
© Kitty Kleist-Heinrich
Bundeswehr-Offiziere und Top-Mediziner warnen: Kliniken in Deutschland unzureichend auf Katastrophenfälle vorbereitet
Ukraine-Krieg, Cyberangriffe, schwindende Unterstützung aus den USA – die Bundesrepublik müsse sich besser auf Katastrophen vorbereiten, sagen Fachleute aus Politik, Militär und Kliniken.
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Das deutsche Gesundheitswesen ist unzureichend auf Katastrophenfälle vorbereitet – insbesondere im Fall eines Krieges an der Nato-Ostgrenze gerieten auch die deutschen Krankenhäuser umgehend an ihr Limit. Das betonten Bundeswehr-Kommandeure, Klinikleiter und Chefärzte am Donnerstag auf einer Fachtagung im Unfallkrankenhaus Berlin. Die Bundesrepublik müsse sich demnach auf einen russischen Angriff auf das Baltikum vorbereiten.
Ein solcher Nato-Bündnisfall hätte immense Folgen für Deutschland, zumal die US-Regierung ihren Beistand für Europa infrage stellte. „Verteidigung ist nicht nur eine militärische Aufgabe, sondern betrifft massiv die zivile Seite“, sagte Ralph Tiesler, der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Zwar sei das Land auf zivile Großlagen gut vorbereitet, ein Krieg aber würde noch deutlich mehr Anstrengungen erfordern als die Corona-Pandemie.
Logistik für 750.000 Soldaten
Als logistische Drehscheibe für 750.000 Nato-Soldaten müsste das hiesige Gesundheitswesen mitunter auch deren Versorgung sicherstellen: von Impfungen über Operationen bis zu einigen Reha-Behandlungen. Das folgt aus dem „Operationsplan Deutschland“, einem mit den Nato-Verbündeten abgestimmten Papier über die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr, Wirtschaft, Gesundheitswesen und Hilfsorganisationen.
Neue Krankenhäuser müssen auch mit geschützten Räumen geplant werden, dazu gehören unterirdische OP-Säle.
Daniel Dettling vom Netzwerk „Gesundheitsstadt Berlin“
„Neue Krankenhäuser müssen – wie schon längst Praxis in anderen Ländern – auch mit geschützten Räumen geplant werden“, sagte Daniel Dettling, der die Tagung für das „Gesundheitsstadt“-Netzwerk mitorganisierte. „Dazu gehören unterirdische OP-Säle, also letztlich Bunkerstationen. Wir müssen das Gesundheitswesen in unsere Sicherheitsstrategie integrieren.“ In Israel und der Schweiz gibt es Bunkerkliniken, hierzulande wurden solche unterirdischen Anlagen nach der Wiedervereinigung aufgegeben.
Alte Kliniken, fehlendes Personal
Dettling verwies auf Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, weshalb sich die Europäer künftig nicht uneingeschränkt auf die USA verlassen könnten: „Wir müssen selbst widerstandsfähiger, krisensicherer werden – und die gesamte Infrastruktur modernisieren, von den IT-Netzwerken über die Verkehrswege und Krankenhäuser bis zur Bundeswehr.“ Insofern begrüße er die Pläne von CDU und SPD zum Sondervermögen, wobei man nun auf Konkretes warte.
Wiederholt forderte Klaus Holetschek, früherer Gesundheitsminister Bayerns und dort aktuell CSU-Fraktionschef, die neue Bundesregierung auf, „alles auf den Prüfstand“ zu stellen: „Unsere Kliniken sind auf einen militärischen Bündnisfall nicht vorbereitet – das gilt auch für die Bundeswehrkrankenhäuser.“
Cyberangriffe auf Krankenhäuser
In vielen Kliniken wird dringend Personal gesucht, ältere Krankenhäuser wiederum gelten inzwischen baulich als problematisch. Kliniken, Arztpraxen und die Gesundheitsämter könne es schon überfordern, führten die Fachleute am Donnerstag aus, wenn in den nächsten Wochen zahlreiche Verwundete aus der Ukraine nach Deutschland kämen. Dies könne auch dann der Fall sein, wenn sich Kiew und Moskau auf einen Waffenstillstand einigten.
„Wir sind nicht im Krieg, formaljuristisch, aber wir befinden uns auch schon lange nicht mehr im Frieden, weil wir täglich bedroht und auch attackiert werden“, sagte Generalleutnant André Bodemann, der stellvertretende Befehlshaber des operativen Führungskommandos der Bundeswehr. „Die Bedrohung oder Herausforderung zu früher ist eine ganz andere. Es gibt die Digitalisierung und die Cyber-Thematik, die wir damals zumindest in dieser Ausprägung gar nicht kannten.“
Wie berichtet, zielen Hacker-Angriffe immer wieder auch auf Krankenhäuser. Dabei geht es zuvorderst um Lösegelderpressung. Angenommen aber wird, dass feindliche Nachrichtendienste und entsprechende Cyber-Einheiten bestimmter Armeen solche Sabotageakte auch in ihre Kriegsführung integrieren. Russische Dienste sollen hierzulande äußerst aktiv sein.
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