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Nach erneuten Drohnensichtungen fielen am Flughafen München am Freitagabend und in der Nacht zum Samstag erneut Flüge aus, Hundert Reisende mussten im Airport übernachten.

© IMAGO/onw-images/IMAGO/Enrique Kaczor

Abschießen statt abwarten?: Deutschland im Drohnen-Dilemma

Erneut haben Drohnen den Flughafen München lahmgelegt. Das erhöht den Druck auf die Bundesregierung, eine wirksame Drohnenabwehr zu organisieren. Söder will „abschießen statt abwarten“

Stand:

An zwei Tagen hinter einander wurde der Betrieb am Münchner Flughafen vorübergehend eingestellt, nachdem Drohnen gesichtet worden waren. Am Donnerstag und am Freitag, jeweils abends, konnten Flugzeuge weder starten noch landen, wurden umgeleitet. Für den gesamten Samstag waren „Verzögerungen im Betriebsablauf“ angekündigt.

Die Drohnen-Sichtungen in München, anderen Orten in Deutschland und Europa verunsichern die Bevölkerung, beeinträchtigen die sogenannte kritische Infrastruktur. Es ist nicht nachgewiesen, aber gut möglich, dass Russland – wie Anfang September in Polen – dahinter steckt, den Luftraum von Nato-Staaten also verletzt. An der Nato-Ostflanke hat Moskau dies bereits mehrfach getan.

Als Wladimir Putin jüngst gefragt wurde, warum er so viele Drohnen gen Dänemark sende, sagte Russlands Präsident: „Ich werde es nicht mehr tun ...“ Sodann verglich er die gesichteten Drohnen mit früheren Berichten über UFOs und spottete über „so viele Sonderlinge“ in Europa.

Ich bin sicher: Nicht jede Drohne steuert der Kreml – aber jede einzelne spielt Putin in die Karten.

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen

All die gesichteten Drohnen passen in die Analyse einer hybriden Kriegsführung Putins gegen den Westen. „Ich bin sicher: Nicht jede Drohne steuert der Kreml – aber jede einzelne spielt Putin in die Karten“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).

Die jüngsten Drohnen-Vorfälle dürften zu einer bemerkenswerten Aussage des Kanzlers geführt haben. „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden“, sagte Friedrich Merz (CDU) am Montag. 

Kleines Gerät, große Wirkung

So klein, billig und technisch simpel die Drohnen sind, so enorm sind ihre potenziellen Auswirkungen: Flughäfen unterbrechen ihren Betrieb, (Zehn-)Tausende Menschen sind unmittelbar betroffen, und dies wiederum schürt Ängste in der Bevölkerung. „Abschießen statt abwarten“, verlangt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der „Bild“-Zeitung.

Doch ganz so einfach ist es eben nicht. Oft sind kleine, sich langsam bewegen Drohnen mit einem klassischen Radar gar nicht zu sehen. Ein Abschuss birgt weitere Gefahren. Herabstürzende Trümmerteile können Menschen treffen, sagte Verena Jackson von der Bundeswehr-Universität München im Tagesspiegel-Interview. Außerdem sei oft nicht abzuschätzen, ob die Drohne Sprengstoff geladen habe.

„Jamming“ mit Störsignal

Eine technische Möglichkeit, Drohnen manövrierunfähig zu machen, ist das sogenannte „Jamming“: Störsignale lassen die Funkverbindung von der Basisstation zur Drohne abreißen. Im besten Falle gehen die Drohnen sodann zu Boden, landen ohne einen Schaden anzurichten.

Laserwaffe „Eiserner Strahl“

Die israelische Laserwaffe „Iron Beam“ (Eiserner Strahl) gilt als günstige und präzise Methode, um Drohnen unschädlich zu machen. Israel hat erst jüngst nach Angaben seines Verteidigungsministeriums den Bau dieser Laser-Abwehrwaffe erfolgreich abgeschlossen. Tests über mehrere Wochen hätten ergeben, dass das System Raketen, Mörsergranaten, Luftfahrzeuge und Drohnen in verschiedenen Einsatzszenarien zuverlässig abfangen könne, hieß es in der Mitteilung. 

Die ersten Systeme sollten bis Ende des Jahres mit in die israelische Luftabwehr aufgenommen werden. Das bodengestützte Laser-Luftabwehrsystem könne dank präziser Zieltechnik und hoher Effizienz Bedrohungen schnell neutralisieren.

Teurer Abschuss durch eine Rakete

Der klassische Abschuss von Drohnen durch Raketen hingegen gilt als extrem aufwändig. So besitzt die Bundeswehr inzwischen die Flugabwehrrakete IRIS-T SLM, die etwa vom Eurofighter abgeschossen werden kann. Doch jede einzelne Rakete kostet geschätzt zwischen einer viertel und einer guten halben Million Euro. Und das für eine Drohne, die vielleicht 200 Euro gekostet haben mag?

Hinzu kommt wohl auch hier das Problem, dass sehr kleine Drohnen aus Entfernung womöglich nicht vom Radarsystem erfasst werden.  

Abfang mit Netz

Erst kürzlich testete die Bundeswehr die Abfangdrohne des deutschen Unternehmens Argus Interception, die potenziell feindliche Drohnen mit einem Netz einfangen kann. Diese Abfangdrohnen könnte theoretisch auch die Bundespolizei erwerben, handelt es sich um ein Objekt zur Gefahrenabwehr, keine Kriegswaffe.

Dem Einsatz der Bundeswehr im Innern sind in Deutschland hohe Hürden gesetzt. Die Erklärung des Verteidigungsfalls (wie des niederschwelligeren Spannungsfalls) setzt eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag voraus. Die schwarz-rote Koalition wäre also auf Grüne und Linke oder sogar auf Stimmen der AfD angewiesen.

„Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt“, heißt es im Grundgesetz. Dabei handelt es sich um Notfälle wie den Katastrophenschutz, wo die Bundeswehr auf Anforderung der Länder etwa im Rahmen der Amtshilfe unterstützen kann.

Der Drohnenabschuss liegt daher bislang in den Händen der Polizei, nicht der Bundeswehr. CSU-Chef Söder mahnt eine Änderung des Flugsicherheitsgesetzes an, was sich schon die Ampel-Koalition vorgenommen hatte, was aber durch ihren vorzeitigen Bruch misslang.

„Ich will im Luftsicherheitsgesetz festschreiben, dass die Bundeswehr der Polizei im Inneren Amtshilfe leisten darf – gerade bei Drohnenabwehr-Einsätzen“, sagte jüngst auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) der „Rheinischen Post“. Die Debatte um mehr Befugnisse der Bundeswehr hat gerade erst begonnen – just während sich die Koalitionspartner streiten, ob die Wehrpflicht nicht doch kommen soll.

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