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 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - hier im Januar auf dem Deck der Korvette Braunschweig am Marinestützpunkt in Kiel - plädiert für eine massive Aufstockung des Wehr-Etats.

© dpa

Bundeswehr-Etat: Merkel geht in die Offensive

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deutlich höhere Militärausgaben angemahnt. Die SPD ist gegen diesen Wunsch, Grüne und Linke werfen der Union eine „Aufrüstungsideologie“ vor.

Von Michael Schmidt

Rund 3550 Bundeswehrsoldaten sind derzeit im Auslandseinsatz. Sie sind an insgesamt 16 Missionen beteiligt. Tendenz: eher steigend. Das kostet. Nach einer Aufstellung der Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (Linke), wurden seit 1992 für insgesamt 55 Einsätze – Stand Januar 2016 – mehr als 17 Milliarden Euro ausgegeben.

Mit Abstand am teuersten war die Beteiligung an der Mission in Afghanistan, die in 13Jahren fast neun Milliarden Euro kostete. Es folgen die Kfor- und Sfor-Einsätze zur Stabilisierung des früheren Jugoslawiens, wo sich die Bundeswehr erstmals an einem völkerrechtlich umstrittenen Kriegseinsatz beteiligt hatte.

Das verstärkte Engagement in der jüngeren Vergangenheit war ein wichtiges Argument dafür, dass der Etat von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zuletzt erhöht wurde. Und auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird daran gedacht haben, als sie dieser Tage einer kräftigen Aufrüstung das Wort sprach und daran erinnerte, dass jeder Nato-Mitgliedstaat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben solle. Derzeit erreichen nur wenige Länder dieses Ziel. Deutschland liegt bei 1,2 Prozent des BIP – mit in den vergangenen Jahren sogar sinkendem Anteil.

„Es wird auf Dauer nicht gut gehen“, sagte die Kanzlerin, „dass wir sagen, wir hoffen und warten darauf, dass andere für uns die Verteidigungsleistungen tragen.“ „Andere“ meint vor allem die USA, die 3,4 Prozent ihres Sozialprodukts fürs Militär ausgeben.

Zwei Prozent vom BIP -das wären 60 Milliarden Euro

Die Bundesregierung will den Verteidigungsetat nach derzeitigem Planungsstand bis 2020 von derzeit 34,3 auf 39,2 Milliarden Euro aufstocken. Um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, müsste Deutschland allerdings mehr als 60 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben. Aus der SPD kam Kritik an Merkels Bekenntnis. Es gehe in die falsche Richtung, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner. „Wir brauchen kein Nato-Säbelrasseln, sondern eine neue Initiative für eine Friedens- und Entspannungspolitik.“ Statt zusätzliche Milliarden in eine Aufrüstung der Bundeswehr zu stecken, sollte das Geld lieber für Bildung und Integration verwendet werden, meinte Stegner.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte bereits zu Wochenbeginn in der Nato-Russland-Debatte davor gewarnt, jetzt massiv aufzurüsten. „Wir sind in eine Logik zurückgekehrt, die ich jedenfalls aus meiner Jugend kenne: wo nur noch über die Frage geredet wird, wer muss eigentlich mehr ausgeben zur Beschaffung von Rüstung“, sagte Gabriel am Montag. Merkel nahm den Widerspruch zur Kenntnis – und erklärte, das Zwei-Prozent-Ziel werde von der gesamten Bundesregierung getragen.

Im Übrigen: Auch in der Russlandpolitik sehe sie keine Differenzen mit dem Koalitionspartner SPD. Die Nato-Strategie setze auf Dialog und Stärkung der östlichen Bündnispartner. „Beide Säulen werden von der deutschen Bundesregierung gemeinsam vertreten“, sagte sie.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte am Wochenende mit einer Äußerung zur Russlandpolitik der Nato Kritik der Union auf sich gezogen. „Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt“, sagte er.

Lafontaine: Hat diese Dame sie noch alle?

Die Grünen kritisierten, die Kanzlerin kurbele die Aufrüstungsspirale an: „Auch die Kanzlerin steigt in die Aufrüstungsideologie à la von der Leyen ein“, sagte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen. „Die Union fällt zurück in das alte, gefährliche Kalte-Kriegs-Denken.“ Mehr Geld für Rüstung sei keine Lösung. „Mehr Waffen führen zu mehr Unsicherheit und Instabilität in Konfliktlagen. Abrüstung und Rüstungskontrollen sind der richtige Weg zu Sicherheit und Frieden.“

Die Linke warf Merkel eine Militarisierung der Außenpolitik vor. Ex-Parteichef Oskar Lafontaine fand auf seiner Facebook-Seite heftige Worte: „Hat diese Dame sie noch alle?“, fragte er. Und er wies darauf hin, dass die Nato-Staaten 13-mal so viel für Rüstung ausgäben (905 Milliarden Dollar) wie Russland (66,4 Milliarden Dollar). Zur Aussage Merkels, wonach Deutschland und die USA sich bei den Ausgaben für Verteidigung annähern müssten, sagte der Ex-Linken-Chef, dass sich die Verteidigungsausgaben der USA auf 596 Milliarden Dollar beliefen und diese vor allem dazu dienten, die „imperialen Ziele“ der Vereinigten Staaten durchzusetzen. Merkel habe daher „nichts verstanden“ und sei „zu einer eigenständigen deutschen Außenpolitik nicht fähig“. Der seit Jahren geforderte Kurswechsel in der Politik beginne aber damit, „dass Deutschland und Europa sich auf ihre eigenen Interessen besinnen und eine selbstständige Außenpolitik machen“. Mit Merkel gehe das nicht.

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