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Im Gesetz steht die Pkw-Maut längst, kassiert wurde sie bisher aber nicht - und das bleibt auch so.

© Sebastian Kahnert,dpa

Totalschaden für das Prestigeprojekt der CSU: Aus die Maut

Der EuGH stoppt die geplante Gebühr für die Nutzung deutscher Autobahnen. Werden Autofahrer jetzt auf andere Weise für die Kosten des Straßenverkehrs zahlen?

Die Pläne für eine Pkw-Maut in Deutschland sind gescheitert. Umstritten war das CSU-Projekt immer. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof nach einer Klage Österreichs geurteilt, das Gesetz sei mit europäischem Recht nicht vereinbar. Aufatmen können Autofahrer dennoch nicht.

Wie wird die Entscheidung begründet?

Die Luxemburger Richter sagen, durch die deutsche Pkw-Maut werden EU-Ausländer in Deutschland diskriminiert. Da die deutschen Pkw-Halter über die Kfz-Steuer im Gegenzug für den Kauf der Vignette entlastet werden, liege „die wirtschaftliche Last dieser Abgabe tatsächlich allein auf den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen“.

Die Richter sind auch überzeugt, dass das Konzept gegen zwei Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes verstößt. Der freie Warenverkehr werde beeinträchtigt, weil die Pkw-Maut die Transportpreise von EU-Ausländern, die deutsche Autobahnen benutzen, erhöhen und so den Zugang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedsländern behindert. Außerdem erschwere sie den Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt.

Wird es einen neuen Anlauf geben?

Die SPD hält die Maut für tot. „Die Bedingungen der SPD für eine Einführung der Pkw-Maut sind nicht mehr gegeben“, sagt SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol. Voraussetzung war, dass sie nicht gegen europäisches Recht verstößt und kein Inländer zusätzlich finanziell belastet wird. „Es war ein Fehler, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer das Urteil nicht abgewartet hat und die Erhebung der Pkw-Maut bereits an ein privates Unternehmen vergeben hat.“ CSU-Minister Scheuer hat nun eine „Task Force“ gegründet, die schauen soll, was machbar ist. „Das Urteil ist für uns überraschend. Die EU-Kommission hatte für unser Modell grünes Licht gegeben, auch der Generalanwalt hat Deutschland in allen Punkten recht gegeben“, betont er.

Kommt stattdessen nun die CO2-Steuer?

Das ist nicht ausgeschlossen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lässt offen, ob nun eine andere Form der stärkeren Bepreisung des Autoverkehrs kommen könnte. Bis September soll ein Klimaschutzpaket stehen. Fast sicher ist, dass der Kohlendioxidausstoß verteuert werden soll.

Wie, das ist die Frage, ob über höhere Spritkosten oder eine andere Form einer CO2-Steuer. Das Kunststück ist auch hier: wie kann das gerade für inländische Bürger, die viel mit dem Auto pendeln, kompensiert werden. Denn gerade untere Einkommensschichten sollen nicht über Gebühr zur Kasse gebeten werden – das Schreckgespenst sind die Gelbwestenproteste in Frankreich, die in höheren Spritkosten ihren Ursprung hatten.

Auch die Grünen waren immer skeptisch, was das CSU-Modell der Maut angeht. Gerade das Vignettenmodell – einmal zahlen, dann freie Fahrt – kritisieren sie als klimaschädliche Flatrate für das Autofahren. „Danke Europa“, meint der grüne Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. Die Grünen hätten sich allenfalls eine entfernungsabhängige Maut vorstellen können, damit diejenigen mehr zahlen, die viel fahren. Aber das müsste satellitengestützt erhoben werden und wäre aus Datenschutzgründen sehr problematisch. Man wolle keine Bewegungsprofile von Millionen von Bürgern speichern, sagt Kindler. „Sinnvoller und einfacher ist ein nachvollziehbarer CO2-Preis für fossile Kraftstoffe, der die ökologische Wahrheit ausdrückt“, sagt Kindler.

Mit welchen Einnahmen war überhaupt zu rechnen?

Die ab Oktober 2020 geplante Maut hätte gerade am Anfang zu einem Minusgeschäft werden können. „Ein Defizit von 10 bis 155 Millionen Euro in den ersten Jahren der Einführung ist wahrscheinlich“, heißt es einem Gutachten des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Das Bundesverkehrsministerium versprach zuletzt dagegen Einnahmen von 3,85 Milliarden Euro und nach Entschädigung der inländischen Fahrer über die Kfz-Steuer ein jährliches Plus von 500 Millionen Euro. Die Vorbereitung der Maut kostete bisheren Bund rund 128 Millionen Euro.

Der Konzertveranstalter CTS Eventim sollte den Vignettenkauf organisieren. Klagt er nun auf Schadenersatz?

„Wir sind auf jeden Fall abgesichert“, sagt Christian Steinhof von CTS Eventim. Denn Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen seien bei solchen Projekten Teil der Verträge. Um welche Regressforderungen es gehen könnte, sagt der Sprecher nicht. Das Bundesverkehrsministerium hatte dem Konzern und seinem österreichischen Partner Kapsch TrafficCom einen rund zwei Milliarden Euro schweren Auftrag zur Organisation der Maut erteilt. Aktienkurs des börsennotierten Unternehmens war nach Bekanntgabe des EuGH-Urteils zwischenzeitlich um mehr als vier Prozent eingebrochen, ausgerechnet ein österreichisches Unternehmen wird damit zum Leidtragenden der Klage Österreichs. Auch die Papiere von CTS Eventim drehten zeitweilig ins Minus.

Die Lkw-Maut gilt dagegen weiter – was hat sie bisher gebracht?

Nach Verzögerungen wegen technischer Schwierigkeiten konnte die Lkw-Maut auf Autobahnen 2005 starten. In zwei Stufen wurde sie 2012 und 2015 auf rund 2300 Kilometer vierspurige Bundesstraßen ausgedehnt, um zu verhindern, dass Lkw-Fahrer auf alternative Routen ausweichen. Außerdem hat der Bund 2015 die Grenze, ab der die Maut gilt, gesenkt:. Galt sie zunächst für Lastwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von zwölf Tonnen, sind es jetzt auf 7,5 Tonnen. Seit Juli 2018 wird auf den gesamten rund 40000 Kilometern Bundesfernstraße die Lkw-Maut erhoben.

Im vergangenen Jahr brachte die Maut nach Abzug der Kosten 5,1 Milliarden Euro ein. Diese Einnahmen müssen seit 2011 ausschließlich für die Bundesfernstraßen verwendet werden. Durch die Ausweitung der Maut auf alle Bundesfernstraßen und die Anhebung der Mautsätze Anfang dieses Jahres erwartet das Bundesverkehrsministerium bis 2022 durchschnittlich 7,2 Milliarden Euro im Jahr.

Die Mautsätze sind nach dem Schadstoffausstoß der Lkw differenziert. Zudem wurden Anfang 2019 Gewichtsklassen eingeführt, um leichtere Nutzfahrzeuge bis 18 Tonnen Gewicht im Vergleich zu schweren Lkw besserzustellen.

Elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge werden zunächst unbefristet komplett von der Lkw-Maut ausgenommen. Erdgas-Fahrzeuge werden für 2019 und 2020 komplett von der Lkw-Maut befreit. Ab 2021 gilt dann ein reduzierter Mautsatz, der 1,1 Cent pro Kilometer unter dem für einen modernen Diesel liegt.

Welche andere Ausgestaltung der Maut ist jetzt denkbar?

Die deutsche Pkw-Maut hätte ohnehin spätestens 2027 wieder geändert werden müssen. Dann gilt nämlich nach EU-Recht: Wenn ein Mitgliedstaat sich entschließt, eine Maut zu erheben, muss sich deren Höhe an der zurückgelegten Entfernung orientieren und nicht am Zeitraum. So war es bei der deutschen Vignette geplant. Außerdem ist vorgeschrieben, dass die Maut auch nach dem CO2-Ausstoß der Autos differenziert wird, um den Kauf sauberer Modelle anzureizen. Autos mit Gasantrieb oder Hybridwagen sollen begünstigt werden. Für Elektroautos ist ein Nachlass von 75 Prozent vorgesehen.

Nach dem Konzept der EU-Kommission können weitere Faktoren wie Lärm, Verkehrsüberlastung und Luftverschmutzung bei der Erhebung von Straßennutzungsgebühren ebenfalls eine Rolle spielen. Ob sie überhaupt eine Maut erheben, soll aber weiterhin den EU-Staaten überlassen bleiben.

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