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Fortschritt in Sicht? Laut Irans Präsident Raisi geht es auch ohne Atom-Deal.

© AFP

Kopfgeld auf Schriftsteller gilt weiterhin: Attentat auf Rushdie gefährdet Atomgespräche

Die politische Führung des Irans will sich von der Tat nicht distanzieren. Westliche Staaten geraten dadurch unter Druck.

Der Mordanschlag auf den Schriftsteller Salman Rushdie könnte eine Einigung im Streit um das iranische Atomprogramm verhindern. Die Regierung in Teheran wollte sich am Wochenende nicht zu der Gewalttat äußern, doch Revolutionsführer Ali Khamenei ließ durchblicken, dass er den Anschlag gutheißt. Das macht es für westliche Staaten schwer, sich auf einen neuen Atom-Deal mit der Islamischen Republik einzulassen. Konservative Politiker in den USA fordern bereits den Abbruch der Atomverhandlungen.

Der Iran spricht seit anderthalb Jahren in Wien mit China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA über eine Rückkehr zum Atomabkommen von 2015, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern sollte. Letzte Woche legte die EU als Vermittlerin den beteiligten Staaten einen 25-seitigen Einigungsentwurf vor. Er sieht laut Berichten einen Abbau internationaler Sanktionen gegen den Iran vor. Im Gegenzug soll Teheran die Uran-Anreicherung stoppen.

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Doch der Anschlag auf Rushdie könnte nun direkte Folgen für die Gespräche haben. So fordert der Iran von den USA, die Einstufung der Teheraner Revolutionsgarde als Terrorgruppe zurückzunehmen; das Magazin „Politico“ meldete, nach dem EU-Entwurf sollten internationale Sanktionen gegen die Garde abgeschwächt werden. Der Anschlag könnte eine Verständigung bei diesem Punkt erschweren, denn der mutmaßliche Attentäter ist nach Berichten von US-Medien ein Verehrer der Revolutionsgarde.

Raisis Regierung ging beim Thema Rushdie auf Tauchstation

Auch die Frage, wer für die Gewalttat verantwortlich ist, könnte die Wiener Gespräche erschweren. Der prominente iranische Regimekritiker Hossein Ronaghi machte die iranische Führung für den Mordanschlag verantwortlich. „Dies ist die wahre Islamische Republik“, schrieb Ronaghi auf Twitter über das Attentat.

Präsident Ebrahim Raisi äußerte sich nicht zu dem Anschlag, betonte aber, der wirtschaftliche Fortschritt des Iran sei nicht von einer Einigung bei den Atomverhandlungen abhängig. Raisis Regierung ging beim Thema Rushdie auf Tauchstation, weil sie sich aus ideologischen Gründen nicht von der Tat distanzieren will. Der Mordaufruf gegen Rushdie stammt vom iranischen Staatsgründer Ruhollah Khomeini, dessen Wort auch mehr als 30 Jahre nach seinem Tod immer noch Gesetz ist. Auch die Belohnung von rund drei Millionen Euro für Rushdies Ermordung gilt weiterhin. Das Kopfgeld wurde von einer Stiftung unter Aufsicht von Khomeinis Nachfolger Khamenei ausgesetzt.

Republikaner attackieren Biden

„Kayhan“, eine Zeitung unter der direkten Kontrolle von Khamenei, bezeichnete den Messerangriff auf Rushdie als „göttliche Rache“ und ließ den mutmaßlichen Attentäter hochleben. Die Nachrichten-Website „Asr Iran“ erinnerte daran, dass Khamenei den Mordaufruf von Khomeini einmal mit einem Pfeil verglichen habe, der irgendwann sein Ziel erreichen werde. Vor drei Jahren löschte Twitter einen Kommentar aus Khameneis Konto, in dem der Revolutionsführer den Mordaufruf gegen Rushdie als unumkehrbar bezeichnete. Die amerikanische Polizei geht zudem dem Verdacht nach, dass der Iran die Ermordung des früheren US-Sicherheitsberaters John Bolton und der iranischen Regimekritikerin Masih Alinejad plante. Teheran weist dies zurück.

US-Präsident Joe Biden sieht sich vor den Kongresswahlen im November dem Vorwurf ausgesetzt, mit den Iran-Atomgesprächen ein verbrecherisches Regime zu stärken. Der republikanische Senator Marco Rubio fragte auf Twitter, warum Biden immer noch mit den „Terroristen in Teheran“ verhandle. Rubios Kollege Tom Cotton forderte ebenfalls das Ende der Wiener Gespräche, die derzeit für interne Beratungen der Vertragsparteien unterbrochen sind. Nach dem Willen der EU sollen die Verhandlungspartner in den nächsten Wochen sagen, ob sie den Entwurf annehmen.

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