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Jürgen Elsässer, „Compact“-Chefredakteur, gibt eine Pressekonferenz zur Aufhebung des Verbots der Zeitschrift durch das Bundesverwaltungsgericht hinter einem Titelbild seines Magazins.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

„Compact“-Verbot teilweise aufgehoben: Rechtsextremes Magazin soll schnell wieder erscheinen

Im Eilverfahren entschied das Bundesverwaltungsgericht zugunsten von „Compact“. Das Magazin darf unter Auflagen vorläufig erscheinen. Innenministerin Faeser stellt sich gegen die Kritik.

Stand:

Die Macher des rechtsextremistischen „Compact“-Magazins wollen die Publikation nach ihrem erfolgreichen Vorgehen gegen eine Verbotsverfügung schnell wieder auf den Markt bringen. Die August-Ausgabe sei vor dem Verbot in Druck gegangen und sei fertig produziert, sagte Chefredakteur Jürgen Elsässer am Donnerstag in Berlin.

Die Hefte würden „in Kürze ausgeliefert“. Wegen der erhöhten Aufmerksamkeit durch das Verbots- und das Gerichtsverfahren müsse der Verlag „möglicherweise nachdrucken“.

„Compact“ hatte zuvor einen Teilerfolg im juristischen Streit um sein Verbot durch das Bundesinnenministerium errungen. Das Bundesverwaltungsgericht gab einem Eilantrag der Compact-Magazin GmbH auf aufschiebende Wirkung ihrer Klage in Teilen statt, wie das Gericht am Mittwoch in Leipzig mitteilte.

Das Magazin darf nun unter Auflagen vorläufig weiter erscheinen, bis über die Klage entschieden wurde. Beschlagnahmte Beweismittel dürfen weiter ausgewertet werden.

„Compact“ beklagt beschlagnahmte Arbeitsmittel

Wegen dieser Beschlagnahmungen ist die Produktion einer neuen „Compact“-Ausgabe nach Angaben von Elsässer derzeit „vollkommen unmöglich“. Die Redaktion habe „keine Schreibtische, keine Stühle, keine Computer“ mehr. Der Anwalt der Magazin-Macher, Laurens Nothdurft, sagte auf der Pressekonferenz, bei den zuständigen Stellen in den Bundesländern seien bereits Rechtsmittel gegen die Beschlagnahmungen eingelegt worden.

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Elsässer zeigte sich überzeugt, dass sich die Auflage des Magazins „vervielfachen“ werde. Hätten vor dem Verbot und dem Gerichtsverfahren „vielleicht zwei Millionen Deutsche“ das Heft gekannt, dürften es nun „60 Millionen“ sein. „Entsprechend steigt auch unsere publizistische Schlagkraft.“

Zu der weiteren juristischen Auseinandersetzung sagte Anwalt Nothdurft, die Erfolgsaussichten für „Compact“ seien „enorm hoch“. Er gehe von einem „lange andauernden Hauptsacheverfahren“ aus. Elsässer sagte, er sei „immer sicher“ gewesen, „dass wir dieses Verfahren gewinnen“. Er sei aber skeptisch gewesen, dass bereits der Eilantrag Erfolg haben und dass über diesen so schnell entschieden werden würde.

Faeser verteidigt ihr Vorgehen

Das Bundesinnenministerium hält sein Verbot auch nach der ersten Gerichtsentscheidung weiter für begründet und will seine Position im Hauptsacheverfahren umfassend darlegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich kämpferisch. In Berlin sagte sie, man werde trotz der Niederlage vor Gericht weiter hart gegen „Verfassungsfeinde“ vorgehen: „Es ist ein ganz normaler Vorgang in einem Rechtsstaat, dass man vor Gericht mal bestätigt wird. Jetzt haben wir in Teilen mal verloren.“

Sie halte es dennoch für wichtig, „angesichts der erheblichen aktuellen Bedrohungslage“ Instrumente einer wehrhaften Demokratie anzuwenden: „Hier geht es um eine als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Organisation. Diese Organisation propagiert einen Umsturz und agitiert aggressiv gegen die Menschenwürde und elementare Verfassungsgrundsätze“, so Faeser.

Das Gericht habe die Rechtsauffassung des Innenministeriums bestätigt, dass das Vereinsverbot ein mögliches Instrument sei. „Das war für uns schon mal gut“, sagte Faeser. Die derzeitige Auswertung der Beweismittel werde in das Hauptsacheverfahren einfließen, in dem man die Rechtsauffassung des Innenministeriums „weiter genauso klar und umfassend“ vertreten werde, so Faeser.

Das Bundesinnenministerium hatte „Compact“ kürzlich verboten, weil es sich bei dem Magazin um ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ handele, so Faeser zum Verbot Mitte Juli. Die Vereinigung „COMPACT-Magazin GmbH“ lehne die verfassungsmäßige Ordnung nach ihren Zwecken und ihrer Tätigkeit ab und weise eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf, hieß es in der Verbotsverfügung.

Die Leipziger Richter sahen keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes als Mittel des Verbots, das zuvor auch vielfach für Diskussionen gesorgt hatte. Vielmehr könne „nicht abschließend beurteilt werden“, ob die Vereinigung auch tatsächlich den Verbotsgrund des „Sich-Richtens“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung erfüllt.

Einzelne Ausführungen des Magazins ließen zwar Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde erkennen, teilte das Gericht mit. Auch deute „Überwiegendes“ darauf hin, dass „Compact“ rhetorisch in vielen Beiträgen eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen“ einnehme.

Dennoch bestehen Zweifel, ob diese angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in „weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge“ in den Ausgaben des „Compact“-Magazins für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, dass das Verbot unter „Verhältnismäßigkeitspunkten“ gerechtfertigt ist. Aus diesem Grund sei das Publikationsverbot bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorerst ausgesetzt.

„Denn als mögliche mildere Mittel sind presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in den Blick zu nehmen“, ist außerdem in der Begründung des Gerichts zu lesen.

Kubicki: Nancy Faeser ist auf juristisch dünnem Eis „eingebrochen“

„Verfassungsministerin Nancy Faeser hat sich auf juristisch extrem dünnes Eis begeben und ist eingebrochen. Sollte sie auch im Hauptsacheverfahren scheitern, war es das“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki dem Tagesspiegel. Der FDP-Politiker hatte sich bereits kurz nach der Verbotsverfügung Mitte Juli kritisch zu der Maßnahme geäußert. Sollte das Verbot aufgehoben werden, sei ein Rücktritt Faesers „unvermeidlich“, kommentierte Kubicki damals.

Berlins AfD-Vorsitzende Kristin Brinker sprach auf „X“ von einer „schallenden Ohrfeige“ für Nancy Faeser. Es sei „höchste Zeit“ für ihren Rücktritt, forderte Brinker.

Kritik kommt auch von der CSU

„Die Eil-Entscheidung gegen das „Compact“-Verbot wirft ein verheerendes Licht auf die Sachkompetenz von Frau Faeser“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Alexander Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

CSU-Politiker sagte Hoffmann dazu: „Dieser Etappensieg für ein rechtsextremistisches Magazin zeigt, dass Frau Faeser mit ihrem übereilten Vorgehen dem Schutz der Demokratie einen Bärendienst erwiesen hat.“ Sie müsse nun erklären, wie es zu einer derartigen Fehleinschätzung gekommen sei.

„Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer schrieb auf X von einem „Sieg“ und dem „größten Triumph der Nachkriegsgeschichte“. „Eine Entscheidung wird erst im Hauptsacheverfahren fallen, und das werden wir auch gewinnen“, betonte Elsässer.

Die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“ änderte wenige Minuten nach Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung das Profilbild auf ihrem Telegram-Kanal in ein rotes „C“, das bisher verbotene Logo von „Compact“. Zugleich forderte die Partei den Rücktritt der Bundesinnenministerin. (mit dpa, epd, AFP, KNA)

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