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Ausländerfeindliche Gesänge im ganzen Land: Polizei wurde mehr als 360 Mal wegen Nazi-Parolen zu „L’amour toujours“ alarmiert
Ende Mai löste ein Video aus Sylt Empörung aus, das Besucher einer Bar beim Grölen rassistischer Parolen zu einem italienischen Popsong zeigt. Einem Medienbericht zufolge war das kein Einzelfall.
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Ende Mai war der erste Eklat publik geworden: Im Internet verbreitete sich ein Video, das dokumentierte, wie mehrere junge Menschen auf der Nordseeinsel Sylt in einer Nobelbar zu dem Partyhit „L’Amour Toujours“ ausländerfeindliche Parolen anstimmten.
Sie grölten die Zeilen „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ zu dem aus dem Jahr 1999 stammenden italienischen Popsong. Ähnliche Vorfälle wurden auch auf von Volks- und Schützenfesten etwa in Bayern und Niedersachsen bekannt.
Nun gibt es neue Zahlen: Wie eine vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Mittwoch veröffentlichte Umfrage in allen Bundesländern ergab, ist die Polizei bundesweit von Oktober 2023 bis Juni dieses Jahres wegen ausländerfeindlicher Parolen zu dem Lied von Gigi D’Agostino 368 Mal gerufen worden.
Von den Landeskriminalämtern (LKA) seien dabei sowohl Vorfälle auf öffentlichen Volksfesten und in Discotheken erfasst worden, als auch auf privaten Feiern und mehrfach an Schulen. Die Auswertung berücksichtigte mit Ausnahme von Bayern und Sachsen alle Bundesländer, in diesen zwei Ländern konnten keine Angaben gemacht werden, heißt es in dem Bericht.
Vorfall auf Sylt löste bundesweit Empörung aus
Die meisten vergleichbaren Fälle wurden demnach aus Nordrhein-Westfalen gemeldet. Von November 2023 bis einschließlich Juni 2024 sei in dem Bundesland 96-mal die Polizei gerufen worden, weil beim Abspielen des Liedes verfassungsfeindliche oder ausländerfeindliche Äußerungen gemacht wurden.
Das Landeskriminalamt in Baden-Württemberg habe bis Anfang Juli insgesamt 40 solcher Fälle gezählt, in Mecklenburg-Vorpommern sei die Polizei zwischen Oktober 2023 und Juni dieses Jahres 45-mal eingeschaltet worden.
In Hessen gab es demnach bislang 25 Fälle, bei denen wegen des Verdachts volksverhetzender Äußerungen entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Die Verfahren laufen allesamt noch bei den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften, teilte das Landeskriminalamt mit.
Sprecherin Laura Kaufmann-Conrad betonte, dass dem LKA keine Vorfälle aus der Zeit vor November 2023 bekannt seien: „Man kann durchaus von einer Häufung entsprechender Vorfälle in jüngerer Vergangenheit sprechen.“ Auch in Hessen fanden demnach drei der Vorfälle an Schulen statt.
Dem Bericht zufolge erfassen die verantwortlichen Stellen die Fälle sehr unterschiedlich. Einzelne Länder teilten demnach sehr detailliert mit, wie viele Vorkommnisse bekannt sind und was genau geschah. Andere hätten nur eine Summe der Vorfälle herausgegeben.
Lied an sich keine Straftat
Wie das RND weiter berichtet, betonte die Berliner Polizei, das Lied an sich stelle keine Straftat dar. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Neuruppin in Brandenburg ist demnach selbst die berüchtigte Parole nicht per se strafbar. Erst in Verbindung mit dem Tragen einer Uniform oder Andeuten des Hitlerbärtchens läge ein strafbares Verhalten vor, erklärte die Polizei.
So sieht es demnach auch das Land Hamburg – und teilte dem Bericht zufolge zugleich mit, dass beim Staatsschutz des LKA Hamburg bereits fünf Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Song eingeleitet wurden.
Nach Angaben des Innenministeriums in Schleswig-Holstein werden dort verfassungsfeindliche Gesten nicht gesondert erfasst – wie oft also der Hitlergruß im Zusammenhang mit dem Lied gezeigt wurde, lasse sich nicht herausfinden.
Der Vorfall auf Sylt hatte bundesweit Empörung ausgelöst und auch international Schlagzeilen gemacht. Zudem entstand eine Debatte über die Verbreitung von rechtsextremistischen Einstellungen in der Gesellschaft. Unter anderem hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Gesang als „nicht akzeptabel“ bezeichnet.
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