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Friedrich Merz im Bundestag

© REUTERS/LISI NIESNER

Das Schuldenpaket ist richtig... : Doch jetzt muss Merz wieder zu Merz werden!

Es war höchste Zeit, dass die politische Mitte auf die Bedrohung durch Russland und auf Trump reagiert. Aber nun muss Merz das tun, was er doch eigentlich immer wollte: reformieren und sparen.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

Die mögliche künftige schwarz-rote Regierung regiert bereits, während sie noch über ihr Regierungsprogramm verhandelt. Damit hebt sie sich ab von der Ampel-Koalition, die sich zeitlebens mit dem Regieren schwertat, ganz zu schweigen von der rot-grünen Minderheitsregierung, die Deutschland seit mehr als vier Monaten lähmt.

Mit dem 500-Milliarden-Euro-Paket für Infrastruktur und Klima und der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben haben SPD, Union und Grüne zwei strategische Grundsatzentscheidungen getroffen. Wie erfolgreich diese Verfassungsänderungen sind, wird sich erst in einigen Jahren zeigen – Vorsicht vor „historischen“ Bewertungen!

Dass aber die politische Mitte auf die viel zu lange kleingeredete Bedrohung durch Russland und den Bruch aller transatlantischen Gewissheiten reagiert, war höchste Zeit. Gleiches gilt für den Willen, endlich marode Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Schienen zu reparieren.

Die Entscheidungen im Bundestag vom Dienstag und – wie zu erwarten – an diesem Freitag im Bundesrat entkräften den Vorwurf, die politische Mitte sei handlungsunfähig, ja handlungsunwillig. Sie widerlegen die – leider oft zutreffende – Klage, das verschränkte föderale System mit all seinen Koalitionen und Ausgleichsmechanismen bedeute: Stillstand.

Die Zustimmung des Bundestages zur potenziellen Eine-Billion-Euro-und-mehr-Entscheidung hat aber einen bitteren Beigeschmack. Das Hauruck-Verfahren ist dem Umstand geschuldet, dass der politischen Mitte im künftigen Bundestag die Zweidrittelmehrheit fehlen wird.

Zwar ist es verfassungskonform, dass der „alte“ Bundestag kurz vor der Konstituierung des „neuen“ Bundestages so weitreichend Gesetze ändert. Politisch aber ist es ein schwerer Schönheitsfehler, der das Narrativ nährt, „die Politik“ mache passend, was ihr nicht passt.

Das gilt erst recht für den Schulden-Kurswechsel von Friedrich Merz. Ja, das Finanzpaket ist in der Sache richtig. Aber Merz begründet seine 180-Grad-Wende mit der Bloßstellung von Wolodymyr Selenskyj durch Donald Trump im Oval Office am 28. Februar. Das ist, diplomatisch formuliert, nur bedingt glaubhaft.

Zwar hatte der CDU-Chef vor der Wahl eine Reform der Schuldenbremse nie ausgeschlossen. Doch anders als SPD und Grüne mauerte Merz hier, um die eigenen Reihen zu schließen. Mit Verve in der Stimme (wie so oft) stellte Merz für jedes Schuldenbremsen-Reförmchen knallharte Bedingungen, vor allem: Einsparungen.

Und heute? Schwarz-Rot will nicht nur in Panzer und Straßen investieren, sondern auch in den Konsum. Mit zusätzlichen Milliarden für Mütter, Pendler, Gastronomen und Landwirte erkaufte sich Merz das Ja der CSU zum Sondierungspapier. Merz war aber nicht als Kanzlerkandidat angetreten, um sich Zustimmung zu erkaufen.

Gerade weil Schwarz-Rot seinen Gestaltungswillen bisher per Volksbeglückung zeigt, wird das Finanzpaket von Merz‘ Wortbruch überschattet, gleichsam die Ursünde seiner Kanzlerschaft. Christian Lindner fragte Merz kürzlich im Plenum zu Recht: „Wer sind Sie, und was haben Sie mit Herrn Merz gemacht?“

Andererseits: Ein guter Politiker versteht es, Gelegenheiten zu Kurskorrekturen zu nutzen. Merz hat den Oval-Office-Eklat genutzt, um einen solchen Kurswechsel zu legitimieren. Der politische Preis aber ist hoch. Weite Teile seiner eigenen Fraktion stimmten dem Milliarden-Paket nur mit der Faust in der Tasche zu.

Um den Wortbruch zu heilen, um die Union mit dem deficit spending zu versöhnen, muss Merz in den Koalitionsverhandlungen liefern, und zwar so, wie im CDU-Wahlkampf angekündigt: Einsparungen, Reformen, Bürokratieabbau. Und mit umfassenden Konsequenzen aus dem unheiligen Zusammenspiel von Kremlchef Wladimir Putin und Trump. Ohne die Einführung eines sozialen Pflichtjahres sollte Schwarz-Rot erst gar nicht starten.

Die SPD muss aus ihrem Wahldebakel inhaltliche Konsequenzen ziehen. Ihre Aufgabe kann es jetzt nicht mehr sein, als Anwalt des Bürgergelds aufzutreten, sondern ein Leitmotiv durchzusetzen, das da lautet: Gerechtigkeit beim Sparen! Schwarz-Rot hat mit der Entscheidung vom Dienstag die Voraussetzungen für gutes Regieren geschaffen. Das verpflichtet.

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