zum Hauptinhalt
Coronavirus in New York: Warten auf den Test

© Reuters/Stefan Jeremiah

Brennpunkt der Coronakrise in den USA: Albtraum New York

Der Großraum New York hat die Hälfte aller Infizierten der USA. Neue Daten verraten, wie das Virus ins Land kam und wie es sich dort ausbreitet. Eine Analyse.

Wir befinden uns im Jahre 2020 n. Chr. Die ganzen USA sind sind von Corona besetzt ... Die ganzen USA? Nein! Ein von unbeugsamen Menschen bevölkertes Weltdorf...

An dieser Stelle weicht die Realität vom wohl bekanntesten Prolog der Comic-Welt ab. Von New York, der Weltstadt, die auf ähnliche Weise am Rande der amerikanischen Landmasse liegt wie das berühmte kleine Dort von Asterix und Obelix am Rande Galliens und mit dem sich Menschen ähnlich emotional identifizieren wie mit dem gallischen Dorf, kann man leider nicht sagen, dass sie nicht aufhört, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Sie ist dem Virus erlegen.

Die meisten Infizierten, doch in der Ausbreitung hinter Europa

Die USA sind inzwischen das Land mit den meisten gemeldeten Infizierten. Bezogen auf ihre Bevölkerungszahl - Infizierte pro 100.000 Einwohner - lagen sie am Freitagmorgen mit 26,28 freilich immer noch auf Platz 19 und weit hinter den Spitzenreitern Schweiz (138,68), Italien (133,68), Spanien (123,68) sowie auch Deutschland (Platz 7 mit 52,98).

[Aktuelle Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie können Sie hier im Newsblog lesen.]

Innerhalb der USA, die eine mehr als doppelt so große Fläche haben wie die EU-Staaten zusammengenommen, ist das Virus jedoch höchst ungleich verteilt. Etwa die Hälfte der bis Donnerstag Abend in den USA gemeldeten rund 86.000 Fälle betreffen eine einzige Stadt und ihr Umland: New York (38.987) und das angrenzende New Jersey (6.876). Dort wohnen viele Menschen, die im "Big Apple" arbeiten, in Schlafstädten.

Es folgen, mit verblüffend großem Abstand, Kalifornien (3.963) und Washington State (3.208). Das ist überraschend, denn die Westküste hatte zunächst als Einfallstor des Virus gegolten wegen ihrer auch wirtschaftlichen Ausrichtung nach China und ins übrige Asien.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Rückkehrer aus dem Ausland und Kreuzfahrtpassagiere als Überträger

Eine Zusammenstellung von Zahlen und Erkenntnissen in der "New York Times" gibt Hinweise, wie das Virus in die USA kam, wie es sich verbreitet und welche Orte ins Zentrum der Risiken rücken. Manche sind naheliegend: Dicht besiedelte Großstädte sind stärker betroffen als die dünn besiedelten Agrarstaaten in der Mitte des nordamerikanischen Kontinents; in einer Metropole wie New York breitet sich das Virus zudem viel rascher aus, geradezu explosionsartig. Manche sind überraschend: Eine Wirtschaftskonferenz in Boston gilt unter den je einzeln ausfindig gemachten Ansteckungsorten als Quelle der viertmeisten Infektionen.

Es ist mühsam und zeitraubend, in vielen Einzelfällen die Ansteckungswege zu rekonstruieren. Dazu gibt es im Vergleich zur Gesamtzahl der Infizierten viel kleineres Zahlenmaterial. Aber auch diese Hinweise sind lehrreich. An der Spitze der Ausbreitungswege stehen Auslandsreisen, gefolgt von Reisen innerhalb der USA. Auf Platz drei steht ein Siedlungskern in New Rochelle im Staat New York, gefolgt von der besagten Wirtschaftskonferenz in Boston. Weit oben auf der Ansteckungsliste rangieren Rückkehrer aus Ägypten - diese Erfahrung hat auch Deutschland gemacht - sowie die Passagiere des Kreuzfahrtschiffes "Diamond Princess".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Altenheime und Gefängnisse werden zu Hochrisiko-Orten

Bedrückend sind die Analysen, welche Orte nun ins Zentrum der höchsten Ansteckungsrisiken gerückt sind: Alten- und Pflegeheime sowie Gefängnisse. Das gilt quer durch die USA von Kirkland (Washington), DuPage County (Illinois), New Orleans (Louisiana), Woodbridge (New Jersey), Morgantown (West Virginia). Ob hilfsbedürftig oder wegen Straftaten verurteilt: Die Einen wie die Anderen sind eingeschlossen und ohne Ausweg.

Trotz der langen Vorwarnungszeit haben die USA erschreckend lange gewartet, vorbeugend einzugreifen. Erst jetzt, als sich die Gefahr nicht mehr verdrängen ließ, werden auf einmal alle Ressourcen in den Kampf gegen das Virus und seine Folgen geworfen. Der Staat New York testet, testet, testet. Er hat "Drive Through"-Teststellen eingerichtet.

[Mit dem Newsletter "Twenty/Twenty" begleitet unser US-Quintett Christoph von Marschall, Anna Sauerbrey, Juliane Schäuble, Malte Lehming und Tilman Schröter Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty]

Wieder einmal mobilisiert der Staat erst spät seine Ressourcen

Man kennt das Muster aus anderen Katastrophen in den USA, von Wirbelstürmen wie "Katrina" 2005 über Stromausfälle bis zu Epidemien wie AIDS. Im Alltag gehen die USA, gemessen an deutschen und europäischen Maßstäben, geradezu fahrlässig mit ihrer Infrastruktur und vielen Risiken um.

Haben sie aber eine Herausforderung als existenziell erkannt und konzentrieren die beträchtlichen wissenschaftlichen wie ökonomischen Ressourcen der größten Volkswirtschaft der Erde auf die Suche nach Abhilfe, waren sie bisher meist doch ziemlich erfolgreich. Allerdings mit einer Verspätung, die zuvor viele Menschenleben gekostet hat. Ob eine solche Wende auch gegen das Coronavirus gelingt und wann, ist ungewiss.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false