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Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel, aufgenommen im Rahmen eines Interviews in Berlin.

© imago/photothek/IMAGO/Thomas Trutschel/photothek.de

„Baltische Staaten, aber auch Polen“: Merkel wirft einigen Ländern Blockade von Putin-Gesprächen vor dem Ukrainekrieg vor

Vor Ausbruch des Ukrainekriegs hätten Deutschland und Frankreich versucht, Gespräche mit Putin voranzutreiben, sagt die Altkanzlerin in einem Interview. Ein entsprechendes Format sei allerdings blockiert worden.

Stand:

Ein Interview der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem ungarischen Nachrichtenortal „Partizán“ sorgt für Schlagzeilen in der internationalen Presse. Die Altkanzlerin berichtet darin, dass Polen und die baltischen Staaten vor Ausbruch des Ukrainekriegs ein neues Gesprächsformat mit Kremlchef Wladimir Putin blockiert hätten.

In ihren Memoiren, die Gegenstand des Interviews waren, beschreibt die Altkanzlerin ihr damaliges Verhältnis zu Putin. Von dem ungarischen Journalisten auf diverse Aussagen aus ihrem Buch angesprochen, führte Merkel ihre Ansichten weiter aus. Demnach sei Russland im Jahr 2015 „immer aggressiver in der Ukraine vorangekommen“. Infolgedessen hätten der damalige französische Präsident François Hollande und sie selbst versucht, den Konflikt im Rahmen des sogenannten „Minsker Abkommens“ beizulegen.

Polen war dagegen, weil sie Angst hatten, dass wir keine gemeinsame Politik gegenüber Russland haben.

Angela Merkel, Altkanzlerin

Das Abkommen sei nicht perfekt gewesen und Russland habe sich „nie richtig daran gehalten“, erklärte Merkel. Aber das Abkommen habe immerhin zu einer Beruhigung beigetragen. Zwischen 2015 und 2021 „konnte die Ukraine Kraft sammeln“ und sich gegen die russischen Aggressionen „besser verteidigen“.

Merkel und Macron wollten Putin-Gespräche forcieren

2021 habe Merkel bereits gemerkt, dass Putin das „Minsker Abkommen“ nicht mehr ernst nähme. Also habe sie zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschlossen, ein neues Gesprächsformat zu initiieren, bei dem man „direkt mit Putin als Europäische Union sprechen“ wolle. Das Vorhaben wurde „von einigen nicht unterstützt. Das waren vor allem die baltischen Staaten“, so Merkel. „Aber auch Polen war dagegen, weil sie Angst hatten, dass wir keine gemeinsame Politik gegenüber Russland haben.“ Merkel sei auch damals der Meinung gewesen, dass man dann eben daran arbeiten müsse, eine gemeinsame Politik zu haben.

Das Gesprächsformat sei nicht zustande gekommen. Dann sei sie aus dem Amt geschieden und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine habe begonnen. „Wir werden heute nicht mehr klären können, was gewesen wäre, wenn“, betonte Merkel. Man müsse nun schauen, wie man sich durch Abschreckung friedensfähig mache.

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Auf die Frage nach einem möglichen Ausgang des Ukrainekriegs antwortete Merkel, dass „wir militärisch stärker werden müssen“. Außerdem bedürfe es „wie im kalten Krieg“ auch immer diplomatischer Bemühungen.

Politiker nach Merkel-Interview verärgert

Der ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zeigte sich nach den Aussagen Merkels verärgert. In einem Facebook-Beitrag schrieb der Politiker am Montag, dass die Altkanzlerin mit ihrem „gedankenverlorenen“ Interview bewiesen habe, dass „sie zu den deutschen Politikern gehört, die Europa im letzten Jahrhundert am meisten geschadet haben.“

Der lettische Politiker der Partei „Nationale Allianz“, Rihards Kols, warf der Altkanzlerin via X ein „unverschämtes“ Verhalten vor. „Angela Merkel macht die baltischen Staaten und Polen für Putins Krieg verantwortlich – das ist mehr als absurd, es ist unverschämt“, wetterte Kols. Er fuhr fort: „Vielleicht ist ernsthafte Selbstreflexion – und nicht Geschichtsrevisionismus – angebracht. Denn Europa zahlt den Preis für ihre Wahnvorstellungen.“

Tatsächlich warfen einige internationale Politiker Angela Merkel nach dem Interview vor, dass sie Polen und den baltischen Staaten einer Mitschuld am Ukrainekrieg bezichtige. Tatsächlich sagte die 71-Jährige dem ungarischen Nachrichtenportal lediglich, dass Polen und den baltischen Staaten ihr vorgeschlagenes Gesprächsformat „nicht unterstützten“. Von einer Schuldzuweisung ist im Gespräch mit dem Journalisten nicht die Rede.

Merkel: Corona-Pandemie hat Verhältnis zu Putin verschlechtert

In dem Interview berichtete Merkel auch, dass sich ihr Verhältnis zu Putin während der Corona-Pandemie maßgeblich verschlechtert habe.

Persönliche Vieraugengespräche mit dem Kremlchef seien aufgrund der pandemischen Sicherheitsbeschränkungen ausgefallen. Virtuelle Treffen hätten außerdem nicht mehr ausgereicht, um die politischen Wogen zu glätten. „Wenn man sich nicht treffen kann (...), dann findet man auch keine neuen Kompromisse mehr“, erklärte sie.

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