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Unterstützer des türkischen Präsidenten Erdogan.

© REUTERS

Türkei und EU: "Aussetzen der Verhandlungen diplomatischer Unsinn"

Der Europa-Politiker und Merkel-Vertraute Elmar Brok will den Draht nach Ankara aufrecht erhalten. FDP-Chef Lindner indes vergleicht die Zustände in der Türkei mit dem Nationalsozialismus.

Angesichts des harten Vorgehens der türkischen Regierung gegen ihre Gegner nach dem versuchten Militärputsch wird in Deutschland verstärkt über einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara diskutiert. Während mehrere Europaparlamentarier dies ablehnten, warfen Linke und FDP der Bundesregierung eine zu nachgiebige Haltung gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor und forderten den Abbruch der Verhandlungen.

Der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU) bezeichnete ein sofortiges Aussetzen der Verhandlungen in der "Welt am Sonntag" als "diplomatischen Unsinn". Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament gab aber zu, dass die Gespräche zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen der innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei nicht zu einem Erfolg führen würden und plädierte dafür, der Türkei langfristig einen Status wie Norwegen zu gewähren.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms, warnte ihrerseits in der Zeitung davor, die Türkei im Stich zu lassen. "Ich fände es verantwortungslos, wenn wir in dieser akuten Situation die bisherigen Beziehungen zur Türkei komplett aufgeben würden, ohne zu wissen, wohin wir wollen", sagte Harms. Die Gespräche seien eine der wenigen Möglichkeiten, zum Schutz vieler Türken auf Rechtsstaatlichkeit zu drängen.

Dagegen kündigte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) an, im EU-Außenministerrat gegen die Eröffnung weiterer Kapitel in den Beitrittsgesprächen sein Veto einzulegen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) werde zudem beim EU-Gipfel am 16. September versuchen, andere Staats- und Regierungschefs von einem "Beitrittsverhandlungsstopp mit der Türkei" zu überzeugen, sagte Kurz im "Kurier".

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner zog in der "Bild am Sonntag" sogar eine historische Parallele zwischen der aktuellen Entwicklung in der Türkei und dem Vorgehen der Nationalsozialisten 1933. "Wir erleben einen Staatsputsch von oben wie 1933 nach dem Reichstagsbrand: Er baut ein autoritäres Regime auf, zugeschnitten allein auf seine Person", sagte Lindner mit Blick auf Erdogan.

"Wie 1933"

"Weil Recht und Freiheit des Einzelnen keine Rolle mehr spielen, kann er kein Partner für Europa sein", sagte der FDP-Chef. Er warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine "windelweiche Haltung" gegenüber dem türkischen Präsidenten vor. "Es empört mich, dass die EU-Beitrittsgespräche nicht längst beendet sind. Aber Frau Merkel mahnt nur ganz vorsichtig 'Verhältnismäßigkeit' an", kritisierte Lindner.

Auch der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger forderte den Stopp der Beitrittsgespräche. "Eine Regierung, die Journalisten verfolgt, die Justiz gleichschaltet, Oppositionelle in die Gefängnisse wirft und Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, kann man nicht in die EU aufnehmen", sagte Riexinger den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zudem müsse das Flüchtlingsabkommen mit Ankara aufgekündigt werden.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, betonte jedoch, die Türkei halte sich "beim Flüchtlingsabkommen an ihre Abmachungen mit der Europäischen Union". Sie versorge weiterhin drei Millionen Flüchtlinge, die in der Türkei Aufnahme gefunden hätten, und unterbinde das Schlepperwesen, sagte Kauder den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch Ankara habe ein Interesse an der Fortführung des Abkommens.

Zugleich warnte Kauder die türkische Regierung davor, das Flüchtlingsabkommen als Hebel zu benutzen, um eine Visa-Liberalisierung für türkische Staatsbürger in der EU durchzusetzen. An den Kriterien, die Voraussetzung für die Einreiseerleichterungen seien, könnten die Europäer "keine Abstriche machen". Dabei geht es etwa um die von der EU verlangte Reform der umstrittenen Anti-Terror-Gesetze in der Türkei. (AFP)

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