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Pressekonferenz bei der vorigen Klausur in Meseberg: Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck.

© dpa/Michael Kappeler

Exklusiv

Ampelstreit und kein Ende: Gewerkschaften und Arbeitgeber rufen Koalition zur Ordnung

Vor der Kabinettsklausur in Meseberg wächst der Druck auf die Koalition. Verbände erwarten Ergebnisse – nicht Streit. Die Union verlangt den großen Wurf.

Vor der am kommenden Dienstag beginnenden Kabinettsklausur in Meseberg appellieren Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände an die Ampel-Koalition, sich zusammenzureißen und geschlossener aufzutreten.

„Es braucht mehr Zusammenhalt in der Ampel für mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft“, sagte Jörg Hofmann, Chef der IG Metall, dem Tagesspiegel. „Meseberg sollte zum Zeichen der Geschlossenheit werden.“ Gesetzesvorhaben, wichtige Themen, auch Streitpunkte müssten „konstruktiv und ohne Lautstärke bearbeitet und abgearbeitet“ werden.

Das gelte für die Unterstützung und Stärkung der deutschen Industrie und ihren Beschäftigten ebenso wie für die Bereitstellung von Ressourcen für Kinder aus armutsbetroffenen Familien, sagte Hofmann mit Blick auf in der Ampel umstrittene Vorhaben wie das Wachstumschancengesetz und die Kindergrundsicherung.

Die Ampel muss Probleme lösen, statt selbst eines zu sein.

Wolfgang Große Entrup, Verband der Chemischen Industrie

Zu beiden Gesetzen gibt es Streit vor allem zwischen Grünen und FDP – weshalb vor der Klausur das eine wie das andere Vorhaben blockiert ist. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte abermals ein Ende des Koalitionszwists an. „Die Bundesregierung wird bis nächste Woche klären, wie die Kindergrundsicherung konkret ausgestaltet wird“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Industrie fordert konkrete Ergebnisse

Auch aus der Wirtschaft wächst der Druck auf SPD, Grüne und FDP, in Meseberg zu Ergebnissen zu kommen. „Das Hickhack der vergangenen Monate muss nun endlich ein Ende haben. Die Ampel muss Probleme lösen, statt selbst eines zu sein“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, dem Tagesspiegel.

„Wir brauchen aktive Industriepolitik, die Unternehmen am Standort Deutschland neue Zuversicht gibt.“ Der Brückenstrompreis sei für seine Branche „als Übergangslösung ein Must-have“. Weite Teile der Regierung und der sie tragenden Fraktionen seien dafür. „Wir erwarten, dass nun auch der Kanzler den Weg dafür frei macht“, sagte Große Entrup.

Auch beim Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) werden konkrete Ergebnisse erwartet. Dessen Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann sagte dem Tagesspiegel: „Die Ampel-Koalition muss Handlungsfähigkeit zeigen und interne Unstimmigkeiten überwinden. Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind zu bedeutend, um wichtige Reformen aufzuhalten oder im Stillstand zu verharren.“

Mit Blick auf das Wachstumschancengesetz und das Bürokratieentlastungsgesetz forderte er, „dass die Koalitionäre ihrem eigenen Anspruch gerecht werden und den Fortschritt wagen. Wir müssen raus aus der Krise, rein in die Transformation.“ Das Gesetz zum Bürokratieabbau ist noch nicht fertig, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will dazu jedoch Eckpunkte vorlegen.

Die Ampel muss sich endlich ehrlich machen und erkennen, dass wir nicht nur verteidigungspolitisch, sondern auch wirtschaftlich eine massive Zeitenwende haben.

Mathias Middelberg, Unions-Fraktionsvize

Die Union legt derweil die Latte sehr hoch, was die Ergebnisse von Meseberg anbelangt. „Wir brauchen einen wirklich großen Wurf – ähnlich wie damals die Agenda 2010 oder die Unternehmensteuerreform 2008 mit Peer Steinbrück in der Großen Koalition“, sagte Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg dem Tagesspiegel. „Deutschland muss als Investitionsstandort wieder attraktiv werden. Energiepreise und Steuern runter, Arbeit attraktiver machen, Bürokratie abbauen und schneller digitalisieren.“

Es brauche tiefgreifende Reformen, damit das Land wieder auf Wachstumskurs komme, forderte Middelberg. „Das Wachstumschancengesetz von Christian Lindner ist im Ansatz richtig, vom Umfang her aber völlig unzureichend.“ Es könne nicht sein, dass die Ansiedlung eines einzigen Unternehmens mit fünf Milliarden Euro gefördert werde (eine Anspielung auf die Subventionen für das Intel-Halbleiterwerk in Magdeburg), für die Entlastung der gesamten deutschen Wirtschaft aber nur sechs Milliarden Euro zur Verfügung stünden. Das ist das Volumen des Wachstumschancengesetzes.

„Die Ampel muss sich endlich ehrlich machen und erkennen, dass wir nicht nur verteidigungspolitisch, sondern auch wirtschaftlich eine massive Zeitenwende haben“, sagte Middelberg.

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