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Aus Sorge vor der AfD: Ampel und Union wollen Verfassungsgericht durch Grundgesetzänderungen schützen
Die Regierungskoalition und die größte Oppositionspartei haben gemeinsam Vorschläge präsentiert, wie das Karlsruher Gericht gegen politische Einflussnahme geschützt werden soll. Ein Gesetzentwurf wird demnach bald folgen.
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Die Ampel-Parteien und die Union wollen das Bundesverfassungsgericht durch Grundgesetzänderungen besser vor politischer Einflussnahme schützen. SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU präsentierten dazu am Dienstag gemeinsame Vorschläge.
Demnach soll künftig auch die Aufteilung des Gerichts in zwei Senate von je acht Richterinnen und Richtern im Grundgesetz festgeschrieben werden. Ebenfalls verankert werden soll, dass die Richter höchstens zwölf Jahre und bis zu einer Altersgrenze von 68 Jahren im Amt sind.
Diese Strukturen des Gerichts sind bislang nicht im Grundgesetz verankert. Sie können mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag geändert werden.
Bereits im Grundgesetz festgelegt ist, dass die Richterinnen und Richter je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden. Hier wollen die Ampel-Parteien und die Union allerdings eine sogenannte Öffnungsklausel einfügen: Wenn es eines der Parlamente nicht schafft, eine vakante Richterstelle rechtzeitig neu zu besetzen, soll das jeweils andere das Wahlrecht ausüben können.
Der Hintergrund
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Fachpolitiker der Ampel-Parteien hatten monatelang mit Unionsvertretern über die Änderungen verhandelt. Hintergrund sind Entwicklungen einer Aushöhlung des Rechtsstaats in anderen Ländern wie Polen oder Ungarn und das Erstarken der AfD, die der Verfassungsschutz in Teilen als gesichert rechtsextremistisch einstuft.
„Das Bundesverfassungsgericht ist Schutzschild der Grundrechte, aber sein eigener Schutzschild braucht noch mehr Widerstandskraft“, erklärte Buschmann anlässlich der Vorstellung. Es gehe „um unsere gemeinsame Verantwortung als seriöse Demokraten. Und genau dieser Verantwortung haben wir uns gestellt“.
Ein Gesetzentwurf soll demnach „zeitnah“ eingebracht werden. Ein Inkrafttreten der Änderungen ist noch in dieser Legislaturperiode geplant.
Juristenverbände begrüßen Vorschläge zum Schutz des Verfassungsgerichts
Juristenverbände haben die Pläne der Ampel-Parteien und der Union zum besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) sprach am Dienstag von „wichtigen und klugen Vorschlägen“, mit denen Richterinnen und Richter „vor politischen Übergriffen geschützt werden“. Der Deutsche Richterbund (DRB) nannte es erfreulich, dass sich Regierung und die größte Oppositionspartei auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt hätten. Beide Verbände forderten aber weitergehende Änderungen.
„Die Beispiele Polens und Ungarns haben auf alarmierende Weise gezeigt, wie schnell selbst vermeintlich stabile Rechtsstaaten kippen können, sofern illiberale Kräfte es darauf anlegen“, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds (DRB), Sven Rebehn. Die nun angekündigte Absicherung könne „aber nur ein erster Schritt sein, um den Rechtsstaat insgesamt wehrhafter gegen Extremisten aufzustellen“. Auch in den Ländern seien politische Initiativen nötig.
Insbesondere müsse das Verfahren zur Besetzung von Richterstellen „gesetzlich überall in Deutschland so ausgestaltet sein, dass es nicht parteipolitisch instrumentalisiert werden kann“, forderte Rebehn. Auch „die gesetzlichen Einfallstore für einen politischen Missbrauch der Strafverfolgung“ müssten „dringend geschlossen werden“. Das Weisungsrecht der Justizminister „für den Fall unliebsamer Ermittlungen der Staatsanwaltschaften“ sei „Gift für das Vertrauen der Menschen in eine unabhängige Strafverfolgung“.
Der Deutsche Anwaltverein begrüßte, dass die Parteien einen Mechanismus zur Auflösung von Blockaden bei der Bestellung von Richtern vereinbart haben. „Damit wird der Einigungsdruck erhöht und das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für Richterwahlen, die für die Entscheidungs- und Begründungskultur des BVerfG unabdingbar ist, zumindest faktisch abgesichert“, erklärte DAV-Vizepräsident Ulrich Karpenstein.
Aber auch Karpenstein sah weiteren Handlungsbedarf und forderte eine stärkere Absicherung. Wichtig sei, dass künftige Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und insbesondere die Quoren für Richterwahlen und Gerichtsentscheidungen nicht länger mit einer einfachen Mehrheit des Bundestages abgeändert werden könnten, erklärte er. Denn in Polen, Ungarn und der Türkei habe sich gezeigt, wie „Verfahrenskniffe“ genutzt würden, „um Verfassungsgerichte zunächst lahmzulegen, bevor sie gleichgeschaltet werden“. Der DAV fordert deshalb, dass zumindest wesentliche Verfahrens- und Wahlregelungen einer Zustimmung des Bundesrates bedürfen. (AFP)
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