
© dpa/Carsten Koall
Abschied einer Ungeliebten: Saskia Esken tritt als SPD-Chefin nicht wieder an
Nun ist es raus: Saskia Esken zieht sich zurück – und moniert Frauenfeindlichkeit in der Politik. Es ist ein Abschied, über den die SPD noch zu diskutieren haben wird.
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Am Ende, nach Monaten des Getriebenwerdens, der harten und immer härteren Kritik, wählt sie den Moment des Abschieds selbst. Am Sonntagabend ist Saskia Esken live zu Gast im „Bericht aus Berlin“ der ARD und verkündet: „Es war mir eine große Freude. Ich gebe jetzt mein Parteivorsitzendenamt auf und mache Platz für die Erneuerung.“
„Vielen Dank bis hier“, sagt Moderatorin Anna Engelke, dann folgt ein Video-Einspieler. Der Rückblick auf Eskens Karriere, sauber durcherzählt. An diesem Auftritt ist nichts spontan.
Esken erspart sich selbst und ihrer Partei eine unwürdige Debatte. Wohl auch weil sie eingesehen hat, dass es für sie nichts mehr zu gewinnen gibt, dass ihre Partei sie nicht noch einmal an die Spitze wählen wird.
Sie sagt Sätze, über die die SPD noch zu diskutieren haben wird: „Ich glaube, dass Frauen in der Politik insgesamt anders beurteilt werden und auch härter und kritischer betrachtet werden als Männer, dass wir in einem hohen Maße auch männlich geprägten Rollenklischees genügen sollen. Da müssen wir uns als Frauen auch dagegen verwahren.“
War Esken eine schlechte Parteivorsitzende, ganz unabhängig davon, dass sie eine Frau ist? Oder wurden ihre Schwächen überzeichnet und wurde sie auf unfaire Art kritisiert, weil sie in ihrem Auftreten klischeehaften Ansprüchen an Frauen nicht entspricht? An diesen Fragen hat sich die SPD in den vergangenen Monaten gerieben.
Sie sind nun einerseits ein Fall für die Geschichtsbücher. Andererseits aber auch höchst aktuell. Denn während Esken gehen muss, hat ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil seine Macht ausgebaut, wie es in der SPD lange niemandem mehr geglückt ist.
Die Kritik an Klingbeil ist deutlich vernehmbar
Er ist jetzt Parteichef, Finanzminister, Vize-Kanzler und hat das Kabinett mit einigen alten Vertrauten besetzt, die ihm für den Karrieresprung dankbar sein können. Klingbeil hat jetzt alles, ihr bleibt in den kommenden vier Jahren die Arbeit als einfache Bundestagsabgeordnete.
Eine Frage wird sein, ob Eskens Rückzug die Kritik an Klingbeil und seiner Machtfülle befeuert. Diese Kritik war am Wochenende auf dem Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen schon deutlich zu vernehmen. Die Jusos in Schleswig-Holstein fordern, Parteivorsitz von Ministerämtern zu trennen.
Es war mir eine große Freude. Ich gebe jetzt mein Parteivorsitzendenamt auf und mache Platz für die Erneuerung.
Saskia Esken, scheidende SPD-Vorsitzende
Aber es waren eben auch nicht nur Männer, die Esken kritisiert hätten. Auch prominente und halbprominente Genossinnen waren höchst unzufrieden mit der Arbeit der Vorsitzenden. Im Kern der Kritik: das ungelenke Auftreten, die Erkenntnis, dass eine Vorsitzende Saskia Esken wenig zur Erweiterung des Wählerpotentials beiträgt. Oder dieses Potenzial sogar aktiv verkleinert.
Deutschen Polizisten warf sie latenten Rassismus vor. Nach dem islamistischen Anschlag von Solingen sagte sie, aus dem Geschehen lasse sich nicht allzu viel lernen. Und wo sie sich in einer Talkshow keinen groben Patzer leistete, war ihr Auftreten dennoch weder eloquent noch rhetorisch mitreißend.
Am Ende meldete sich Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange zu Wort, derzeit in der Kritik wegen der Entlassung ihres Verfassungsschutzchefs. Sie forderte ein Talkshow-Verbot für Esken.
Ich glaube, dass Frauen in der Politik insgesamt anders beurteilt werden und auch härter und kritischer betrachtet werden als Männer.
Saskia Esken, scheidende SPD-Vorsitzende
Und irgendwann war die Frage, ob jetzt eigentlich jeder noch einmal nachtreten darf. Sascha Binder, Generalsekretär der SPD in Eskens eigenem Landesverband Baden-Württemberg, sagte, er gebe der Vorsitzenden recht, dass vier der sieben SPD-Kabinettsposten an Frauen gehen sollten. „Aber dann geht es danach, wer sind die vier Besten? Und darunter sehe ich Saskia Esken nicht.“
Sie hatte am Ende nur noch sehr wenig Fürsprecher. Die Jusos gehörten noch am ehesten dazu. Deren Chef Philipp Türmer sagte nun dem Tagesspiegel, Eskens Einsatz habe immer der Sache gegolten, nie dem eigenen Ego. Sie beweise eine Größe und ein Verantwortungsbewusstsein, „das ich mir von manchen ihrer Kritiker in den letzten Wochen gewünscht hätte“.
Esken sagt in der ARD, sie wolle Platz machen für jüngere Frauen. Und sie sagt, sie habe mit Lars Klingbeil immer eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Noch so eine Frage, über die sich Parteihistoriker streiten mögen.
Nun ist der Weg frei für andere. Zum Beispiel für Bärbel Bas, frisch ernannte Arbeits- und Sozialministerin. Sie gilt als Favoritin für die Nachfolge und hat sich eine Kandidatur zuletzt offengehalten. Ende Juni wird auf einem Parteitag gewählt.
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