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Israelische Militäreinheit im Gazastreifen.

© AFP/JACK GUEZ

Update

Außenminister gegen „Zwangssolidarität“: Wadephul teilt Merz-Kritik an Israels militärischem Vorgehen im Gazastreifen

Der Kanzler hinterfragt den Einsatz Israels in Gaza. Die Zivilbevölkerung werde stark in Mitleidenschaft gezogen. Das ließe sich nicht mehr mit dem Kampf gegen die Hamas begründen.

Stand:

Nach Bundeskanzler Friedrich Merz hat auch Bundesaußenminister Johann Wadephul (beide CDU) das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen kritisiert. Erforderlich sei auch im Kampf gegen den Terror eine Verhältnismäßigkeit, sagte Wadephul beim WDR-Europaforum.

Bundeskanzler Friedrich Merz halte beim Thema Gaza diese Verhältnismäßigkeit für überschritten, und er teile diese Auffassung. Er telefoniere seit seinem Amtsantritt fast täglich mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar und werde dies auch heute noch tun. Deutschland stehe zu Israel, aber „wir stehen auch zu den Menschen im Gazastreifen“, sagt Wadephul.

Der Außenminister warnte die israelische Regierung auch davor, Deutschland mit Antisemitismusvorwürfen unter Druck zu setzen. Der Kampf der Bundesregierung gegen Antisemitismus und die vollständige Unterstützung des Existenzrechts und der Sicherheit des Staates Israel „darf nicht instrumentalisiert werden für die Auseinandersetzung, für die Kampfführung, die derzeit im Gazastreifen betrieben wird“, sagte der CDU-Politiker.

Wadephul ergänzte: „So lassen wir uns politisch auch als deutsche Bundesregierung bei aller Schwierigkeit, die dort besteht, nicht unter Druck setzen und in eine Position bringen, dass wir zu einer Zwangssolidarität gezwungen werden. Die wird es in der Form nicht geben können.“ Wadephul kündigte an, der israelische Außenminister Gideon Saar komme demnächst zu einem Besuch nach Berlin.

Verhältnismäßigkeit in Gaza überschritten

Israel habe selbstverständlich das Recht, gegen die islamistische Hamas vorzugehen, die noch immer israelische Geiseln festhalte, betonte der Minister. Aber es müsse „auch eine Verhältnismäßigkeit geben“. Diese sei „überschritten in der Dauer, in der Härte, in der Konsequenz, wie die israelische Armee dort vorgeht“.

Völlig inakzeptabel sei zudem, dass die Menschen im Gazastreifen nicht mit Grundnahrungsmitteln und Medikamenten versorgt würden. Deutschland stehe zum Staat Israel und habe für diesen auch eine besondere Verantwortung, sagte Wadephul. „Aber wir stehen auch zu den Menschen im Gazastreifen.“

Rote Linien für Waffenlieferungen

Mit Blick auf künftige Waffenlieferungen an Israel sagte Wadephul, natürlich gebe es auch hier eine rote Linie. Wo diese liege, könne er derzeit nicht sagen, da aktuell nicht über Waffenlieferungen entschieden werde. Wo die Bundesregierung aber die Gefahr einer Verletzung des humanitären Völkerrechts sehe, „werden wir selbstverständlich dagegen einschreiten und schon gar nicht Waffen liefern“, sagte Wadephul.

Kanzler Friedrich Merz (CDU) und er selbst hätten „darauf hingewiesen, dass die Kriegsführung, so wie sie im Gazastreifen stattfindet, von uns sehr kritisch gesehen wird und dass wir dort die große Gefahr der Verletzung sehen“, sagte Wadephul mit Blick auf das Völkerrecht. Wenn sich das konkretisiere, werde dies auch bei künftigen Beratungen über Waffenlieferungen im geheim tagenden Bundessicherheitsrat ein Punkt sein.

Bereits am Montag hatte Bundeskanzler Merz ebenfalls im WDR-Europaforum den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen hinterfragt. Die Offensive der israelischen Armee im Gazastreifen „verstehe ich offen gestanden nicht mehr“, sagte Merz.

„Die israelische Regierung darf nichts tun, was nun irgendwann auch ihre besten Freunde nicht mehr bereit sind zu akzeptieren“, sagte er weiter.

„Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen“, sagte der Kanzler. Allgemein sagte Merz zur Kritik von deutscher Seite an der israelischen Regierung: „Wir müssen das jetzt etwas deutlicher sagen.“

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Er habe Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Gesprächen gewarnt, „es nicht zu übertreiben“. Wenn jetzt offensichtlich am Wochenende im Gazastreifen ein Kinderheim oder ein Kindergarten getroffen worden sei, sei dies „eine menschliche Tragödie und eine politische Katastrophe“.

Friedrich Merz.

© AFP/ODD ANDERSEN

Merz betonte jedoch, Deutschland müsse sich mit öffentlicher Kritik an Israel „so weit zurückhalten wie kein anderes Land auf der Welt“. Wenn aber das humanitäre Völkerrecht gebrochen werde, müsse auch der Bundeskanzler etwas sagen. „Die Frage ist: Wie deutlich übt man die Kritik jetzt und da bin ich aus historischen Gründen zurückhaltender“, sagte Merz.

Klingbeil schließt sich Merz’ Kritik an

Auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil stellte sich am Montag hinter die Kritik von Merz. Im Gazastreifen werde mit der anhaltenden Militäroffensive der „völkerrechtliche Maßstab“ verletzt. Es gebe Tote, Vertreibungen und keine Hilfslieferungen. Deswegen müsse der politische Druck auf Israel erhöht werden. Ziel sei es, unter Freunden deutlich zu machen, was nicht mehr gehe.

Die Bundesregierung werde sich für Hilfslieferungen in den Gazastreifen einsetzen. „Ob es weitere Schritte gibt, das werden wir in der Regierung beraten.“ Merz habe ein deutliches Signal gesendet, das seine volle Unterstützung finde, so SPD-Chef und Vize-Kanzler Klingbeil.

Israel hatte nach einer zweimonatigen Waffenruhe am 18. März seine Angriffe im Gazastreifen wieder aufgenommen und die Militäreinsätze zuletzt noch verstärkt. Die Lage der notleidenden palästinensischen Zivilbevölkerung ist seit Monaten katastrophal und verschärft sich durch unzureichende Hilfslieferungen, die von Israel teils blockiert werden, immer weiter.

Der Krieg im Gazastreifen wurde durch den Großangriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas und mit ihr verbündeter Kämpfer auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst, bei dem nach israelischen Angaben bei Massakern im Süden Israels rund 1200 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden waren.

Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 53.900 Menschen getötet. (dpa, AFP/Reuters)

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