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Gegen Widerstand von AfD und BSW: Bundestag beschließt verstärkten Schutz des Verfassungsgerichts
Das höchste deutsche Gericht soll strukturell krisenfester gemacht werden, darauf haben sich verschiedene Fraktionen geeinigt. Nun wurde im Bundestag abgestimmt.
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Der Bundestag hat am Donnerstag für eine Reform des Bundesverfassungsgerichts gestimmt. Bei der Reform geht es im Kern darum, Regeln, die das Bundesverfassungsgericht betreffen, im Grundgesetz zu verankern. Künftig wäre es damit schwieriger, Strukturen zu ändern. 600 Abgeordnete stimmten für die Änderung, insgesamt hat das Parlament 733 Abgeordnete.
Für Grundgesetzänderungen war eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag notwendig. Die Union hatte ihre Unterstützung für das Vorhaben zugesagt. Der Bundesrat muss dem Gesetz, das die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Gerichts auch in politisch stürmischen Zeiten sicherstellen soll, noch zustimmen. Das könnte in der Sitzung der Länderkammer am Freitag passieren.
Bei der ersten Beratung im Oktober hatte sich einzig die AfD gegen die von SPD, Grünen, FDP und Union gemeinsam vorgelegten Pläne ausgesprochen.
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Wer stimmte wie ab?
Nun votierten in der namentlichen Abstimmung 69 Abgeordnete gegen die Änderung. Bei SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP stimmten alle teilnehmenden Abgeordneten mit Ja. Geschlossen mit Nein stimmte das BSW, bei der AfD nur der Abgeordnete Dietmar Friedhoff mit Ja, der Rest dagegen.
In der Debatte erklärte Ex-Justizminister Marco Buschmann (FDP), mit dem Gesetz solle der Rechtsstaat vor Angriffen wie in Polen oder Ungarn geschützt werden. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, es gelte, das Erfolgsmodell abzusichern, damit die Feinde der Demokratie im Ernstfall kein Einfallstor hätten.
Der Rechtsstaat sei „die innerste Bastion unserer Demokratie“, sagte Faeser. „Wenn Autokraten an die Macht kommen, wenden sie sich fast immer als Erstes gegen die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Justiz.“

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Die SPD-Politikerin erinnerte an die gescheiterte Weimarer Demokratie. Sie sagte, dies sei damals ein Scheitern gewesen, „das nicht zuletzt ein Scheitern der Demokratinnen und Demokraten war, weil sie es versäumt haben, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, um ihre Demokratie zu schützen und zu verteidigen, weil sie ihre Institutionen nicht robust gegen Angriffe aufgestellt haben“.
Änderungen künftig nur noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit
Unter anderem die zwölfjährige Amtszeit der Richter, der Ausschluss einer Wiederwahl sowie die Altersgrenze der Richter von 68 Jahren sollen im Grundgesetz verankert werden. Bisher ist das im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt, das mit einfacher Mehrheit geändert werden könnte, anders als das Grundgesetz. Hier ist immer eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich.
Ins Grundgesetz soll auch die Festlegung auf 16 Richter und zwei Senate. Damit die Arbeitsfähigkeit des Gerichts in keinem Fall gefährdet ist, soll im Grundgesetz künftig außerdem stehen, dass ein Richter seine Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführt.
Das Gleiche gilt für die Geschäftsordnungsautonomie des Bundesverfassungsgerichts. Um für den Fall einer Sperrminorität bei der Richterwahl gewappnet zu sein, soll ein Ersatzwahlmechanismus eingeführt werden. Falls keine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt, soll das Wahlrecht vom Bundestag auf den Bundesrat übergehen und umgekehrt. Das soll eine dauerhafte Blockade verhindern.
Die Details zu dieser neu geschaffenen Möglichkeit haben die Initiatoren der Reform ins Bundesverfassungsgerichtsgesetz eingefügt, über das am Donnerstag getrennt abgestimmt wurde. Auch hier stimmte eine große Mehrheit für den Entwurf.
„Dann gehe ich bis nach Karlsruhe“
Der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling (CDU), sagte, das Bundesverfassungsgericht sei eine anerkannte Institution, die sich bewährt habe. „Dann gehe ich bis nach Karlsruhe“, sei zu einem geflügelten Wort geworden.
Konstantin von Notz (Grüne) attackierte in seiner Rede über die Ziele der Reform AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Ihre Russland-Nähe ist unerträglich“, rief er den Abgeordneten der AfD-Fraktion zu. Stephan Brandner (AfD) kritisierte das Gesetzvorhaben und sprach von einem „Altparteienkartell“.
Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, warnt in ihrer voraussichtlich letzten Bundestagsrede: „Die Justiz steht im Feuer der Antidemokraten.“ Ohne ein starkes Verfassungsgericht drohe eine „Diktatur der Mehrheit“, sagt die Grünen-Politikerin. (dpa/KNA/AFP)
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