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Darf’s noch ein bisschen mehr sein?: Parteien planen Entlastungen zwischen 30 und 138 Milliarden Euro
Der Wahlkampf ist eröffnet. Und mit ihm der Überbietungswettbewerb der Parteien. Die FDP ist am großzügigsten. Das sind ihre Vorschläge zur Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern und Firmen.
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Einen Tag nach der verlorenen Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellen heute zahlreiche Parteien ihre Programme für die voraussichtlich am 23. Februar stattfindende Bundestagswahl offiziell vor. Schon in den Tagen davor drangen Teile daraus an die Öffentlichkeit.
Was alle Entwürfe eint ist, dass die Parteien Bürgerinnen und Bürger sowie Firmen entlasten wollen: Sei es durch einen höher greifenden Spitzensteuersatz, eine Absenkung der Unternehmensbesteuerung oder eine reduzierte Mehrwertsteuer.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte zunächst für Union und SPD und am Dienstagmittag auch für Grüne und FDP Schätzungen veröffentlicht, wie stark die Entlastungen insgesamt und in den unterschiedlichen Bereichen ausfallen. Dabei wird deutlich: Die Pläne der FDP schlagen mit 138 Milliarden Euro am stärksten zu Buche. CDU/CSU wollen Haushalte und Unternehmen mit 89 Milliarden am zweitstärksten entlasten. Danach folgen die Grünen mit 48 Milliarden und die SPD mit 30 Milliarden.
Massive Senkung der Einkommensteuer
Am stärksten wollen die Parteien Bürgerinnen und Bürger bei der Einkommensteuer entgegenkommen. Die FPD will den Einkommensteuertarif schrittweise abflachen. Der Spitzensteuersatz soll erst ab einer Höhe von 96.000 Euro greifen, nicht schon bei 68.000 Euro wie heute. Dazu soll der Grundfreibetrag um mindestens 1000 Euro steigen. Der Soli soll endgültig für alle wegfallen. Unter dem Strich schätzt das IW die Kosten dieser Pläne auf 95 Milliarden Euro.
Auch die Union will das System bei der Einkommensteuer „schrittweise spürbar abflachen“, künftig regelmäßig an die Inflation anpassen und die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz erhöhen. Insgesamt fallen die geplanten Entlastungen aber mit 41 Milliarden weniger als halb so üppig aus wie bei der FDP. Grüne und SPD ziehen ebenfalls mit Forderungen nach einer Entlastung von Steuerzahlern in den Wahlkampf. Sie legen ihren Fokus allerdings vor allem auf Menschen mit niedrigem bis mittlerem Einkommen. Mit elf Milliarden (Grüne) und acht Milliarden (SPD) sind die Entlastungen daher auch deutlich geringer als bei Union und FDP.
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Finanziert werden sollen diese bei beiden Parteien zum Beispiel über eine Anhebung des Spitzen- sowie Reichensteuersatzes. Auch die Erbschaftssteuer soll reformiert und die Vermögensteuer wieder eingeführt werden. Die SPD will zudem die Abgeltungsteuer abschaffen und Kapitalerträge mit dem (für die allermeisten Menschen deutlich höheren) Einkommensteuersatz besteuern.
Alle wollen Firmen entlasten – aber auf unterschiedlichem Wege
Im Zentrum der Wahlprogramme steht bei allen Parteien außerdem die Wirtschaftspolitik. Die deutsche Wirtschaft dürfte dieses Jahr das zweite Mal in Folge schrumpfen. Um das Wachstum anzukurbeln, wollen FDP und Union die Körperschaft- und Gewerbesteuer senken. Die FDP will die Steuerbelastung gar auf 25 Prozent festschreiben. Das dürfte den Bund, die Länder und Gemeinden, die die Steuern erheben, laut IW 20 Milliarden (Union) sowie 17 Milliarden (FDP) kosten.
Die Parteien links der Mitte wollen stattdessen die Investitionsbedingungen der Unternehmen verbessern. So plant die SPD etwa eine Prämie für Investitionen in Maschinen und Geräte. Auch die Grünen wollen eine unbürokratische Investitionsprämie von zehn Prozent für alle Unternehmen und alle Investitionen, mit Ausnahme von Gebäudeinvestitionen, einführen. Die Pläne beider Parteien würden mit rund 20 Milliarden zu Buche schlagen.
An Stromsteuer und Netzentgelte wollen alle Parteien ran. Bei der Modernisierung des Strommarktes schneidet Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Ländern deutlich schlechter ab, wie eine ebenfalls am Dienstag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.
Finanzierung bei Union und FDP weitestgehend unklar
„Der Ansatz, die Steuerzahler zu entlasten, ist richtig und überfällig“, sagte IW-Steuerexperte Tobias Hentze. Anreize für mehr Investitionen und Arbeit könnten zu einer stärkeren Wirtschaftsdynamik führen.
Allerdings ist vor allem bei Union und FDP weiter unklar, ob die Pläne überhaupt finanzierbar sind. In den Parteien beteuert man, die Vorhaben seien durchgerechnet und damit realisierbar. Etwa durch Einsparungen beim Bürgergeld. Oder durch den Abbau von Bürokratie und dadurch steigende Steuereinnahmen.
Zahlreiche Ökonomen sind allerdings skeptisch, ob die Pläne wirklich aufgehen. Denn sowohl CDU/CSU als auch FDP wollen die Schuldenbremse nicht antasten. Andere Steuererhöhungen schließen alle drei Parteien ebenfalls aus. Dazu kommt, dass dem IW zufolge fast die Hälfte der Entlastungen bei Ländern und Kommunen anfallen würden. Ob sie Mindereinnahmen in dieser Höhe zustimmen, ist vollkommen offen.
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