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Andrea Nahles bei der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag am Dienstag.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Sozialdemokraten: Andrea Nahles hat beim Fall Maaßen in ihrer Partei viel Vertrauen verspielt

Andrea Nahles scheint fest gewillt, an der Großen Koalition festzuhalten. Starke Kräfte in der SPD glauben dagegen, das mache die Partei kaputt

Von Hans Monath

Simone Lange ist die einzige prominente Sozialdemokratin, die nach dem neuen Koalitionsbeschluss zur Zukunft von Hans-Georg Maaßen die eigene Parteichefin offen angreift. Das Vertrauen in die Regierungsfähigkeit der großen Koalition sei „massiv beschädigt“, klagte die Flensburger Oberbürgermeisterin, die Andrea Nahles im April das Amt der SPD-Chefin streitig gemacht und fast ein Drittel der Delegierten überzeugt hatte. Die Menschen hätten die Bundesregierung bislang nur als zerstritten wahrgenommen, sagte Lange Anfang der Woche dem rbb-inforadio. Denn Nahles versuche auf der einen Seite, die SPD zu profilieren, müsse auf der anderen Seite aber mit dem Koalitionspartner gute Lösungen für das Land finden. „Das geht eben nicht in einer Person“, befand Lange.

Anonym gibt es harte Kritik

Von anderen Sozialdemokraten ist seit der Kehrtwende der Parteichefin im Ringen um die Zukunft des umstrittenen Verfassungsschutzchefs nur Lob für den Mut der Parteichefin zu hören, den Irrtum einzugestehen – zumindest solange die Mikrofone offen sind. Im Schutz der Anonymität aber fallen die Urteile über die Vorsitzende weit härter aus. Noch immer herrscht Unverständnis darüber, dass sich Nahles der von Innenminister Horst Seehofer (CSU) geplanten Beförderung des Nachrichtendienstchefs zum Staatssekretär nicht energisch widersetzte und sogar an einen Teilerfolg glaubte. Die Kritik an ihrer Entscheidung tat sie intern zunächst als „Zwergenaufstand“ ab. Die Autorität der ersten Frau an der Spitze der SPD, das sagen viele, hat schwer gelitten in der Woche, in der der Fortbestand der Koalition auf dem Spiel stand.

Nach der Krise ist vor der Krise

Auch die SPD-Chefin dürfte sich keinen Illusionen darüber hingeben, wie schwer es wird, Vertrauen zurückzugewinnen. Denn nach der Krise ist für die SPD in diesem Herbst vor der Krise. Zwar können sich die meisten Sozialdemokraten auf das Mantra einigen, dass die große Koalition nun zur Sacharbeit zurückkehren solle. Doch ob das gelingt, hängt nicht nur an der SPD, sondern vor allem an Seehofer. Den aber kann selbst die Kanzlerin nicht bändigen.

Auf Entlastung von außen dürfen die Sozialdemokraten nicht hoffen, schon gar nicht durch die bevorstehenden Landtagswahlen. In Bayern messen die Demoskopen für Spitzenkandidatin Natascha Kohnen und ihre Partei 13 Prozent – erbärmlich wenig für eine Volkspartei. Zwar hat das Willy-Brandt-Haus ein schlechtes Ergebnis im Süden längst eingepreist. Doch wenn die Hochrechnungen am Wahlabend ähnliche Zahlen zeigen, wird sich die psychologische Wirkung kaum mildern lassen. Es stärkt die Gegner der großen Koalition in der SPD, die Fliehkräfte werden wachsen.

Manche hoffen, die CSU macht Seehofer zum Sündenbock

Auch für die hessischen Wahlkämpfer, die zwei Wochen später Ergebnisse sehen, wäre ein bayerisches Desaster eine schwere Belastung. Fraglich ist, ob sich Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel dann noch in eine große Koalition retten kann.

Manche SPD-Vorstandsmitglieder hoffen, dass die CSU nach einem Ergebnis um die 40 Prozent in Bayern Seehofer zum Sündenbock macht und als Innenminister ablöst. Doch auch Nahles dürfte klar sein, dass ein grundsätzliches Problem der Koalition durch den Austausch von Personal nicht gelöst werden kann. Denn der Riss zwischen den Verfechtern des Merkel-Kurses in der Flüchtlingspolitik und den Befürwortern eines härteren Vorgehens trennt nicht nur CDU und CSU, er geht mitten durch die CDU. Weiterer Streit über dieses Thema ist deshalb auch ohne Seehofer zu erwarten. Die SPD hat kein Gegenmittel, wenn Unionspolitiker mit Forderungen zur Flüchtlingspolitik Schlagzeilen produzieren. Die eigenen Themen, so sehr die SPD auch an sie glaubt, gehen dann unter.

Nahles will der Union Zugeständnisse abringen

Nahles scheint fest gewillt, an der großen Koalition festzuhalten und der Union beim Fachkräftezuwanderungsgesetz oder im Umgang mit der Dieselnachrüstung Zugeständnisse abzuringen. Doch wenn die CSU auf stur schaltet, könnte die SPD-Chefin bald mit leeren Händen dastehen. Starke Kräfte in ihrer eigenen Partei nämlich warten nur auf ein Signal, das beweist, wovon sie längst überzeugt sind. Ein Weiterregieren mit dieser Union, so glauben immer mehr Genossen, macht die SPD kaputt.

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