilt.

In Kambodscha, kamen manche Rote-Khmer-Anführer Jahrzehnte später vor Gericht. Und es werden noch heute Täter des Völkermords in Ruanda vor nationalen Gerichten zur Verantwortung gezogen.

Es scheint so, dass westliche Regierungen beide Augen zudrücken, wenn es um die terroristische Vergangenheit der neuen syrischen Führung unter der Miliz Hayat Tahrir al-Scham (HTS) geht. Ist das pragmatisch oder zynisch?
Zunächst einmal bin ich wirklich froh, dass die menschenrechtsverachtende Assad-Herrschaft in Syrien beendet ist. Es darf jedoch keine Ausnahmen bei der Verfolgung von Verbrechen geben, egal ob das Assad-Regime oder eine andere Partei dafür verantwortlich ist.

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