Das Wahlorakel aus dem Norden: Pinneberg wählt seit 75 Jahren die Kanzlerpartei – auch dieses Mal?

Am Sonntag geht es für Friedrich Merz (CDU) ums Kanzleramt, für die FDP um ihr politisches Überleben und für Pinneberg um die Titelverteidigung als Kanzler-Orakel. Seit 75 Jahren wählen die Menschen aus Wahlkreis 7 in Schleswig-Holstein mehrheitlich den Direktkandidaten, dessen Partei später auch den Kanzler oder die Kanzlerin stellt. Bei allen Wahlen der bundesrepublikanischen Geschichte war das so – mit Ausnahme der ersten im Jahr 1949.

Für die SPD tritt dieses Mal wie auch schon bei der letzten Bundestagswahl Ralf Stegner an. Damals gewann der Parteilinke den Wahlkreis mit fünf Prozentpunkten Abstand auf den CDU-Kandidaten Michael von Abercron. Auf Bundesebene lag die SPD 2021 nur hauchdünn vor der Union. Trotzdem wurde Stegners Parteifreund Olaf Scholz Bundeskanzler.

CDU liegt auf lokaler und Bundesebene vorn

„Wenn man weiß, dass der Kanzler von der SPD kommt, wenn man hier gewinnt, dann muss man sich ins Zeug legen“, sagte Stegner kürzlich. Dieses Jahr müssen sich die Sozialdemokraten allerdings besonders ins Zeug legen. Nach einem erneuten Doppelsieg Stegner-Scholz sieht es aktuell nicht aus: In den bundesweiten Umfragen liegt die Union bei 30 Prozent, die SPD bei um die 15 Prozent.

© imago/Jürgen Heinrich/imago/Jürgen Heinrich

Auch für den Wahlkreis Pinneberg gehen die Demoskopen mehrheitlich davon aus, dass Stegner seinem Herausforderer Daniel Kölbl (CDU) unterliegen wird. Mit gewohnt markigen Worten will sich der ehemalige SPD-Bundesvize trotzdem noch nicht geschlagen geben: „So schwierig die Lage auch scheint, aber Friedrich Merz ist auch nicht gerade eine Stimmungskanone“, so Stegner.

Bleibt die Überraschung aus – wonach es in allen Umfragen aktuell aussieht – dürften die Wählerinnen und Wähler im Kreis Pinneberg ihre Serie als Kanzler-Orakel also weiter fortsetzen.

Die Mischung macht’s im Kreis Pinnerberg

Pinneberg ist einer von 299 Wahlkreisen. Auch die Urlaubsinsel Helgoland gehört dazu. Jüngeren Menschen dürfte am ehesten noch Elmshorn ein Begriff sein, vor allem wegen Arno Dübel. Wahlberechtigt sind im Wahlkreis Pinneberg rund 240.000 Menschen. Überdurchschnittlich viele machen davon auch Gebrauch: 80,3 Prozent haben 2021 gewählt – auf Bundesebene waren es nur 76,6 Prozent. Was macht den Wahlkreis im hohen Norden so besonders?

„Mit einer Mischung aus Stadt und Land, Jung und Alt, kleineren und höheren Einkommen spiegelt der Kreis Pinneberg gefühlt insgesamt ziemlich gut die Verhältnisse in der Bundesrepublik wider“, sagt CDU-Kandidat Kölbl. Das sieht sein Konkurrent um das Direktmandat ähnlich. „Ich glaube, dass es die Mischung ist, aus den etwas progressiveren Hamburgern und den etwas konservativeren Schleswig-Holsteinern“, sagt Stegner.

Wohlgemerkt lagen die Pinnebergerinnen und Pinneberg die letzten 75 Jahre nur bei der Wahl des Direktkandidaten und späteren Kanzlers beziehungsweise Kanzlerin immer richtig. Das Zweitstimmenergebnis wich 1961 und 2005 von diesem Muster ab (anders als etwa der Wahlkreis Berlin-Reinickendorf).

Dieses Jahr könnte im Kreis Pinneberg aber nicht nur Geschichte weiter, sondern auch neu geschrieben werden. Durch die Wahlrechtsreform und den Wegfall der Überhangs- und Ausgleichsmandate könnten erstmals Wahlkreise leer ausgehen und keinen eigenen direkt gewählten Kandidaten im Bundestag haben. Insa zählt auch Pinneberg zu den Wackelkandidaten.

Zwar schätzen die Demoskopen, dass die CDU den Wahlkreis 7 mit klarem Vorsprung gewinnt. Allerdings könnte das Zweistimmenergebnis laut Insa nicht reichen – und Pinneberg auf eine andere Art doch verlieren.