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Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, Friedrich Merz, CDU, Bundeskanzler, Bärbel Bas, SPD, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, und Lars Klingbeil, Bundesminister der Finanzen, aufgenommen im Rahmen einer Pressekonferenz nach der Sitzung vom Koalitionsausschuss in Berlin, 3.9.2025.

© IMAGO//Florian Gaertner

Bürgergeld, Verbrenner-Aus und Straßenneubau: Darüber streitet Schwarz-Rot heute beim Koalitionsgipfel

Es könnte ein langer Abend im Kanzleramt werden: Für eine Reihe von Themen, die auf der Agenda stehen, haben Union und SPD bisher keine Lösung gefunden. Das sind die Knackpunkte.

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Die Erwartungen und der Druck auf die Bundesregierung sind hoch. Dafür haben weniger die schlechten Umfragewerte, sondern der Bundeskanzler selbst gesorgt, als er vor Wochen einen Herbst der Reformen ankündigte. Nun war es Merz’ eigene Fraktion, die vom Koalitionsausschuss konkrete Entscheidungen forderte.

Am Mittwoch um 17 Uhr treffen sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD im Kanzleramt. Vorher stehen getrennt parteiinterne Beratungen an. Im Berliner Regierungsviertel stellt man sich auf einen langen Abend ein.

Ging es beim letzten Gipfeltreffen vor allem darum, wie man den Streit und die schlechte Stimmung hinter sich lassen könnte, stehen jetzt in zentralen Politikfeldern grundlegende Einigungen oder gar Beschlüsse an. Ob in der Industrie-, Verkehrs- oder Sozialpolitik. Das sind die entscheidenden Konfliktlinien.


Bürgergeld: Wie viel Härte mutet man zu?

Das Wort „Bürgergeld“ hörte man aus den Mündern der Regierenden zuletzt immer seltener. Die neue Grundsicherung soll es ablösen und die Sozialleistung damit ihr von vielen zugeschriebenes Image eines quasi-bedingungslosen Grundeinkommens abstreifen. Seit Wochen wird an einem neuen Gesetz gearbeitet. Aus Regierungskreisen heißt es, eine Einigung stehe kurz bevor. Union und SPD sagen, man bewege sich aufeinander zu.

Knackpunkt in den Verhandlungen bleibt die Frage, wie schnell schärfere Sanktionen für „Totalverweigerer“ greifen sollen. Das Bundesverfassungsgericht setzt dafür enge Grenzen. Trotzdem prüft man in der Koalition, ob man denen, die Arbeitsangebote komplett verweigern, direkt alle staatlichen Leistungen statt nur 30 Prozent streichen kann.

Finanzminister Klingbeil sagte wiederholt, seine Partei stehe für Sozialreformen bereit. Im Gegenzug erwartet man von der Union ein Entgegenkommen bei der Besteuerung von Vermögenden und Spitzenverdienern. Ob man sich schon am Mittwochabend einig wird, ist unklar. Der Kanzler rechnet bis spätestens nächste Woche mit einer Entscheidung beim Bürgergeld.


Verbrenner-Aus: Wie viel Flexibilität gibt man der Branche?

In der Union würde man das von der EU geplante Verbrenner-Verbot ab 2035 am liebsten komplett streichen. Dort fürchtet man dadurch weitere Nachteile für die ohnehin kriselnde Autoindustrie. Die SPD-Partei- und Fraktionsspitze, wie auch ihre Minister, bekräftigten seit Tagen beharrlich, an dem Datum sei nicht zu rütteln. Und zwar aus klimapolitischen wie industriepolitischen Gründen: Die Klimaziele reißt der Verkehrssektor seit Jahren, zudem bräuchten Hersteller Planungssicherheit.

Im Koalitionsausschuss soll ein Kompromiss gefunden werden, schließlich empfängt Merz einen Tag später Branchenvertreter zu einem Autogipfel. Das Zauberwort der Stunde könnte Flexibilität lauten. In der Union will man CO₂-arme Technologien wie den Range Extender oder Plug-in-Hybride zulassen, um den Herstellern auf dem Weg zur Elektromobilität etwas mehr Zeit zu verschaffen. Strafzahlungen will man in beiden Parteien in jedem Fall vermeiden.

Wenn VW, BMW und Co. zusammen mit der Arbeitnehmerseite dafür die Sicherung von Standorten in Deutschland und damit Arbeitsplätze zusagen, dürfte man sich diesem Kompromiss in der SPD kaum entgegenstellen.


Straßenneubau: Woher kommt das Geld dafür?

Eine flexiblere Handhabung könnte auch bei einem weiteren Konfliktthema der Schlüssel zur Lösung sein. Mitte September hatte Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) über die „Bild“ vor dem Stopp bereits baureifer Projekte gewarnt und damit in Ländern und Kommunen für Aufregung gesorgt. Vom Finanzminister forderte er über die Medien rund 15 Milliarden Euro zusätzlich. Der reagierte seinerseits mit einem formlosen Brief an Schnieder. Dieser müsse priorisieren, schließlich habe er über die gesamte Legislatur 166 Milliarden Euro zur Verfügung.

166
Milliarden Euro stehen dem Verkehrsministerium in dieser Legislaturperiode zur Verfügung.

Eine Kabinettsklausur später – bei der Schnieder einen Kreislaufzusammenbruch erlitt und deswegen am Mittwoch nicht in Berlin sein wird – und nachdem man sich die Liste genauer angesehen hat, ist aus Regierungskreisen zu hören: Die tatsächliche Zahl gefährdeter Projekte ist deutlich geringer und damit auch der Finanzierungsbedarf. So könnte die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur durch Umstrukturierungen, etwa aus dem Sondervermögen, bewerkstelligt werden.

In den Fraktionsspitzen wird schon seit Tagen nach einer Lösung gesucht. Auch ohne Schnieder könnte man sich am Mittwoch auf einen Kompromiss einigen.


Daneben gibt es eine Reihe weiterer Baustellen. Etwa, wie man die milliardenschwere Finanzierungslücke bei Kranken- und Pflegekassen schließen will. Union und SPD wollen Beitragserhöhungen zum Jahreswechsel vermeiden.

Auch über technische Details der Aktivrente ist man sich noch uneinig. Dabei peilt man auch hier an, spätestens kommende Woche im Kabinett einen Gesetzesentwurf zu beschließen. Mit einem steuerfreien Bonus von 2000 Euro will man Rentnerinnen und Rentner zu Mehrarbeit anreizen und damit dem Demografieproblem auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken.

Mit dem Wehrdienstgesetz steht beim Koalitionsausschuss am Mittwoch Regierungskreisen zufolge zumindest ein Streitthema nicht auf der Agenda. Stattdessen arbeitet man wieder auf Fachebene daran.

Eigentlich sollte es am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werden. Weil man in der Union einen Automatismus für einen Übergang zu einer Wehrpflicht ins Gesetz schreiben will, wurde die Beratung um eine Woche verschoben. In der SPD lehnt man verpflichtende Elemente außerhalb des Freiwilligenmodells zum jetzigen Zeitpunkt jedoch weiter ab.

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